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13:40 Uhr - 31.07.2015

Schweizer Ökonomen erwarten steigende Zinsen

Die monatlich von FuW befragten Bankökonomen sehen die Ankaufpolitik der Europäischen Zentralbank als Taktgeber für die Entwicklung der Rendite zehnjähriger eidgenössischer Staatsanleihen.

Am kurzen Ende der Zinskurve unverändert tief bzw. negativ und am langen Ende meist etwas höher – so lauten die Zinserwartungen der monatlich von FuW befragten Ökonomen von UBS (UBSG 22.19 -0.14%), Credit Suisse (CSGN 28.75 0.74%) (CS), Zürcher Kantonalbank (ZKB), Bank Julius Bär (BAER 53.7 0.28%), Raiffeisen Schweiz und St. Galler Kantonalbank (SGKN 362.5 0.62%). Der Prognosetrend aus dem Vormonat setzt sich damit fort. Wenn die Beendigung des Anleihenkaufprogramms der Europäischen Zentralbank (EZB) näher rückt – frühestens Ende 2016 –, dürfte sich dies auch auf die Schweizer Zinsen auswirken, so der Tenor.

Die US-Notenbank (Fed) hat am Mittwoch zwar nochmals auf eine verbesserte wirtschaftliche Entwicklung vor allem am Arbeits- und am Immobilienmarkt hingewiesen. Darüber hinaus blieb sie aber bei ihren bisherigen Aussagen. Das Warten auf die Leitzinswende in den USA geht also bis zur nächsten Fed-Sitzung Mitte September weiter.

Zinsprognosen der Banken für die Schweizzoom

Generell höheres Niveau

CS-Zinsstratege Karsten Linowsky lässt die kurzen Zinsen unverändert, erwartet aber leicht höhere Sätze für zehnjährige Anleihen der Eidgenossenschaft. Grund für den erwarteten moderaten Anstieg am langen Ende sei zum einen, «dass wir generell von einem höheren Zinsniveau ausgehen, also auch in den USA oder in Deutschland».

Ausserdem erwartet er, «dass sich der Franken in den nächsten zwölf Monaten etwas abschwächt, vor allem gegenüber dem Dollar». Weniger Aufwertungsdruck bedeute weniger Bedarf an Devisenmarktinterventionen der Schweizerischen Nationalbank (SNB (SNBN 1114 0.09%)), was wiederum zu leicht höheren Zinsen führen könne.

Starke Gegenströmungen

Die Zinsmärkte stehen unter dem Einfluss starker Gegenströmungen, weist UBS-Stratege Philipp Schöttler hin. Die Zinsen seien zuletzt unter anderem durch die Schuldenkrise in Griechenland, den Einbruch chinesischer Aktien und sinkende Rohstoffpreise gedrückt worden. Andererseits seien die Konjunkturaussichten in den meisten Regionen recht positiv, was einen Zinsanstieg begünstige.

Trotz der aktuellen Volatilität belässt er seine Zinsprognosen weitgehend unverändert. Am langen Ende der Schweizer Zinskurve hat UBS jedoch die «Eidgenossen»-Renditen auf Sicht von drei und zwölf Monaten um jeweils 30 Basispunkte (Bp) angehoben.

Transparent und gemässigt

Der UBS-Vertreter rechnet in den meisten Regionen noch immer mit einem leichten Renditeanstieg, da sich die Konjunktur in den USA und Europa erholt und sich die Zinsen im Zuge dessen normalisieren dürften. Die US-Notenbank werde die Leitzinsen wohl gegen Jahresende anheben, dies aber «transparent und gemässigt» tun, um die Märkte nicht zu schockieren, meint Schöttler.

Im Prognoseszenario von Bank Julius Bär ergibt sich so gut wie kein Änderungsbedarf. Wie andere auch zeigt sich Chefökonom Janwillem Acket überrascht von dem starken Anstieg des Kof-Konjunkturbarometers im Juli. Diese Bewegung des wichtigsten Schweizer Frühindikators, der jetzt wieder seinen langjährigen Durchschnitt erreicht habe, könnte darauf hindeuten, dass die Rezession im Inland vielleicht schon im vierten Quartal 2015 zu Ende gehe.

Eingeklemmt

David Marmet, Leiter Volkswirtschaft der ZKB, hegt am kurzen Ende auf Sicht von zwölf Monaten die Erwartung, dass auch beim Schweizer Libor «erste Anzeichen einer Steigerung» sichtbar werden, ohne dass das von der SNB gesetzte Zielband bereits verlassen wird. Schliesslich dürfte sich dann, im Frühherbst 2016, auch das Auslaufen der quantitativen Lockerung der Europäischen Zentralbank (EZB) ankündigen.

Während die langfristigen US-Zinsen konjunkturbedingt steigen dürften, könnten die Renditen in der Eurozone nochmals zurückkommen. Denn das Wachstum in der Eurozone dürfte sich nach einem guten zweiten Halbjahr 2015 im kommenden Jahr wieder verlangsamen, weil dann bisherige Stimuli wie billiges Öl und wachsende Kreditvergabe ihre Wirkung verlieren könnten. Die Schweizer Zinsen sieht Marmet eingeklemmt zwischen den Renditen der US-Treasuries und denen der deutschen Bundesanleihen. Am langen Ende hat er die Schätzung leicht nach oben angepasst.

Leichter Aufwärtsdruck

Der Aufwärtstrend bei den Kapitalmarktrenditen, der im April eingesetzt hatte, ist zum Stillstand gekommen. Denn die US-Zinserhöhung im September ist noch keine sichere Sache, und der Ölpreis dämpft die Inflationserwartungen, wie Roland Kläger, Senior Economist von Raiffeisen Schweiz, sagt. Die Tendenz zu steigenden Zinsen dürfte aber in den kommenden Monaten wieder einsetzen.

Die Konjunkturdaten in den USA und in Europa seien weiterhin solid und könnten auch leichten Aufwärtsdruck auf die Schweizer Langfristzinsen erzeugen. Und die US-Zinserhöhung, auch wenn sie erst im Dezember kommt, sollte diesen Trend ebenfalls unterstützen. Kläger hat die Renditeerwartung für zehnjährige «Eidgenossen» auf Sicht von zwölf Monaten denn auch um 10 Bp auf 0,6% angehoben.

Von der Eurozone getrieben

Die Negativzinsen der SNB und die wirtschaftliche Schwäche halten die Zinsen in der Schweiz tief, stellt Thomas Stucki, Chefökonom und Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, fest. Die Flucht in die Sicherheit aufgrund der Probleme in Griechenland und China sei dabei von temporärer Natur.

«Die Schweizer Zinsen werden weiterhin durch die Zinsen in der Eurozone getrieben», stellt Stucki fest. Höhere Zinsen in den USA und eine sich fortsetzende Wirtschaftserholung in der Eurozone würden mit der Zeit, im nächsten Jahr, eine Diskussion über das Auslaufen des EZB-Anleihenkaufprogramms aufkommen lassen. Die Folge seien steigende Zinsen in der Eurozone und dadurch in abgeschwächter Form auch in der Schweiz.

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