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09:00 Uhr - 04.01.2017

«Die Verhaltensökonomie wird stärker integriert»

Olivier Blanchard Der vormalige Chefökonom des IWF erläutert neue Trends in Lehre und Forschung.

Professor Blanchard, Ihr Lehrbuch «Makroökonomie» ist in der siebten Auflage erschienen. Wo haben Sie noch einmal Hand angelegt?
Die wichtigste Änderung betrifft die Zinsen. Um zu erklären, wie die Wirtschaft funktioniert, genügte früher ein Beispielzins. Nun haben wir zwei unterschiedliche Zinsen eingeführt, selbst bei so grundsätzlichen gesamtwirtschaftlichen Erklärungsansätzen wie dem IS-LM-Modell. Der erste Zins wird von der Zentralbank festgelegt, der sogenannte politische Zins. Der zweite ist der Satz, zu dem Personen und Unternehmen Geld leihen können, der Kreditzins. Die Beziehung zwischen diesen beiden Zinsen hängt von Lage und Zustand des Finanzsystems ab.

zählt zu den einflussreichsten «Neukeynesianern». Er lehrte an den Universitäten Harvard und MIT, war von 2008 bis 2015 Chefökonom des IWF und wirkt heute im Thinktank PIIE in Washington. Bild: Axel Griesch

Auf welche Gebiete sollte sich die Forschung fokussieren?
Ich konzentriere mich weiter auf das Feld, in dem ich tätig bin, die Makroökonomie. Die Entwicklung der Forschung seit der Finanzkrise ist beeindruckend. Es gibt viel mehr Arbeiten über das Finanzsystem, die Verhaltensökonomie wird stärker integriert. Es werden Wege gefunden, grosse Datensets zu erforschen. Es gibt eine viel grössere Bereitschaft, traditionelle Überzeugungen zu hinterfragen. Noch mehr ist erforderlich, und es wird auch noch viel mehr kommen. Da bin ich mir sicher.

Wie lässt sich die Prognosequalität verbessern? Das Umfeld wird immer komplexer.
Prognostizieren war immer schon äusserst schwierig. Daran hat sich nichts geändert. Der Aktienmarkt ist dafür das Extrembeispiel: Wenn die Märkte wirklich funktionieren, lassen sich ihre Kurse nicht vorhersagen. Das Wirtschaftswachstum lässt sich zwar etwas besser prognostizieren, aber noch immer nicht so, wie wir uns das wünschen. Neue ökonometrische Techniken, beispielsweise nicht-lineare Modelle, und neue Datensets wie Big Data ermöglichen hier Fortschritte. Aber setzen Sie Ihre Hoffnungen nicht zu hoch an.

Soll die Ökonomie künftig weniger mathematiklastig werden?
Ich habe häufig festgestellt, dass ein Argument, das in Worten formuliert voll überzeugte, sich als falsch herausstellte, sobald ich gezwungen war, es in Gleichungen zu fassen. Mathematik ist der Kern. Wie sollen wir sonst Ökonometrie betreiben oder Modelle bauen?

Aber kann es auch zu viel Mathematik geben?
Ja. Einige Forscher sind zu sehr von der mathematischen Analyse besessen und vernachlässigen das eigentliche wirtschaftliche Thema. Aber daran sind diese Forscher Schuld, nicht die Mathematik.

Die Ökonomie erfindet sich neu«Warum haben Sie die Krise nicht kommen sehen?», fragte die britische Königin Elizabeth bekannte Ökonomen im Jahr 2008. Vor allem die Makroökonomie sieht sich seither scharfer Kritik ausgesetzt, sowohl aus dem eigenen Lager als auch von aussen. Sie übersehe das Wesentliche. Stimmt das?
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