Der Hörgerätehersteller kauft den Kopfhörerspezialisten Sennheiser. Der Preis ist niedriger als ein Jahresumsatz.
Sonova (SOON 271.70 +1.42%) übernimmt die deutsche Kopfhöreranbieterin Sennheiser. Mit einem Preis von 200 Mio. € handelt es sich um die grösste Akquisition des Hörgeräteunternehmens seit dem Kauf von Audionova 2016. Die Börse begrüsste den Schritt.
Das 1945 gegründete Noch-Familienunternehmen Sennheiser erwirtschaftet mit sechshundert Beschäftigten etwa 250 Mio. € Einnahmen. Sonova kann die Übernahme locker finanzieren. Im Halbjahresbericht per Ende September nannte sie eine Liquidität von 1,4 Mrd. €. Der freie Cashflow im ersten Semester belief sich auf 240 Mio. €.
Sonova bezahlt nur 0,8-mal Umsatz. Selbst ist sie mit einem Verhältnis von 6 des Unternehmenswerts eingestuft. Wie steht es also um die Profitabilität von Sennheiser? An einer Telefonkonferenz gaben Sonova-CEO Arnd Kaldowski sowie die beiden Co-CEO Andreas und Daniel Sennheiser nur ausweichend Auskunft. Kaldowski räumte ein, dass die Profitmargen unmittelbar verwässert würden.
An die Limite gekommen
Immerhin, bereits im ersten Jahr rechnet Sonova mit einem positiven Beitrag zum Gewinn je Aktie, vor Sonderkosten. Diese bewegten sich im üblichen Rahmen, sagte der CEO, ohne eine spezifische Zahl zu nennen. Die Transaktion soll in der zweiten Hälfte des Kalenderjahrs abgeschlossen sein.
Der mutmasslich tiefe Preis hat auch damit zu tun, dass Sennheiser in den vergangenen Jahren gemäss den Familienvertretern weniger rasch als der Markt gewachsen ist. 2020 sei der Umsatz mit einer einstelligen Prozentrate geschrumpft. Warum die Anlehnung an ein grösseres Unternehmen? «Wir haben limitierte Ressourcen für Investitionen», sagte Andreas Sennheiser.
Überlappungen gebe es kaum, die beiden Produktpaletten ergänzten sich ideal, betonten beide Seiten. Für Sonova bedeutet der Schritt eine Ausweitung des Angebots. Sennheiser ist wie Sonova im oberen Qualitätssegment positioniert. Die Kunden seien wenig preissensitiv. Das deutsche Unternehmen erwirtschaftet fast zwei Drittel des Umsatzes mit hochwertigen Kleinkopfhörern. Hinzu kommen audiophile Kopfhörer, Soundbars und erweiterte Hörlösungen für Leute mit mildem Hörverlust.
Der Unterschied zur dänischen Konkurrenz
Arnd Kaldowski geht davon aus, dass sich im Verbund mit Sennheiser zusätzliches Wachstum erzeugen lässt. Zudem kann Sonova Know-how abzapfen, wenn es um die Steigerung der Audioqualität von Hörgeräten geht.
Hörlösungen für den Arbeitsplatz gedenkt Sonova mit Sennheiser vorerst nicht anzubieten. In diesem Bereich sind die beiden dänischen Konkurrenten GN Store Brand und Demant prominent vertreten. Besonders der Audiobereich von GN Store Brand hat seit Ausbruch der Coronapandemie stark vom Trend zum Home Office profitiert.
Aktuelle Angaben zum abgelaufenen Geschäftsjahr (per Ende März) wollte der Sonova-CEO zehn Tage vor der anberaumten Publikation der Zahlen nicht liefern. Gemäss letzter Prognose rechnet das Unternehmen mit einem Rückgang des Umsatzes von 6 bis 8% in Lokalwährung und einem unveränderten Betriebsgewinn auf Stufe Ebita. Das käme einer Margensteigerung gleich. Der starke Franken, sagt Sonova voraus, könnte die Einnahmen 5% und den Ebita 10% verkleinern.
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Im ersten Semester 2020/21 war der Umsatz ein Viertel gesunken, der Ebita mehr als ein Drittel. Im April schrumpfte das Geschäft 65%. Danach hat sich die Nachfrage nach Hörgeräten rascher als erwartet erholt.
Wie viele andere Medizintechniktitel notieren Sonova so hoch wie noch nie. Seit Anfang Jahr haben sie 18% gewonnen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 31 für 2020/21 liegt über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre – aber nicht so hoch, dass sich ein Einstieg in einer längerfristigen Perspektive nicht mehr lohnen würde.
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