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15:08 Uhr - 06.09.2022

Keine Lizenz zur Steuerhinterziehung

Die kleine Reform der Verrechnungssteuer ist schwer zu vermitteln. Doch die Vorteile überwiegen klar. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Arno Schmocker.

Auch eine schier unendliche Geschichte: Mehr als zehn Jahre lang diskutierte die Politik über eine Reform der Verrechnungssteuer in der Schweiz. Es gab parlamentarische Vorstösse, die viel weiter gingen als die jüngste Vorlage des Bundesrats, über die am 25. September abgestimmt wird. Der Berg hat ein Mäuschen geboren.

Aber auch der kleinstmögliche Schritt ging der Linken zu weit. Durch ein Referendum erhofft sie sich einen weiteren Sieg an der Urne, nach dem Nein zur Abschaffung der Stempelsteuer im Februar.

Es wird knapp werden. Mehr noch als die Abstimmung zur AHV21 ist die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer dem Souverän nicht einfach zu erklären, zumal die wenigsten der Stimmberechtigten davon betroffen sind. Es geht einzig um die Verrechnungssteuer von 35% auf Zinsen inländischer Obligationen, und erst noch ausschliesslich solche, die ab 2023 neu ausgegeben werden. In Zahlen: um etwa 300 Mio. von 5 bis 8 Mrd. Bundeseinnahmen aus der Verrechnungssteuer.

Zum Zeitpunkt der Einführung der Verrechnungssteuer, 1944, stand der sogenannte Sicherungszweck im Vordergrund. Sie sollte sicherstellen, dass die Steuerpflichtigen den Ertrag aus Dividenden und Zinsen gehorsam deklarieren. Eine Abschaffung fördere die «Steuerkriminalität von Grossanlegern und Oligarchen», lautet nun eine süffige und irreführende Behauptung des Referendumskomitees.

Abgesehen davon, dass sich langfristige Obligationen wenig zur Steuerhinterziehung eignen und von der Abschaffung alle Anleger betroffen wären: Wer Steuern hinterziehen will, konnte und kann das weiterhin tun. Mehr als anderswo geht der Schweizer Staat im Grundsatz freilich davon aus, dass die Bevölkerung steuerehrlich ist.

Feindbilder bewirtschaften

Auch sonst bemühen die Gegner der Abschaffung sattsam bekannte Feindbilder. Es würden neue Sonderrechte für Grosskonzerne geschaffen. Dabei geht es vielmehr um die Eliminierung von Nachteilen. Nicht nur für Konzerne, sondern auch für Bund, Kantone, Gemeinden, staatliche und staatsnahe Unternehmen: Sie würden von geringeren Finanzierungskosten profitieren, gemäss einer Schätzung der Eidgenössischen Steuerverwaltung 60 bis 200 Mio. Fr. pro Jahr.

Wie mit jeder Steuerabschaffung ist auch hier Fall mit Steuerausfällen zu rechnen. Der einmalige Finanzeffekt von 1 Mrd. Fr. ist durch Rückstellungen gedeckt. Während einer Übergangsphase muss der Bund frühere Verrechnungssteuern auf Anleihenzinsen erstatten, während er keine neuen Verrechnungssteuern einnimmt.

Die nach etlichen Jahren zu erwartenden Mindereinnahmen beziffert die Steuerverwaltung auf 215 bis 275 Mio. Fr. Kurzfristig, weil eben nur neu emittierte Obligationen von der Verrechnungssteuer befreit sind, dürfte es ein zweistelliger Millionenbetrag sein.

Inwieweit Verhaltensänderungen der Marktteilnehmer Mehreinnahmen auslösen, ist schwer abzuschätzen. Die gesamten Steuereinnahmen des Bundes sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gestiegen, trotz oder gerade wegen Steuerreformen.

Referendumsfuror bremsen

Augenfällig ist, dass das Geschäft mit Obligationen wegen der Verrechnungssteuer ins Ausland abgewandert ist, vor allem nach Luxemburg, London und in die USA. Diese Finanzplätze kennen keine solche Steuer, die während einer gewissen Zeit Liquidität blockiert und deren Rückforderung vor allem aus dem Ausland aufwendig ist. So ist die Zahl der hierzulande emittierten Anleihen seit 2009 mehr als die Hälfte gesunken.

Der Fremdkapitalmarkt in der Schweiz ist nicht nur im Konkurrenzvergleich, sondern auch mit Blick auf die grosse Bedeutung des Landes in der grenzüberschreitenden Betreuung von Privatvermögen unterentwickelt. Die gezielte Abschaffung eines kleinen Teils der Verrechnungssteuer könnte Abhilfe schaffen. Ein Ja an der Urne würde überdies ein Signal senden: dass die Macht der Linken zur blossen Reformblockade an Grenzen stösst.

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