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07:19 Uhr - 06.02.2017

DKSH: Auf nach Osten, junger Mann!

Mit der Fusion erfinden Diethelm Keller und SiberHegner das Geschäftsmodell des Handelshauses neu. Auf den Spuren von DKSH.

«Go east, young man!», ist im 19. Jahrhundert ein gängiger Ratschlag in London. Das Empire hat in den beiden Opiumkriegen die Öffnung Chinas für den Handel erzwungen und in Hongkong einen Vorposten eingerichtet. Der asiatische Markt lockt mit unbegrenzten Möglichkeiten.

FuW-Serie Die Geschichte«Finanz und Wirtschaft» stellt Schweizer Unternehmen und ihre Geschichte vor.

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Auch in der Schweiz folgen einige junge Männer dem Ruf, vorab aus der armen nordöstlichen Landesregion. So begeben sich nach 1860 drei Schweizer in ihren frühen Zwanzigern per Segelschiff auf eine Reise ins Ungewisse – und legen die Basis für den heutigen DKSH-Konzern, den führenden auf Asien ausgerichteten Dienstleister für Marktexpansion.

Vom Thurgau nach Asien

zoomEnde 1862 verlässt Caspar Brennwald seine Heimat im Gefolge einer offiziellen Schweizer Handelsdelegation mit Zielort Yokohama in Japan. Zurück in Europa findet er einen Partner in Hermann Siber, dessen Vater im Seidengeschäft tätig ist. 1865 gründen sie eine Handelsgesellschaft in Yokohama, den Vorläufer von SiberHegner – drei Jahre vor Beginn der Meji-Ära, in der sich Japan vom rückständigen Feudalstaat in eine moderne imperiale Grossmacht wandeln sollte.

Nahezu zur gleichen Zeit segelt der Thurgauer Eduard Anton Keller im Alter von zwanzig Jahren nach Osten, wo er sich im Juli 1868 von der Handelsgesellschaft C.Lutz & Co. in Manila anstellen lässt. Wilhelm Heinrich Diethelm, auch aus dem Thurgau, zieht es 1871 nach Singapur zum niederländischen Handelshaus Hooglandt. Sie brauchen einige Jahre, um sich hochzuarbeiten.

Dann übernehmen sie ihre vormaligen Arbeitgeber und benennen sie um: 1887 entstehen die Diethelm & Co. und die Ed. A. Keller & Co. Die Unternehmen entwickeln sich gut. Zur Jahrhundertwende lernen sich ihre Gründer kennen. Bald heiratet ein Sohn Kellers eine Tochter von Diethelm. Anfang 1900 sind die Handelsgesellschaften kapitalmässig und über gegenseitige Einsitznahme im Verwaltungsrat verbunden – an eine engere Zusammenarbeit denken die Firmengründer noch nicht.

Unterdessen ist auch SiberHegner gediehen. In Hongkong, wo es um 1900 achtzehn Handelshäuser mit Schweizer Beteiligung gibt, ist das Unternehmen gut vertreten. In Japan hält es eine dominierende Position. Anders als die Gesellschaften Diethelms und Kellers, die primär Güter von Europa nach Asien bringen, ist SiberHegner auch im Handel mit Rohstoffen von Asien nach Europa tätig.

Anfang der 1920er-Jahre werden gut 40% des japanischen Seidenhandels über SiberHegner abgewickelt, ein Dankesschreiben des Kaisers zeugt davon. Dann folgt die Katastrophe: Im September 1923 trifft das Kanto-Erdbeben Japan schwer. Es fordert über 140 000 Todesopfer. SiberHegners Gebäude in Yokohama wird zerstört.

Die einsetzende Depression bedroht die Wiederaufnahme des Betriebs. Die Besitzerfamilie des Handelshauses Keller hilft mit einem Darlehen, SiberHegner wandelt sich in eine Aktiengesellschaft. So kommt Willy M. Keller 1932 als Verwaltungsrat an Bord. Eine traumatische Erfahrung ist für die Handelshäuser der Zweite Weltkrieg.

Mit dem Vormarsch Japans im asiatisch-pazifischen Raum bricht die Verbindung zwischen ihren Nervenzentren in Zürich und den Angestellten, Kunden und Märkten in Fernost ab. Da sich die Geschäftsbücher nicht mehr führen lassen, beruft die Ed. A. Keller & Co. fünf Jahre lang keine Generalversammlung ein.

Der Handel ist gelähmt; die imperiale Armee Japans konfisziert, was sie gebrauchen kann. Rohstoffe sind derart knapp, dass das Militär sogar Rohrleitungen vom Heizungssystem in SiberHegners Büros in Yokohama requiriert. Im Jahr 1944 ist der Umsatz der Gruppe auf einen Drittel des Vorkriegsniveaus gesunken.

