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06:55 Uhr - 12.07.2022

Dufry-CEO: «Ich erwarte nicht, dass alles gut geht»

Xavier Rossinyol, Chef des Reisedetailhändlers, hat mit Autogrill viel vor. Deren Angebot an Raststätten will er behalten und Dufrys Prioritäten neu ordnen.

Dufry (DUFN 32.54 +1.81%) biegt auf die Zielgerade ein. Der Basler Reisedetailhändler, der an Flughäfen weltweit Duty-free-Shops betreibt, hat sich mit dem italienischen Gastronomiekonzern Autogrill auf einen Zusammenschluss geeinigt. Entstehen soll ein Riese von fast 14 Mrd. Umsatz und 60’000 Mitarbeitern in über 75 Ländern. Xavier Rossinyol, seit Juni CEO von Dufry, erläutert im Interview die Beweggründe für den Schulterschluss und sagt, warum die Verhandlungen zäh waren.

Herr Rossinyol, Sie sind seit eineinhalb Monaten CEO von Dufry und verantworten schon eine der grössten Transaktionen der Unternehmensgeschichte. Sind Sie nervös?
Nervös ist das falsche Wort, ich bin aufgeregt.

Sie kommen von Gategroup. Deren Übernahme durch HNA hat gezeigt, dass nicht jede Übernahme von Erfolg gekrönt ist.

 Ich bin eigentlich ein sehr optimistischer Typ. Aber ich war bei Gategroup fast acht Jahre lang als CEO tätig. Ich erwarte nicht, dass alles gut geht. Im Gegenteil, ich stelle mich stets darauf ein, dass nicht alles gut geht. Bei Gategroup haben wir zu meiner Zeit einige Übernahmen gemacht und alle haben gut funktioniert.

Für Gategroup selbst wird ein Börsengang zum Thema, sobald sie wieder profitabel ist. Von der Grösse her könnte Dufry das Unternehmen kaufen. Eine gute Idee?
Nein. Gategroup wird kein Ziel werden, sie passt nicht in unsere Strategie. Sie fokussiert auf die Verpflegung an Bord, Schlüsselelement unserer Strategie sind Querverkäufe zwischen den verschiedenen Angeboten auf dem Weg zum Flugzeug.

«Verhandlungen sind immer zäh, vor allem, wenn es Gewinner und Verlierer gibt.»

Grosse Übernahmeziele werden weniger. Ist die Zeit transformativer Deals vorbei?
Ich mache mir keine Gedanken über weitere Übernahmen. Erst gilt es, diese zu vollziehen. Sind wir damit durch, müssen wir Synergien generieren und uns vollständig von der Coronakrise erholen. Wir haben also genug zu tun. Zudem muss ich betonen: Wir kombinieren heute zwei Unternehmen, das ist keine Übernahme.

Ich widerspreche. Am Ende schluckt Dufry Autogrill, bezahlt aber mit Aktien. Und das günstig. Dufry bezahlt pro Aktie 7,5% weniger als der Autogrill-Schlusskurs vom Freitag. Da wurde sicher zäh verhandelt.
Verhandlungen sind immer zäh, vor allem, wenn es Gewinner und Verlierer gibt. Die Parteien sind sich bewusst, dass sie für den langfristigen Wert des gemeinsamen Unternehmens beide kurzfristig Opfer bringen müssen. Und vergessen wir nicht: Die Benetton-Familie, die ihre Mehrheit an Autogrill (AUL 6.21 -0.29%) in Dufry einbringt, verpflichtet sich als Grossaktionär von Dufry langfristig. Darüber bin ich sehr glücklich.

Welche Opfer bringt Dufry?
Die Integration bringt viel Arbeit – auch weil wir substanzielle Kostensynergien freisetzen müssen. Wir haben für die Vorbereitung der Integration etwas mehr als sechs Monate Zeit, da das Closing nicht vor Anfang nächsten Jahres sein wird.

Wie gut kennen Sie die Benettons?
Ich habe Alessandro Benetton getroffen. Er ist jung und hat grosse Visionen für die Diversifikation des Familienportfolios.

Was bringt Benetton Dufry?
Mit der Familie als strategischen Aktionär behalten wir das gute Setup, ein öffentliches Unternehmen mit einem langfristig agierenden Kernaktionariat zu sein. Und die drei Verwaltungsräte, die von Autogrill kommen, stärken uns bei der Umsetzung der neuen Strategie.

Was ist an Ihrer Strategie neu?
Sie basiert auf drei Pfeilern. Erstens stellen wir den Konsumenten ins Zentrum. Dass wir Essen und Getränke zu unserem bestehenden Angebot nehmen, ist dabei zentral für die stärkere Anbindung. Zweitens expandieren wir geografisch mit Fokus auf die USA. Dieser Markt ist sehr stabil und resilient, das haben wir während Corona gesehen. Dazu kommt Asien-Pazifik. Da zu wachsen, ist kein unmittelbares Ziel, wird aber mittelfristig Teil unserer Strategie sein. Drittens wollen wir eine neue Kultur schaffen, was die Verbesserung des operativen Geschäfts angeht. Wichtiger als Sparmassnahmen ist der Fokus auf höhere Effizienz. Diese drei Prioritäten sollen zu mehr Aktionärswert durch höheren Cashflow führen und das Risiko dank der Diversifikation des Umsatzes senken.

