Der kriselnde Backwarenhersteller kündigt eine Kapitalerhöhung an, um die hohen Schulden zu reduzieren. Die Zeit für eine Neubewertung der Aktien ist gekommen.
Es ist eng geworden für den mit finanziellen Problemen kämpfenden Backwarenhersteller Aryzta (ARYN 8.48 -3.31%), sehr eng. Die Ankündigung einer Kapitalerhöhung zwecks Bilanzsanierung ist ein Befreiungsschlag. Aryzta beabsichtigt, 800 Mio. € an neuen Eigenmitteln aufzunehmen, unter Gewährung eines Bezugsrechts für bestehende Aktionäre. Allerdings dauert es noch eine Weile bis zur Umsetzung der Transaktion: Die Bedingungen und Konditionen werden erst am 1. Oktober kommuniziert, zusammen mit dem Resultat des Geschäftsjahres, das Ende Juli schloss.
Zu lange gewartet
Verwaltungsratspräsident Gary McGann, seit Mitte Dezember 2016 im Amt, hatte bisher eine Kapitalerhöhung unter allen Umständen vermeiden wollen, aus Rücksicht auf die Aktionäre. Weil er so lange zugewartet hat, ist der gewinnverwässernde Effekt der Massnahme und der Schaden für die Altaktionäre nun maximal gross. Denn die Aktien haben massiv verloren, seit McGanns Amtsantritt rund 80%. Die Börsenkapitalisierung ist auf rund 750 Mio. Fr. gesunken und liegt unter dem geplanten Betrag der Kapitalerhöhung. Um diesen zu erreichen, wird Aryzta nun viel mehr neue Aktien ausgeben müssen, als vor Jahresfrist nötig gewesen wäre.
Aus Gesprächen mit Marktteilnehmern lässt sich heraushören, dass Aryzta vor einem Jahr mit einer Kapitalerhöhung auf viel Wohlwollen gestossen wäre – zumal die Börsenstimmung damals ausgezeichnet und die Risikofreude der Investoren gross war. Inzwischen sind sie deutlich risikoscheuer geworden. Zudem hat das Vertrauen in die neue Führung von Aryzta – nach zwei Gewinnwarnungen und einer bisher nicht gelungenen Beteiligungsveräusserung – deutlich gelitten.
Ständige Zweifel
Regelmässig wurde angezweifelt, dass der Konzern die mit den Banken vereinbarten Kreditklauseln einhalten könne. Per Ende Januar machten die Nettoschulden mit 1,6 Mrd. € das 4,2-Fache des Betriebsgewinns auf Stufe Ebitda aus. Gemäss Vereinbarung durfte dieses Verhältnis per Ende Juli nicht höher als 4 ausfallen. Der Backwarenhersteller bestätigt nun zwar, dass er die Kreditklauseln einhalten konnte – doch das ist letztlich nur mit einem Kniff gelungen.
Er liess sich vom Tiefkühlspezialisten Picard, an dem er eine seit längerem zum Verkauf stehende Beteiligung von 49% hält, zweimal eine Sonderdividende auszahlen. Diese Lösung ist nicht nachhaltig, und die Frage wäre geblieben, wie Aryzta die Klauseln zu den nächsten Terminen hätte einhalten wollen: Bis Ende Juli 2019 muss das Verhältnis von Nettoschulden zu Ebitda auf 3,5 sinken.
Von der Defensive in die Offensive
Die Führung mit VR-Präsident McGann und dem seit September amtierenden CEO Kevin Toland hat sich mit ihrem Zuwarten angreifbar gemacht: Auf fallende Kurse spekulierende Leerverkäufer versuchten, die schlechte Stimmung gegenüber Aryzta für ihre Zwecke zu nutzen. Der Kurszerfall hat sich zuletzt beschleunigt, allein in diesem Monat haben die Aktien gegen 40% verloren. Die Führung war gezwungen zu handeln, um Aktionäre, Kreditbanken und Kunden zu beruhigen.
Die Ankündigung einer Kapitalerhöhung zur Schuldenreduktion ist als Massnahme zu sehen, die Aryztas Los wenden kann. Dass sie nicht umgehend umgesetzt wird, ist unter anderem auf rechtliche Anforderungen zurückzuführen. Aryzta erstellt zurzeit den Abschluss für das Geschäftsjahr 2018, das im Juli endete, und befindet sich in der Stillhaltezeit. Das Jahresergebnis soll in den Konditionen der Kapitalerhöhung Ausdruck finden.
