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21:00 Uhr - 06.04.2015

Corporate America fällt in ein Formtief

Der Ölpreiszerfall und der harte Dollar setzen US-Konzernen zu. Für das erste Quartal werden die schlechtesten Zahlen seit der Finanzkrise erwartet.

zoomWallstreet hatte in den vergangenen Jahren guten Grund zu feiern. Amerikanische Aktien haben sich seit dem Tief vom März 2009 fast verdreifacht und Valoren aus allen anderen Industrienationen überflügelt. Dieses Jahr ist an den Börsen in New York jedoch Sand im Getriebe. Während sich Investoren an den Börsen von London, Frankfurt und Paris über prächtige Avancen freuen, verzeichnet der US-Leitindex S&P 500 grosse Kursschwankungen und hält sich nur mit Mühe im Plus . Besonders schwach fällt die Performance in den Sektoren Versorger, Energie und Finanzen aus. Nur Titel aus den Bereichen Gesundheit und zyklischer Konsum konnten bislang einigermassen ansprechend abschneiden.

Angst vor steigenden ZinsenDas Ende des Stimulusprogramm QE3 macht sich an der US-Börse bemerkbar. Derweil geht die Hausse an den europäischen Märkten dank tiefer Zinsen weiter. Lesen Sie hier mehr.Wenn ab kommender Woche die ersten amerikanischen Unternehmen die Abschlüsse zum ersten Quartal präsentieren, müssen sich Investoren auf noch mehr Turbulenzen gefasst machen. Entsprechend angespannt sind die Nerven: Aus US-Aktien fliesst Geld ab, und der S&P 500 hat in den vergangenen zwei Wochen rund 2% an Terrain verloren. «Wie schon im Vorfeld der Berichtssaison vom Oktober und vom Januar erleben wir momentan eine weitere Schwächephase», konstatiert Brian Reynolds, Marktstratege des Brokers Rosenblatt Securities.

zoomAnalysten schätzen, dass die fünfhundert grössten Konzerne Amerikas im ersten Quartal verglichen mit der Vorjahresperiode einen Gewinnrückgang von 4,6% erlitten haben. Gemäss dem Datendienst FactSet wäre das der grösste Rückschlag seit dem Ende der Rezession im dritten Quartal 2009. Das sind keine erbaulichen Perspektiven, auch wenn Analysten die Messlatte in der Regel extra tief ansetzen, um die Chancen für «positive Überraschungen» zu erhöhen. Durchwachsen sieht es ebenfalls beim Umsatz aus, wo durchschnittlich eine Abnahme von annähernd 3% erwartet wird.

Banken unter Beweisdruck

Den Anfang macht am Mittwoch traditionsgemäss der Aluriese Alcoa (AA 13.14 1.08%). Richtig los geht es dann in der Woche danach, wenn Branchenleader wie Intel (INTC 30.81 0%), Google (GOOGL 541.31 -1.49%), Johnson & Johnson (JNJ 99.64 0.49%) und General Electric (GE 24.94 0.4%) die Quartalszahlen präsentieren. Zudem warten Finanzkolosse wie J. P. Morgan Chase, Bank of America (BAC 15.54 0.84%), Citigroup (C 51.86 0.46%) und Goldman Sachs (GS 191.55 -0.35%) früh mit den Abschlüssen auf. Nachdem es zuletzt im Investment Banking enttäuschend lief, ist der Beweisdruck für die wichtigste Berichtsperiode des Jahres nun umso grösser.

«Wir sehen eine Belebung im Trading, denn die geopolitischen Vorgänge eröffnen Opportunitäten», sagte Lloyd Blankfein, Chef von Goldman Sachs, im Februar. Einen grösseren Einfluss auf die Ergebnisse als sonst dürfte der Devisenhandel haben. Das, weil der Aufwertungsschock des Frankens und die Abwertung des Euros für hohe Volumen gesorgt haben. Weniger Mut machen jedoch die Zahlen von Jefferies. Das Investmenthaus, das sein Quartal jeweils einen Monat vorher abschliesst und als Indikator für die Branche gilt, berichtete Mitte März, dass der Handel mit festverzinslichen Wertschriften nahezu 60% eingebrochen war.