Eine Macht in Thailand

Nach dem Weltkrieg erholt sich das Geschäft in Asien rasch. Das Handelshaus Diethelm profitiert auch von einer Reihe weitsichtiger Manager, die ihm eine besonders kräftige Expansion bescheren. Es erarbeitet sich starke Stellungen in Südostasien, besonders in Thailand, wo es sich ab 1932 mit dem Titel eines königlichen Hoflieferanten schmücken darf. In den Fünfzigerjahren rüstet das Unternehmen die Taxiflotte von Bangkok mit Autos der britischen Marke Austin aus.

zoomzoom1957 übernimmt Diethelm im Land die Vertretung der Swissair: Der erste Flug von Zürich über Bangkok nach Tokio, ein Meilenstein der Schweizer Luftfahrtgeschichte, wird von Diethelm arrangiert. Das unterstreicht die Macht des Handelshauses in Thailand. So erklärt sich, warum der thailändische Markt noch heute bei Diethelms Rechtsnachfolger DKSH (DKSH 74 0.89%) einen Drittel zum Umsatz und noch mehr zum Gewinn beiträgt.

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sind fette Jahre für die Handelshäuser. Doch Mitte der Achtzigerjahre ist der Höhepunkt erreicht. Dann geht es bergab. Die Handelsgesellschaften sind behäbig geworden. Mit dem Aufkommen von Fax und Flugverbindungen verlieren sie ihren Informationsvorsprung.

SiberHegner leidet darunter, dass der Uhrenhersteller SMH, die heutige Swatch Group (UHR 347.5 -1.89%), 1992 den für sie wichtigsten Vertrag kündigt: den Vertrieb von Luxusuhren der Marke Omega in Japan, für SiberHegner lange Zeit das profitabelste Einzelgeschäft. Der Tiefpunkt für die Handelshäuser ist mit der Asienkrise erreicht, die im März 1997 in Thailand beginnt, sich über Korea, Malaysia und Indonesien ausweitet und auch Japans Krise verstärkt.

Es ist Zeit, neue Wege zu gehen: Nachdem die familiäre Bande zwischen den Handelsdynastien Diethelm und Keller schon ein Jahrhundert besteht, beschliessen die Nachkommen der Firmengründer aus vierter Generation die endgültige Fusion. Im Juni 2000 wird die Diethelm Keller Holding gegründet. VR-Präsident wird Andreas Keller, der Enkel jenes Sohnes und jener Tochter der Firmengründer, die kurz nach 1900 geheiratet hatten.

Fusionsplan auf Serviette

Die Person Jörg WolleDer Umkehrschluss.
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Inzwischen hat die ebenfalls kriselnde SiberHegner Anfang 2000 einen neuen CEO erhalten: Jörg Wolle. Er ist verbündet mit dem Bankier Ernst Müller-Möhl, nach einer Geldspritze der starke Mann in Verwaltungsrat und Aktionariat des Handelshauses. Kurz darauf stürzt der Gründer der A&A Actienbank mit seinem Kleinflugzeug am Gotthard ab.

In der anstehenden Finanzierungsrunde gelingt es aber, fünf der sechs bisherigen Konsortiumsbanken an Bord zu halten. Für 2001 verkündet SiberHegner unter Wolle bereits einen Rekordgewinn. Die Leistung weckt das Interesse von Andreas Keller, der für seine Gruppe einen neuen CEO sucht.

Doch Wolle will SiberHegner, an der er beteiligt ist, nicht verlassen. So legen die zwei im November 2001 in Kellers Chalet in St. Moritz die Grundzüge eines Zusammenschlusses fest – auf einer Serviette. Am 19. Juni 2002 fusionieren Diethelm Keller Services Asia und SiberHegner zu DKSH – das konventionelle Handelshaus ist Geschichte.

Es entsteht ein umfassender Dienstleister, der anderen Unternehmen, westlichen wie asiatischen, bei der Expansion in den Boommärkten Asiens hilft. Sechs Jahre später wird die Marke DKSH global eingeführt. Der Börsengang folgt am 20. März 2012 – exakt ein Jahr später erreicht der Aktienkurs sein Höchst.

Dann tauchen Wolken über Thailand, wo die politische Krise ab Oktober 2013 und ein Militärputsch auf der Wirtschaft lasten. Mitte Oktober 2016 stirbt der beliebte thailändische König Bhumibol Adulyadej. Es ist ein entscheidendes Ereignis für das Land – und eine weitere Bewährungsprobe für DKSH, deren Geschichte vor mehr als 150 Jahren begann.

Die komplette Historie zu DKSH finden Sie hier. »

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