«Eine neue Strategie heisst ja nicht, dass alles neu ist. Aber ich setze Prioritäten.»

Der Konsument im Zentrum, das soll neu sein?
Das hätte tatsächlich schon unser Ziel sein sollen, war es aber nicht. Bisher haben wir Kunden, Lieferanten und die Flughäfen als gleichwertig betrachtet. Das ändere ich. Der Konsument kommt zuerst, und als Konsequenz dessen, was er will, gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den anderen Stakeholdern. Wir werden mehr Geld darauf verwenden, mehr Personal daran binden und das Thema im oberen Management stärker gewichten.

Auch der Fokus auf die USA ist nicht neu.
Das stimmt. Eine neue Strategie heisst ja auch nicht, dass alles neu ist. Aber ich setze Prioritäten. Vorher waren diese überall, jetzt liegen sie auf den USA und der Region Asien-Pazifik

Gab es den Plan, nur das US-Geschäft zu übernehmen?
Nein, den gab es nicht. Es ging immer um die Kombination des Ganzen.

Weil Sie nicht wollten oder Autogrill nicht?
Wir haben verschiedene Optionen geprüft. Beide Parteien waren der Meinung, dass diese Kombination einfacher zu bewerkstelligen ist und die Bedürfnisse viel besser befriedigt als jede Alternative.

Mit Autogrill kauft sich Dufry auch ins Raststättengeschäft ein. Diesbezüglich gibt es einige skeptische Stimmen.
Am kombinierten Unternehmen macht dieser Bereich nach den 2019er-Zahlen nur 9% aus. 81% vom Umsatz kommt von Flughäfen, 10% von anderen Geschäften. Autobahnen sind in Europa als Reiseachsen aber wichtig, daher macht das Geschäft für uns Sinn. Viel Wachstum sehe ich für den Bereich allerdings nicht.

Ist ein Verkauf der Sparte möglich?
Nein, das Geschäft steht nicht zum Verkauf.

Sämtliche Geschäftsfelder von Autogrill werden fortgeführt? Nichts abgetrennt?
Genau.

«Wir sollten versuchen, den Umsatzkuchen für uns und für die Flughäfen zu vergrössern, statt uns zu streiten, wer das grössere Kuchenstück bekommt.»

Rund 85 Mio. Fr. Kostensynergien soll die Fusion jährlich bringen. Das ist wenig.
Ich halte das für substanziell. Die Schätzung ist vor allem realistisch. Noch unklar ist, wie viel Wachstum wir mit Querverkäufen generieren werden.

Profitieren Sie kostenseitig von tieferen Mieten und Minimalgarantien? Immerhin erhöht sich die Preissetzungsmacht gegenüber den Flughäfen.
Nein. Die Flughäfen sollen vielmehr davon profitieren, dass wir kombiniert mehr Umsatz generieren können. Ich sehe die Zusammenarbeit mit den Flughäfen so, dass wir versuchen sollten, den Umsatzkuchen für uns und für sie zu vergrössern, statt uns zu streiten, wer das grössere Kuchenstück bekommt.

Heisst das, Sie sind zufrieden, wenn die künftige Dufry dieselben Mieten bezahlt wie Autogrill und Dufry heute separat?
Ja.

Warum?
80% der Passagiere kaufen in unseren Shops nichts. Das ist die Schlacht, die wir kämpfen müssen. Dafür braucht es eine gute Zusammenarbeit.

Autogrills Profitabilität lag in den Jahren vor der Pandemie deutlich über Dufrys. Wird die Profitabilität nun besser?
Wir müssen daran arbeiten, unsere Eigenkapitalrendite zu verbessern. Dafür fokussieren wir auf den freien Cashflow. Und das langfristig. Es geht darum, das Geschäft über die nächsten fünf, zehn Jahre zu verbessern. Der Aktionärswert soll durch die Transaktion steigen. Wir wollen nicht ein grösseres Unternehmen schaffen, nur um grösser zu sein.

Sie haben es eingangs erwähnt, Dufry steckt noch in der Erholungsphase. Im Juni lag der Umsatz allerdings nur 13% unter 2019. Das ist nicht schlecht.
Das ist grossartig.

Schreibt Dufry 2022 einen Gewinn?
Die Erholung ist stark, sowohl was Umsatz als auch Gewinn angeht. Die Nachfrage ist gross, die Konsummuster verbessern sich, alles sieht gut aus. Aber ich bin vorsichtig. Lieber werde ich positiv überrascht.

Aber die Erholung übertrifft Ihre Erwartungen?
Ja, das tut sie.

Kurzer Blick nach vorn: Wo wollen Sie Dufry in fünf Jahren haben?
Ich will eine Dufry-Welt mit Läden und Betrieben, für die Passagiere zusätzliche Zeit am Flughafen einplanen. Bei der alle Angebote integriert sind. Und ich will ein ambitioniertes Team vom Shopmitarbeiter bis zum obersten Kader. Dafür müssen wir für die Kunden mehr sein als ein Unternehmen, das nur Geld machen will.

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