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07:22 Uhr - 06.06.2017

United Internet stürmt mit Drillisch vor

Die Fusion mit dem kleineren Rivalen soll den Telco-Konzern stärken. Doch längst ist nicht alles beschlossen. Die Aktionäre haben das letzte Wort.

Wer Ralph Dommermuth begegnet, glaubt kaum, dass dieser gross gewachsene, ruhige Mann das Zeug hat, den deutschen Telco-Markt auf den Kopf zu stellen. Doch genau das hat der resolute Selfmade-Milliardär und Gründer von United Internet (UTDI 49.55 0.38%) schon begonnen – und weiter vor. Anfang Mai hat er angekündigt, den Rivalen Drillisch in einer komplexen Konstruktion zu übernehmen. So schafft er auf dem Telekommunikationsmarkt im Nachbarland eine neue, starke Nummer vier hinter der Deutschen Telekom, Vodafone (VOD 230.35 0.26%) und Telefónica (TEF 9.977 -0.38%) Deutschland. Die Rivalen begrüssen teils das geplante Geschäft sogar: Denn auch sie würden profitieren. In trockenen Tüchern allerdings ist die Übernahme noch nicht. Die Aktionäre von Drillisch haben ein gewichtiges Wort mitzureden.

Vor 29 Jahren gründete Dommermuth die 1 & 1 EDV Marketing, der Vorläufer des heutigen Unternehmens. Damals vertrieb er im Auftrag der Deutschen Telekom Online-Dienste. Durch Zukäufe stieg United Internet nach eigenen Angaben zum «führenden Internetspezialisten in Europa» auf. Zum Konzern gehört das Speichern von Webseiten, das Hosting, ebenso wie Internetzugänge, mobil wie über Festnetz, die Internetwerbung sowie Web-Dienste wie das Mailportal gmx.ch. Auch Drillisch wurde in den Achtzigern gegründet. 2007 beteiligte sich United Internet mit 9,7% an dem Mobilfunkdiscounter.

Eine starke Nummer vier

Den deutschen Mobilfunkmarkt teilen sich Deutsche Telekom (DTE 17.38 0.58%), Vodafone und Telefónica Deutschland. Die drei Grossen vermieten ihre Mobilfunkleitungen teils an Wiederverkäufer. Drillisch und United Internet zählen zu solchen MVNO (Mobile Virtual Network Operator), auch Mobilfunkdiscounter genannt, da diese Gesellschaften häufig preisaggressiv auftreten. Was die Mobilfunkdienstleistungen angeht, würden United Internet und Drillisch zu Freenet (FNTN 30.515 -4.04%) aufschliessen, die an der hiesigen Sunrise (SRCG 81.2 -0.37%) beteiligt ist. Vor wenigen Jahren gab es noch Dutzende solcher Mobilfunkdiscounter in Deutschland.

 

Die Konsolidierung hat Konsequenzen: «Ich sehe ganz klar keine weiter sinkenden Preise», sagt United-Internet-CEO Dommermuth nun. Insbesondere Drillisch hat mit Marken wie DeutschandSIM, simply, Discoplus, FastSIM oder Yourfone in der Vergangenheit den Preiswettbewerb bei den Nachbarn angeheizt. Der Grund: Die Übernahme von E-Plus durch Telefónica vor vier Jahren wurde nur genehmigt, nachdem die Spanier Mobilfunkdiscounter Drillisch Netzkapazitäten garantiert hatten. Drillisch kann 20% des Mobilfunknetzes von Telefónica direkt nutzen, ab 2020 noch einmal bis zu weitere 10%. Allerdings musste das auch ausgelastet werden – und um Kunden zu locken, drehte Drillisch kräftig an der Preisschraube.

«Drillisch und wir operieren in einer Preisregion, die schon sehr günstig ist», sagt Dommermuth – fügt aber hinzu, dass es «nicht zwingend» höhere Preise geben müsse. Aktien der Konkurrenz profitieren von dem geplanten Zusammenschluss und der Aussicht auf ein Ende des Preiskampfes. Papiere der Deutschen Telekom und von Freenet liegen seit Anfang Mai 6% im Plus, Vodafone 15%, Telefónica Deutschland behaupten sich.

Der Grund, wieso Telefónica sich vergleichsweise so schlecht schlägt: United Internet nutzt schon jetzt das Netz der Tochter des spanischen Telekommunikationskonzerns. Nach der Fusion mit Drillisch kann United Internet diese Kunden migrieren – und zum günstigeren Drillisch-Preis auf dem Telefónica-Netz belassen. So bleibt das Dilemma von Telefónica Deutschland unter der Marke O2 bestehen: Das Unternehmen wird nicht als Premiummarke wahrgenommen wie die Telekom oder Vodafone, aber fährt auch nicht auf der Billigschiene wie United Internet, Drillisch oder Freenet.

Komplexe Konstruktion

Doch noch ist die Fusion nicht beschlossen – und sie ist komplex: United Internet hält bereits 20% an Drillisch. Das Unternehmen will die eigene Mobilfunksparte 1 & 1 in zwei Etappen in Drillisch einbringen und soll dafür im Gegenzug Drillisch-Aktien aus zwei Kapitalerhöhungen erhalten. Dabei muss die zweite Kapitalmassnahme noch von der Generalversammlung am 25. Juli genehmigt werden. Klappt alles nach Plan, würde United Internet dann 72,7% der Valoren von Drillisch besitzen. Drillisch soll weiter kotiert bleiben.

Stimmen nicht mindestens drei Viertel der Drillisch-Aktionäre der Kapitalerhöhung zu, platzt das Geschäft. Das United-Internet-Management bietet Drillisch-Aktionären aktuell 50 € je Anteilsschein. Kein gutes Geschäft: Drillisch-Aktien kosten über die Börse aktuell knapp 56 €. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass sich Drillisch-Eigner mit aktivistischen Investoren zusammentun, um das United-Internet-Vorhaben zu torpedieren – oder mehr rauszuholen. Während die Vorteile für United Internet klar überwiegen, rechnen Analysten Drillisch auch alleine gute Chancen am Markt aus. Die Analysten der HSBC (HSBA 681.8 0.5%) prognostizieren einen Abschlag von 7 € je United-Internet-Papier, sollte das Plazet der Drillisch-Aktionäre ausbleiben.

Damit würden United-Internet-Aktien auf ein Niveau vor dem angekündigten Geschäft zurückfallen. Umgekehrt gibt es Potenzial, sollte alles so kommen, wie von Stratege Dommermuth gewünscht. Wer sich in der komplexen Gemengelage positionieren will, dürfte am besten mit Drillisch fahren. Das Abwärtspotenzial für die Valoren des Mobilfunkdiscounters wäre auch ohne United Internet begrenzt.

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