Rote Zahlen im Energiesektor

Zwei Kernthemen werden die Berichtssaison prägen: Erstens hinterlässt der Crash am Ölmarkt tiefe Spuren im Energiesektor. Der Durchschnittspreis für ein Fass der Referenzsorte WTI betrug im ersten Quartal weniger als 50 $ – im Vergleichszeitraum war er doppelt so hoch. Analysten haben die Prognosen in den letzten Wochen deshalb stark nach unten korrigiert. Für Marktführer ExxonMobil erwarten sie gemäss dem Datenportal S&P Capital IQ nurmehr 79 Cent Gewinn pro Aktie, nachdem es Anfang Januar 1.33 $ waren. Noch schlechter erging es unabhängigen Förderern wie Marathon Oil, Murphy Oil oder Hess, die alle tiefrote Zahlen melden werden.

Doch selbst wenn man den Energiesektor ausklammert, ist das Gesamtbild nicht erfreulich. Das hat viel mit dem festen Dollar zu tun, dem zweiten Schlüsselthema. Seit Anfang 2014 hat er sich zu den wichtigsten Währungen über 20% aufgewertet. Dadurch schrumpft der Umsatz von US-Konzernen im Ausland, wenn sie ihn in die Heimwährung umrechnen. Zudem schwächt der harte Dollar die Wettbewerbsfähigkeit und die Margen im Export. Betroffen ist speziell der IT-Sektor, wo im Schnitt 60% der Einnahmen aus dem internationalen Geschäft kommen.

Dollar belastet IT-Branche

«Wir sind uns alle bewusst, dass die globalen Rahmenbedingungen und die Bewegungen am Devisenmarkt eine Herausforderung für US-Unternehmen waren», sagte Meg Whitman, Chefin von Hewlett-Packard (HPQ 31.4 0.35%), Ende Februar. «Die Wechselkursveränderungen haben die kompetitive Preislandschaft erschüttert und die Nachfrage der Kunden beeinflusst», klagte sie bei der Präsentation der Quartalszahlen.

zoom«Die Story sieht für die Unternehmensgewinne einfach nicht gut aus. Der Dollar belastet die Ergebnisse, und die schwächere Konjunktur ist ein zusätzliches Problem», meint Marktstratege Jim Bianco von Bianco Research. Ökonomen erwarten, dass sich das Wachstum der US-Wirtschaft im ersten Quartal auf rund 2% verlangsamt hat. Das mag ein weiterer Grund dafür sein, weshalb so viele Unternehmen mit dem Ausblick vorsichtig sind. Gemäss FactSet haben nur sechzehn Konzerne aus dem S&P 500 die Prognose für das erste Quartal angehoben. Absolut betrachtet ist das die geringste Zahl seit Beginn der Datenreihe Anfang 2006. Gewinnwarnungen hingegen machen 84% der Prognoseänderungen aus, was weit über dem historischen Schnitt liegt.

Das Formtief kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Die ultralockere Geldpolitik hat amerikanischen Aktien seit dem Ende der Finanzkrise kräftig Auftrieb gegeben. Fundamentaldaten spielten eine untergeordnete Rolle. Das wird sich ändern, wenn das Federal Reserve später im Jahr mit der Normalisierung der Zinsen beginnt. Hinzu kommt, dass US-Valoren teuer sind. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für den S&P 500 beträgt auf Basis der Schätzungen für die nächsten zwölf Monate fast 17 und bewegt sich damit klar über dem Mittel der letzten zehn Jahre. «US-Aktien sind satt bewertet», meinte Larry Kantor, Researchchef der Bank Barclays (BARC 254.3 2.05%), kürzlich an einem Anlass in New York. «Es würde mich daher nicht überraschen, wenn es zu einer Korrektur kommt», fügte er hinzu.

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