Nach der Coronakrise soll den besonders armen Staaten von den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern geholfen werden.
Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen als Reaktion auf die Coronavirus-Krise besonders armen Staaten auch 2021 mit Schuldenerleichterungen unter die Arme greifen. Im Kreis der G20-Finanzminister gelang am Mittwoch aber zunächst nur eine Verlängerung um sechs Monate. Das ist unter anderem Vize-Kanzler Olaf Scholz zu wenig. Die Pandemie hat auch die Verhandlungen über eine globale Steuerreform ausgebremst, mit der die Regeln an das Digitalzeitalter angepasst und Steueroasen ausgetrocknet werden sollen. Hierfür soll nun bis Mitte 2021 Zeit gewährt werden, um eine politische Verständigung hinzubekommen. Scholz ist zuversichtlich, dass dies gelingen kann.
Das Coronavirus unter Kontrolle zu bekommen, ist aus Sicht der G20 die entscheidende Voraussetzung für eine konjunkturelle Erholung. Dafür und für den Erhalt der Finanzstabilität müsse alles getan werden, was möglich sei, hiess es im Abschlussdokument nach virtuellen G20-Beratungen der Finanzminister und Notenbankchefs. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet in diesem Jahr wegen der Pandemie mit einem Einbruch der Weltwirtschaft um 4,4%. Das ist die schwerste Rezession seit der Grossen Depression vor fast 100 Jahren.
Besonders hart hat es Entwicklungsländer und schon vor der Krise stark verschuldete Staaten getroffen. Für die ärmsten Länder der Welt wurden bereits bis zum Jahresende alle Zins- und Tilgungszahlungen gestundet. Sie sollen so mehr Geld haben, um ihre Gesundheitssysteme besser auszustatten. Die Schuldenerleichterungen werden mit dem G20-Beschluss nun um sechs Monate verlängert. Im Frühjahr 2021 soll entschieden werden, ob diese Massnahme dann noch einmal ausgeweitet wird bis zum Jahresende 2021.
«Ich erhoffe mir für die Zukunft, dass es nicht nur dabei bleibt», sagte Finanzminister Scholz der Nachrichtenagentur Reuters. Auch private Gläubiger müssten mitziehen. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, die G20-Gruppe habe sich erstmals auf einen Rahmen geeinigt, wie China künftig bei Schuldenerleichterungen einbezogen werden könne. Die Volksrepublik ist in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Gläubiger vieler Länder geworden, nicht nur in Afrika. Weltbank-Chef David Malpass kündigte an, noch im Oktober einen Vorschlag für weitere Notfallfinanzierungen für besonders arme Länder im Volumen von 25 Mrd. $ machen zu wollen.
Staatsverschuldung auf Rekordhoch
IWF-Chefin Kristalina Georgiewa sagte in Washington, die immense Verschuldung sei eines der grössten Probleme nach der eigentlichen Krise. Die internationale Staatengemeinschaft müsse einen Weg finden, damit umzugehen. Vor allem ärmere Staaten bräuchten Schuldenerleichterungen und Zuschüsse. Insgesamt rechnet der IWF in diesem Jahr mit einer rasant steigenden Staatsverschuldung und einem neuen Rekordhoch – von 83 auf knapp 100% der Wirtschaftsleistung. Trotz geringer Haushaltsspielräume empfiehlt der Währungsfonds mehr langfristig ausgerichtete Investitionen. Gesundheits- und Bildungssysteme müssten Priorität haben, ausserdem Digitalisierung und Klimaschutz.
Mehr Zeit wird für eine Einigung auf eine Steuerreform benötigt. 137 Länder hatten sich vergangene Woche unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD auf ein Grundgerüst dafür geeinigt. Wichtige Details sind aber noch offen. Es soll eine globale Mindeststeuer geben und einen neuen Verteilungsschlüssel, welches Land digitale Dienstleistungen wie stark besteuern darf. «Deshalb ist da noch Arbeit vor uns, aber es ist ein Fortschritt, wie er vor einigen Jahren nicht vorstellbar war», sagte Scholz.
Sollte die politische Einigung auch nach der US-Präsidentenwahl nicht gelingen, dürften immer mehr Länder mit eigenen Digitalsteuern vorpreschen, um Internet-Riesen stärker anzuzapfen. «Wir denken, dass Europa hier das Vorbild sein sollte», forderte Le Maire.
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