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17:45 Uhr - 19.02.2015

Anleger sollten sich zu Wort melden

Die Vernehmlassung zur Aktienrechtsrevision läuft. Aktionäre tun gut daran, sich zu äussern. Denn nicht alle Punkte des Vorentwurfs sind zu begrüssen.

Der Vorentwurf zur grossen Aktienrechtsrevision vom 28. November 2014 enthält wichtige Bestandteile früherer Gesetzentwürfe sowie der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV), die im Hinblick auf die Umsetzung der Minder-Initiative verabschiedet wurde. Für Investoren zeichnen sich zahlreiche Verbesserungen und mehr Rechte ab. Doch nicht alles ist aus Sicht der Aktionärsdemokratie zu begrüssen.

GovernanceGrundsätze der guten und verantwortungsvollen Unternehmensführung, subsumiert unter dem Begriff Corporate Governance, betreffen jeden Aktionär. «Finanz und Wirtschaft» publiziert regelmässig Artikel zu Corporate Governance in Schweizer Unternehmen, erstellt von Gregor Greber, Gründer und VR-Präsident von Veraison und VR-Mitglied von Inrate. Die Meinung des Autors muss nicht mit derjenigen der Redaktion übereinstimmen. Es finden sich fast 150 Artikel, die neu verfasst oder geändert werden sollen. Insbesondere die Senkung der Hürden für Publikumsgesellschaften für eine Traktandierung an der Generalversammlung ist sehr positiv zu werten. Sie beträgt neu 0,25% des Aktienkapitals, bisher mussten Aktionäre Valoren im Nennwert von mindestens 1 Mio. Fr. vertreten. Für die Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung wären künftig 3% statt bisher 10% nötig. Allerdings können Gesellschaften bisher in ihren Statuten abweichende Bestimmungen festlegen.

Ausserdem wird das Vergütungsrecht verschärft. Die Nachvollziehbarkeit und die Berechenbarkeit würden damit erhöht. Während das absolute Verbot von prospektiven Boniabstimmungen (Budgetabstimmungen) wohl zu weit geht, wären die Festsetzung eines maximalen Verhältnisses von fester zu variabler Vergütung sowie das Verbot von überlangen Konkurrenzklauseln sinnvoll. Dadurch würde die Planungssicherheit der Unternehmen nicht unnötig eingeschränkt.

Sonderdividende in Sicht

zoomEin Aktionär möchte das Management auf Basis eines ausgewogenen, langfristig orientierten Entschädigungsmodells am Erfolg teilhaben lassen. Klassische Aktienbeteiligungspläne könnten auch unter den vorgesehenen Regelungen problemlos umgesetzt werden. Antrittsprämien oder Ersatzleistungen infolge Managementwechsel wären erlaubt, müssten aber als Kompensation eines «nachweisbaren finanziellen Nachteils» deklariert werden.

Positiv ist der Vorschlag, dass engagierte Aktionäre, die an Generalversammlungen abstimmen, mit einer Sonderdividende von zusätzlichen 20% entschädigt werden sollen. Sie würde eine direkte Konkurrenz zur Wertschriftenleihgebühr darstellen, denn in beiden Fällen erhält der Aktionär eine zusätzliche Vergütung.

Mit einer Sonderdividende würde sich die Bedeutung von Vinkulierungen und Eintragungsbeschränkungen deutlich erhöhen: Wenn ein Investor zwar 10% des Kapital hält, aber nur 5% der Stimmrechte aufgrund einer Beschränkung wahrnehmen kann, fällt die Dividendenberechtigung geringer aus. Solche Beschränkungen der Stimmrechtswahrnehmung finden sich leider bei nahezu 40% der in der Schweiz kotierten Gesellschaften.

Der Verwaltungsrat würde indes zum Wärter über die Sonderdividende. Eine willkürliche Eintragung gewisser Aktionäre über einen festgelegten Schwellenwert hinaus wäre kritisch zu sehen.

