Die Finanzziele sind ambitioniert, aber erreichbar. Freie Mittel will der Augenheilkonzerns vor allem ins Geschäft investieren.
Bald sind zwei Jahre vergangen, seit sich Alcon (ALC 65.08 +0.09%) von Novartis (NOVN 81.10 +0.61%) gelöst hat und an die Börse gegangen ist. Erst jetzt wird das auf Augenbehandlung ausgerichtete Unternehmen richtig befreit durchstarten können. Unter anderem mussten die IT-Systeme mühsam entflechtet und global vereinheitlicht werden. Im Geschäft mit Augenlinsen war die Produktionskapazität auszubauen.
Die zweite Hälfte dieser Zeitspanne war zudem von der Pandemie geprägt. Der neue operative Hauptsitz in Genf blieb quasi verwaist. CEO David Endicott führt den Konzern seit einem Jahr von Fort Worth in Texas aus, dem Ursprungsort des 75 Jahre alten Unternehmens.
An der ersten grossen Investorenveranstaltung seit dem Spin-off hat Alcon neue Finanzziele vorgelegt. Als Vergleichsbasis wurden die Werte von 2019 genommen, da die letztjährigen Zahlen wegen Covid aus dem Raster fallen. Bis 2025 peilt der Konzern einen Umsatz von 10 Mrd. $ an, womit er pro Jahr 5% organisch wachsen müsste, leicht über dem erwarteten Marktdurchschnitt. Die aktuelle Konsensschätzung der Finanzanalysten geht von 9,4 Mrd. $ aus.
«Keine Aktienrückkäufe»
Auf Ebene der Profitabilität rechnet die Konzernleitung mit einer Steigerung der Ebit-Marge von 17 auf 24 bis 26%, mehr als die Finanzanalysten (22,1%). Die derzeit 4 bis 5 Prozentpunkte niedrigere Marge der Division Eye Care soll sich dabei derjenigen der Augenchirurgie annähern.
Ein Fünftel der Verbesserung werde aus einem vorteilhafteren Produktmix stammen, vier Fünftel kämen aus dem «Operating Leverage»: Der Umsatz steigt prozentual stärker als der Betriebsaufwand. Gemäss früherem Plan soll die Kostenbasis bis 2023 um 200 bis 225 Mio. $ entlastet werden. Derzeit beträgt der Investitionsaufwand wegen des Ausbaus der Linsenproduktion 7% des Umsatzes; er soll auf die üblichen 5% zurückkehren. Das am Investorentag von 2018 noch unter Novartis präsentierte Fünfjahresziel von 20 bis 25% dürfte knapp erreicht werden, am unteren Ende.
Finanziell hat Alcon viel Spielraum. Ende Dezember hatte sie eine Liquidität von 1,6 Mrd. $ in der Bilanz. In fünf Jahren soll der freie Cashflow von 400 auf 1,8 bis 2 (Analystenschätzung: 1,4) Mrd. $ klettern. Gleichwohl gedenkt das Unternehmen nur 10% des bereinigten Gewinns als Dividende auszuschütten. Aktienrückkäufe seien vorderhand keine vorgesehen, sagte CEO David Endicott auf eine entsprechende Frage von FuW: «Wir wollen die Mittel auf produktivere Weise investieren, in Forschung und Entwicklung sowie eine Ausweitung der Geschäftsaktivitäten.»
Zwar hat Alcon das breiteste Produktportfolio der Branche. Es soll aber beschleunigt modernisiert werden. Expansionsmöglichkeiten sieht das Management in grosser Zahl. Etwa den Eintritt in die optische Biometrie und die mikroskopische Chirurgie, einen 400-Mio.-$-Markt mit hohen Margen. Ausbaufähig ist das Produktangebot auch für Kurzsichtigkeit (Myopie), altersbedingte Sehbeschwerden (Presbyopie) und für trockene Augen, alles Teilmärkte mit relativ hohen Wachstumsraten. Der von Alcon bearbeitete Gesamtmarkt könnte sich bis 2025 in Summe 20% auf 30 Mrd. $ ausweiten, nimmt das Unternehmen an.
The Long View
Neue Technologien wird Alcon auch zukaufen, doch ein ganz grosser Wurf ist mit Blick auf die Marktposition in beiden Geschäftsbereichen nicht zu erwarten. Primär im Visier sind Akquisitionen zu Preisen in der Grössenordnung von 50 bis 300 Mio. $. Übernahmen und neue Geschäftsfelder sind in den Finanzzielen 2025 nicht enthalten.
Der Investorentag lieferte einen guten Überblick über Alcons Welt. Mit einem Anteil von 42% in der Augenchirurgie und 21% im Geschäft mit Augenpflegeprodukten kann sie eine hervorragende Marktposition in die Waagschale werfen. Im Vergleich zu 2018, als das Unternehmen und sein Management wenig bekannt und die Jahre zuvor von Marktanteilsverlusten geprägt waren, ist die Zuversicht nun grösser, dass die Finanzziele erreicht werden. Neue Produkte haben hohe Marktanteile erobert.
Mirabaud Securities hat die Vorgabe für die Profitabilität in eine konkrete Gewinnschätzung umgerechnet: Per 2025 würde ein bereinigter Gewinn je Aktie von fast 3.60 (2019: 1.89) Fr. resultieren, gut ein Fünftel mehr als vom Markt erwartet. Multipliziert mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis 2022 von 29 ergibt sich ein Kurs von über 100 Fr., was einem Anstieg von fast 60% entspricht. Natürlich lässt sich derlei für viele Unternehmen durchrechnen. Doch im Fall von Alcon ist die Prognosesicherheit relativ gross. Kaufen und liegen lassen.
Die komplette Historie zu Alcon finden Sie hier.»
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