Defensive Qualität gewinnt als Anlageargument an Bedeutung. Das Umfeld birgt aber viele Herausforderungen.
Nach einem schwierigen ersten Halbjahr 2018 haben sich die Aktien der Konsumgüterhersteller in der zweiten Jahreshälfte mehrheitlich gefangen. Über zwölf Monate betrachtet schnitten die europäischen Vertreter der Körperpflege- und Reinigungsmittelproduzenten besser ab als die jeweiligen Landesindizes. Ein gemischtes Bild zeigte sich in den USA. Das Umfeld bleibt insgesamt anspruchsvoll.
Um von einer Renaissance der Branche zu sprechen – erwartet wird für 2019 ein weltweites Marktwachstum von 4 bis 5% –, ist es zu früh. Defensive Qualitäten sind aber in schwachen Börsenzeiten gefragt. Investoren suchen Werte von Unternehmen, die solide Cashflows erwirtschaften und sie in neue Produkte und attraktive Dividendenzahlungen stecken. Anbietern wie L’Oréal oder Procter & Gamble könnte das zugute kommen. Entscheidend wird sein, wie es ihnen gelingt, die veränderten Einkaufsgewohnheiten der Konsumenten sowie die Agilität kleiner Mitbewerber zu kontern. Innovation und Reaktionsfähigkeit, wenn es ums Erkennen von Trends geht, gelten als probate Mittel, um Marktpositionen und Margen zu verteidigen.
Luxus zieht
Gefragt sind besonders teure Pflegeprodukte. Dagegen leiden Erzeugnisse für den Massenmarkt. Sie werden von günstigen No-Name-Artikeln herausgefordert, deren Anbieter oft zu Rabattaktionen greifen, um Marktanteile zu gewinnen. Eine Strategie, die Markenhersteller ablehnen, weil sie die Margenverwässerung fürchten. Die unterschiedliche Entwicklung der Sparten von L’Oréal zeigt beispielhaft, wie die Nachfrage auseinanderdriftet. L’Oréal Luxe setzte bis Ende September organisch 8,8% mehr um als im Vorjahr, während die günstigen Consumer Products 2,4% und die Produkte für Profis nur 1,6% zulegten.
Geringere Zuwachsraten mit Pflegeprodukten verzeichneten die im mittleren Preissegment operierenden Henkel (HEN3 95.56 -0.35%) und Beiersdorf (BEI 88.32 -2.39%), die beide den Umsatz vor allem dank ihrer Klebstoffaktivitäten erhöhten. Denn auch Henkels Geschäft mit Wasch- und Reinigungsmitteln lief nicht optimal. Rabattschlachten namentlich in den USA schmälerten die Entwicklung.
Von grösseren Portfolioveränderungen geprägt waren Reckitt Benckiser (RB. 6190 0.65%) und Unilever. Reckitt musste das Säuglingsnahrungsgeschäft von Mead Johnson integrieren, was noch Zeit benötigt und viel Goodwill in die Bilanz brachte, dessen Werthaltigkeit noch zu beweisen ist.
Unilever trennte sich von Brotaufstrichen und erwarb dagegen unter anderem kurz vor Jahresende den Getränkehersteller Horlicks. Das soll dem unter geringer Nachfrage leidenden Nahrungsmittelsegment auf die Sprünge helfen. Besser stehen Reinigungsmittel (Home Care) und Körperpflege (Personal Care) da. Letzterer könnte Auftrieb erfahren, leitete der neue CEO Alan Jope doch seit 2014 diese Sparte. Weitere Zukäufe in dem ertragsstärksten Unilever-Geschäft sind unter Paul Polmans Nachfolger wahrscheinlich.
Ergänzungsakquisitionen sind auch Bestandteil der L’Oréal-Strategie. Jüngste Beispiele, die Trends geschickt aufnehmen, sind Stylenanda aus Korea (Boommarkt) und Logocos aus Deutschland (Naturkosmetik). Mit Zukäufen hat der französische Konzern, an dem Nestlé (NESN 83.06 -0.36%) 23% hält, mehrfach guten Spürsinn bewiesen.
Das interne Wachstum versucht L’Oréal durch Innovation zu stärken. Der Branchenleader unterhält dazu ein breites Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk. Im Dezember gründete er zudem einen Fonds, mit dem er über Minderheitsbeteiligungen an Start-up-Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten erschliessen will.
China und e-Commerce
Die Konsumfreude in China wird auch im laufenden Jahr ein Treiber des Beauty-Geschäfts sein. Die kaufkräftige Mittelschicht wächst, mit e-Commerce vertraute Millennials stossen dazu. Gemäss Bloomberg wird bereits ein Drittel aller Einkäufe im Bereich Schönheitspflege online erledigt. Der Ausbau des Kanals für Marketing und Vertrieb steht entsprechend oben auf der Traktandenliste der Kosmetikhersteller.
Davon dürften die in Asien stärker engagierten europäischen Mitbewerber, die dort ein Viertel des Umsatzes und mehr erarbeiten, eher profitieren als die Konkurrenz aus den USA. Von den US-Anbietern erzielt keiner mehr als 18% in Asien.
Das hohe Nordamerika-Exposure spiegelt sich in der verhaltenen Aktienentwicklung im vergangenen Jahr. Johnson & Johnson wurden gegen Ende Jahr zusätzlich belastet, weil das Unternehmen mit eventuell krebserregendem Babypuder in Verbindung gebracht wurde. Die Ankündigung eines Aktienrückkaufs über 5 Mrd. $ beruhigte die Anleger nicht. Colgate-Palmolive (CL 61.61 -0.79%) enttäuschte mehr als einmal mit nicht erfüllten Umsatzerwartungen.
Besser machte es zuletzt Procter & Gamble. Sie haben von den US-Wettbewerbern die besten Karten. Unter den Anbietern aus Europa kommt diese Rolle L’Oréal aus Frankreich zu.
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