An einer US-Anhörung mit Mark Pieth wurden schwere Vorwürfe gegen die Schweiz als Putins «Gehilfin» erhoben. Selbst der Basler Ex-Professor wunderte sich etwas.
Herr Pieth, Sie sind an einem US-Briefing aufgetreten, an dem die Schweiz als ein seit langem bekannter «Ort für Kriegsverbrecher und Kleptokraten» und «führende Gehilfin» für den russischen Präsidenten Putin und dessen Kumpanen bezeichnet wurde. Weshalb?
Es war eine Kommission des amerikanischen Parlaments, nicht die US-Regierung, welche die Veranstaltung durchführte. Diese Helsinki-Kommission kommuniziert sehr direkt, ja grob. Wenn man die Einladung liest, könnte man meinen, die Schweiz sei schlimmer als ein Piratenloch. Sie sei der Ort, an dem Kriegsverbrecher ihr Geld versteckten.
Weshalb?
«Rico» ist das amerikanische Gesetz gegen die organisierte Kriminalität. Die USA können damit Putin und Konsorten als Verbrecherorganisation definieren. Juristisch bedeutet das: Das ganze Oligarchengeld wird nicht einfach nur eingefroren und dann später wieder freigegeben, sondern es wird eingezogen und es kommt den Opfern zu. Alles, was Russland gehört, würde so in die Ukraine gelangen – zu Rüstungszwecken oder für den Wiederaufbau.
Weshalb ist das für die Schweiz kompliziert?
Die halbe Schweiz schreit danach, dass sie endlich in der Taskforce mitmacht. Tut sie das, kommen in ein paar Monaten die USA und sagen: Jetzt brauchen wir von Ihnen aber bitte die Namen. Da gibt es aber ein grosses Problem. Bern muss dann sagen: Wir haben immer noch das – zwar eingeschränkte – Bankgeheimnis und zudem das Anwaltsgeheimnis. Wir dürfen die Namen nicht mir nichts, dir nichts preisgeben.
Das US-Briefing, bei dem Sie aufgetreten sind, wird auch von Schweizer Parlamentariern als unfair kritisiert. Teilen Sie diese Kritik?
Bis zu einem gewissen Grad durchaus. Der amerikanisch-britische Investor und Menschenrechtsaktivist Bill Browder, der die Schweiz dort am härtesten kritisierte, ist auf einem Rachefeldzug, weil die Schweiz in seinem Fall, dem Fall Magnitski, eingefrorene Millionen an Russen zurückzahlen will. Seine Kritik an der Schweizer Strafverfolgung ist aber auch berechtigt.
Zumindest hat beim Briefing ein Senator angekündigt, dass er Browders Anliegen beim WEF in Davos, das bald stattfindet, bei der offiziellen Schweiz deponieren wird. Die Bundesanwaltschaft steht also unter genauer Beobachtung. Aber auch an einem anderen Ort wird der Druck gross.
Wo?
Falls die Schweiz nicht in der Lage ist, Anwälte, die Vertuschungsstrukturen aufstellen und betreuen, an die Kandare zu nehmen. Wegen ihnen greifen die besten Sanktionen nicht. Die fehlenden Informationen über die sanktionierten Oligarchen werden in Kanzleien in Zürich oder Luzern versteckt gehalten.
Was kann man dagegen tun?
Einerseits Gesetze ändern, wie es nun die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats tun will. Andererseits wäre mein Vorschlag: Setzt diese Schweizer Anwälte auf die Sanktionsliste. Dann können sie nicht einmal mehr nach Rimini reisen, ohne eine Verhaftung und Auslieferung in die USA zu befürchten.
Dieser Artikel stammt aus dem Tages-Anzeiger, weitere Artikel finden Sie unter www.tagesanzeiger.ch
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