Letzte Prognose bestätigt
Eine Erleichterung bietet dabei die Nachricht, dass die Führung an ihrer letzten Prognose eines Ebitda von 296 bis 304 Mio. € festhält – zumal mit Hostess Brands ein Mitbewerber in den USA vergangene Woche seine Gewinnprognose u.a. wegen Kostendrucks gesenkt hat.
Im Auge zu behalten bleibt, dass im Geschäftsjahr 2016 noch ein Ebitda von 609 Mio. € resultierte. Der Betriebsgewinn hat sich also in zwei Jahren halbiert, und dies in einem Nahrungsmittelgeschäft, das als stabil gilt. Der Einbruch und der unfassbare Kurszerfall haben ihre Ursachen in den Fehlern des vormaligen Managements um CEO Owen Killian, der mit seinem Finanzchef und dem Amerikachef Ende März 2016 abgesetzt wurde.
Neues Vertrauen
Die neue Führung hatte zwar keinen guten Start. Dennoch ist ihr zuzutrauen, dass sie die Wende schaffen kann. VR-Präsident McGann wie CEO Toland haben beide bereits Turnaround-Situationen erfolgreich gemeistert. Die Kapitalerhöhung verschafft ihnen nun Zeit und Geld, um die Restrukturierung durchzuführen.
Wie hoch das Aufholpotenzial von Aryzta dann tatsächlich sein wird, muss sich weisen. Für das Geschäftsjahr 2019 gibt die Führung noch keine Prognose ab. Sie hat aber ihr Sparprogramm etwas detailliert: Die Massnahmen sollen jährlich Einsparungen von rund 90 Mio. € bis zum Geschäftsjahr 2021 bringen, kumuliert um die 200 Mio. €. Die Kosten werden auf 150 Mio. € beziffert, sie sind cashwirksam.
Unwägbarkeiten
Unsicherheiten bleiben bestehen: Eine betrifft den Markt für tiefgefühlte Backwaren, der an Attraktivität verloren hat. Auch die Entwicklung von Mitbewerbern zeigt an, dass der Markt strukturell kaum mehr Wachstum bietet. Dazu kommt, dass die Umsatzentwicklung von Aryzta unter vermehrtem Insourcing leidet: Bisherige Kunden in Europa holen die Produktion teils oder ganz zu sich zurück. Grundsätzlich sollte der Backwarenhersteller – mit guter Führung – jährlich solide Cashflows generieren.
Eine andere Unsicherheit betrifft die Kapitalerhöhung. Die Marktstimmung hat sich im Vergleich zum letzten Jahr getrübt und kann sich bis Herbst weiter verschlechtern. Ein Unternehmenssprecher sagt, die Transaktion werde sich anspruchsvoll gestalten: «Die neuen Aktien werden uns nicht aus den Händen gerissen.»
Allgemeines Umdenken
Die ersten Kursreaktionen auf die Ankündigung sind immerhin ermutigend: Nach Handelseröffnung verloren die Aktien zwar nochmals bis gegen 8%, danach haben sie aber Boden gutgemacht. Es ist auch schwer vorstellbar, dass die als Joint Global Coordinators wirkenden Banken BofA Merrill Lynch, UBS (UBSG 15.435 -1.09%), Credit Suisse (CSGN 15.08 -1.05%) und JP Morgan nicht genügend Interessenten für die neuen Titel finden können.
Selbst wenn Unsicherheiten bleiben, ist die Zeit für eine Neueinschätzung von Aryzta gekommen. Insofern die Kapitalerhöhung für ein allgemeines Umdenken der Führung steht – zum Beispiel auch in Richtung einer offeneren Kommunikation – wird sich für Investoren eine Gelegenheit zum Einsteigen bieten. Vorsichtige warten bis zur Kapitalerhöhung, bevor sie aktiv werden. Eine Alternative zu den Aktien bieten die Hybridanleihen von Aryzta: Sie haben auf die angekündigte Bilanzsanierungsmassnahme bereits mit schönen Kursgewinnen reagiert.
Die komplette Historie zu Aryzta finden Sie hier. »
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.