Das vereinfachte Zulassungsverfahren für Aktionärsklagen ist löblich. Aber auch hier muss der Aktionär 3% des Aktienkapitals oder der Stimmen vorweisen. Zudem kann der Aktionär die Zulassung zur Klage auf Kosten der Gesellschaft beantragen.

Die Generalversammlung kann den Verwaltungsrat ermächtigen, ein flexibles Kapitalband als Ersatz für das genehmigte Kapital einzusetzen. Dadurch kann das Aktienkapital binnen fünf Jahren um 50% erhöht oder reduziert werden. Ausserdem sieht der Vorentwurf vor, Unternehmen die Ausgabe von unbeschränktem Partizipationskapital zu erlauben. Beide Ideen vergrössern zwar den Handlungsspielraum, widersprechen jedoch dem Willen der Aktionäre, dem Verwaltungsrat keinen Blankocheck für Kapitalerhöhungen oder Aktienrückkäufe mehr zu gewähren.

Juristen und bekannte Aktienrechtler führen ins Feld, dass der Vorentwurf zum Aktienrecht zu stark von gesellschaftlichen Anliegen und der Politik beeinflusst wurde. Sie bemängeln, es biete wenig Dispositionsfreiheit. Der Grundsatz «wer zahlt, befiehlt» sollte anerkannt werden (Daniel Däniker, Homburger), wie auch der Umstand, «dass der Aktionär mündig ist und selbst entscheiden kann, wo er Aktien erwerben will» (Prof. Karl Hofstetter) – und somit weiss, wo er investiert.

Dies deckt sich mit dem Demokratieverständnis von Veraison. Nicht verständlich ist jedoch, warum dann ein Aktionär in den Gesellschaftsstatuten für unmündig oder ohne Befehlsgewalt erklärt werden kann. Gerade der Fall Sika (SIK 3285 0.52%) hat die Notwendigkeit einer Stärkung von Aktionärsdemokratie und -mitspracherechten deutlich aufgezeigt.

Die Kritiker der Aktionärsdemokratie sollten erkennen, dass nicht das Aktienrecht von der Politik missbraucht wird, sondern dass eine Vielzahl von Vinkulierungen, Stimmrechtsaktien oder Opting-out-Klauseln die volle Partizipation verunmöglicht. Aktionäre brauchen keine Scheinrechte, sondern den Gleichlauf von Kapital und Stimmrecht. Das Prinzip «One Share, One Vote» («Eine Aktie, eine Stimme»), also der Gleichlauf von Kapital und Stimmrecht, hätte es der Schenker-Winkler Holding verunmöglicht, einen Kontrollwechsel beim Baustoffhersteller Sika ohne Einbezug der Publikumsaktionäre durchzuziehen. Der Verwaltungsrat müsste kein millionenschweres Verteidigungsmanöver veranstalten. Auch müsste er die Statuten nicht neu interpretieren und die im Aktienbuch eingetragenen Grossaktionäre in die Zwangsjacke einer Gruppenklausel stecken. Gewinner sind die Manager, Anwälte, Banker, Stimmrechtsberater oder Kommunikationsexperten, bezahlt aus der Substanz des Unternehmens, die den Aktionären gehört.

Mündige Investoren

Viele gut gemeinte Ideen zur Stärkung der Aktionärsrechte sind Makulatur, wenn das Fundament nicht gegeben ist. Der  Kapitalmarkt würde von der Einführung des Prinzips «One Share, One Vote» als Basis für eine funktionierende Aktionärsdemokratie profitieren. Die Mündigkeit der Aktionäre würde in einer Basisdemokratie endlich offiziell anerkannt. Auf der anderen Seite können viele Änderungen im Vorentwurf des Aktienrechts – weil obsolet – gestrichen werden. Engagierte Aktionäre tun gut daran, sich zu äussern. Die Vernehmlassung zur Revision des Aktienrechts dauert noch bis 15. März.

Das künftige Aktienrecht wird höchstwahrscheinlich erst in rund fünf Jahren in Kraft treten. Er wird jedoch wohl für eine lange Zeit Bestand haben. Der nächste Fall Sika muss verhindert werden.

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