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14:09 Uhr - 18.11.2015

Bank Bär warnt vor Minenfeld Emerging Markets

Für 2016 sieht die Bank Julius Bär nur moderates Aufwärtspotenzial an den Börsen, obwohl sie Aktien nicht für überbewertet hält. Besorgt blickt sie auf die Schwellenländer und schliesst eine globale Erschütterung nicht aus.

Es ist ein nüchternes Bild, das die Bank Julius Bär (BAER 46.56 -0.04%) in ihrem Anlageausblick für das kommende Jahr zeichnet, nüchterner als der Konsens, wie die Bank selbst sagt. Der Rückenwind fallender Erdölpreise fällt weg. Der Aufschwung der US-Wirtschaft kommt ins siebte Jahr und hat seinen Höhepunkt hinter sich. Der deflationäre Druck hält an und spiegelt sich in höheren Realzinsen, weshalb die expansive Geldpolitik der Notenbanken der Konjunktur zu wenig Unterstützung bieten kann.

Ansteckungsgefahr

Positiv führt Chefökonom Janwillem Acket ins Gewicht: Die erst drei Jahre alte Erholung der Eurozone bietet weiteres Wachstumspotenzial, und China wird sich zwar mit niedrigeren Wachstumsraten bescheiden müssen, aber konjunkturell nicht abstürzen. Die Schweiz werde die durch den Frankenschock verursachte zyklische Delle überwinden. «Der Winter wird für die Schweizer Industrie nochmals hart. Aber im zweiten Halbjahr hellt sich die Lage auf», sagt Acket.

Einerseits seien währungsbedingt die Exportchancen im Dollarraum weiterhin gut, und andererseits spiele der Schweiz die enge Verflechtung mit dem europäischen Binnenmarkt in die Hand. «Ein Prozent mehr Wachstum in Europa wirkt auf die Schweizer Wirtschaft sechsmal stärker als ein um ein Prozent steigender Franken zum Euro», rechnet Acket am Mediengespräch am Mittwoch vor. Die Überbewertung des Frankens zum Euro bleibe allerdings bestehen – ebenso wie die Überbewertung des Dollars nicht nur gegenüber der Gemeinschaftswährung, sondern auch zum Franken.

Das grösste Risiko für die Finanzmärkte im neuen Jahr geht für die Bank Bär von den Schwellenländern aus. Acket verweist auf Brasilien und die Türkei – immerhin Länder der G-20 – und deren strukturelle, aber auch finanziellen Probleme. Während generell der Schuldendienst der Schwellenländer am verfügbaren Einkommen wächst, sei die Situation in Ländern wie Brasilien und der Türkei – beide sind von Inflation und hohen Zinsen geprägt –, aber auch in Ungarn und Indonesien, besonders prekär. Ihre Tilgungsfähigkeit sei bei anhaltender globaler Wachstumsschwäche gefährdet, so dass sich Ähnliches ereignen könnte wie in der Asienkrise Ende der Neunzigerjahre: Turbulenzen an den Märkten aus einer Ecke, die nicht unmittelbar im Fokus der Finanzwelt stehen.

Nominal negativ kann real positiv sein

Wie anlegen in diesem Umfeld? Nötig dazu ist erst einmal eine Standortbestimmung: Wo befinden sich die Märkte aktuell, herrscht Überschwang oder Panik? «Weder noch», erklärt Christian Gattiker, Chefstratege und Leiter Research. Er verweist auf den Sotheby’s-Indikator, eine nicht sehr gebräuchliche, für Gattiker aber wertvolle, weil empirisch bewährte Messlatte. Der Kunstmarkt nimmt eine Rezession viel früher vorweg als der Aktienmarkt. Der Vorlauf beträgt bis zu zwei Jahre, während es bei der Börse nur wenige Monate sind. Der Aktienkurs von Sotheby’s – als Spiegelbild des Kunstmarktes – zeigt keinerlei Ermüdungsanzeichen, also auch keinen Wirtschaftseinbruch (vgl. Grafik).

Aktie von Sotheby's gegenüber US-Aktienmarkt und US-Rezessionen

Das ist die beruhigende Nachricht: Die Weltwirtschaft, wenn auch unter Potenzial, ist bei fortlaufend niedrigen Zinsen weiter im Wachsen begriffen, 2016 in den USA um 2,3% (i.V. 2,5), in der Eurozone um 1,7% (1,5), in China um 5,7 (6,9), in der Schweiz um 1,1% (0,9). Das spricht für Aktien, wobei Gattiker mit Blick auf die Währungsrisiken und die breite globale Diversifikation von Schweizer Unternehmen dafür plädiert, grundsätzlich am Heimmarkt zu investieren. Arrondieren würde er das Aktienportfolio im Ausland mit Sektoren, die in der Schweiz nicht oder nur schwach vertreten sind, so an der US-Technologiebörse Nasdaq. «Software treibt die moderne Welt», gibt Gattiker hierfür das Stichwort.

Am Schweizer Obligationenmarkt dürfte Anlegern nicht entgangen sein, dass inzwischen selbst Anleihen mit Negativzins platziert werden. Was auf den ersten Eindruck aus Anlegersicht verrückt scheint, hält Gattiker nicht für abwegig, als Absicherung gegen Turbulenzen, «vor einem deflationären Hintergrund viel besser als Gold». Aktien würden temporär bei Gegenwind an Wert verlieren, nicht aber erstklassige Anleihen, dank realer Verzinsung selbst bei nominal negativer Rendite. An Schweizer Staatsanleihen würde er deshalb festhalten.

Generationenchance

Was die Börsen angeht, seien Kurssteigerungen – in der Schweiz im einstelligen Prozentbereich – realistisch. Generell erweise sich in der «alten Welt» der Binnenkonsum als starke Säule. Und: «Schwellenländeranlagen könnte im neuen Jahr ein historischer Moment bevorstehen», hält Gattiker fest, «eine Generationenchance». Aber erst, wenn die globalen Investoren in den Emerging Markets vollends kapituliert hätten, auf einem tieferen, aber attraktiven Einstiegsniveau.

 

 

Die komplette Historie zu Julius Bär finden Sie hier. »

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