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17:06 Uhr - 30.03.2015

Deutschland boomt, die Schweiz kämpft

Der deutsch-schweizerische Aussenhandel blieb 2014 stabil. Der Frankenschock wird im laufenden Jahr aber sichtbare Spuren hinterlassen.

Die Nachwehen der Frankenaufwertung werden immer sichtbarer: Der Aussenhandel zwischen der Schweiz und Deutschland ist auffallend schlecht ins Jahr gestartet. Die Exporte in das nördliche Nachbarland gingen im Januar und Februar um rund 5% zurück, die Importe sogar um über 13%. Dies geht aus den am Montag von der Handelskammer Deutschland-Schweiz publizierten Zahlen hervor. Gemäss Gottlieb Keller, seit November Präsident der Förderorganisation, ist selten ein solch «dramatischer Rückgang in der Wirtschaftsgeschichte beider Länder» feststellbar gewesen.

Die Erklärungen für den Rückgang der Handelsaktivität sind nicht eindeutig. Einerseits spielen nach der Frankenaufwertung Mitte Januar Preiseffekte eine wichtige Rolle, aber nicht ausschliesslich. Weniger Exporte bedeuten auch weniger Vorleistungen und damit wiederum weniger Importe. Die Vertreter der Handelskammer räumen ein, dass ein so markanter Rückzug der Importe noch nicht abschliessend erklärbar ist. Fest steht, die rückläufigen Handelszahlen zeugen von einem gewissen Schockeffekt und latenter Unsicherheit in Bezug auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung.

Abhängig von Deutschland

Für die Schweiz ist Deutschland der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Zwar hat sich die Abhängigkeit in den vergangenen Jahren leicht verringert: 2008 gingen noch rund 20% der Exporte nach Deutschland, 2014 waren es 18,5%. Eine gewisse Verschiebung der Exportaktivität ist in den vergangenen Jahren in die USA (12,4%-Exportanteil) und in die aufstrebenden Märkte Asiens feststellbar. Aber die Kernmärkte für Schweizer Exporteure befinden sich im alten Europa. Der EU-Markt, spezifisch der deutsche, ist für die Schweizer Volkswirtschaft von herausragender Bedeutung. Für Deutschland steht die Schweiz lediglich an neunter Stelle auf  der Rangliste der wichtigsten Handelspartner (2013: Platz acht).

Das deutsch-schweizerische Aussenhandelsvolumen blieb im vergangenen Jahr mit 89,9 (im Vorjahr 89,3) Mrd. Fr. in etwa stabil. Es liegt aber noch deutlich hinter dem Höchstwert von 106,6 Mrd. Fr. aus dem Jahr 2008 zurück. Auf das Gesamtjahr gerechnet wurden rund 3% mehr Güter nach Deutschland exportiert, entsprechend einem Gesamtwert von 38,6 Mrd. Fr. Die Importe aus Deutschland gingen um rund 1% auf 51,3 Mrd. Fr. zurück.

Der Schweizer Export wird von der deutschen Nachfrage nach Gütern aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie sowie nach Maschinen, Apparaten und Elektronik getragen. Diese Warengruppe macht rund 56% der gesamten Schweizer Exporte aus.

Kampf gegen die Frankenstärke

Anders als für die Schweiz stehen «für Deutschland die Wechselkursvorzeichen viel besser» sagt Keller. In der Tat, in einer durch die Handelskammer durchgeführten Umfrage gibt über die Hälfte der Schweizer Mitglieder an, durch die Frankenaufwertung stark oder sehr stark in ihrer Wettbewerbsfähigkeit betroffen zu sein. Über 40% gehen davon aus, die Exporte nach Deutschland im kommenden Jahr zu reduzieren.

Um die Auswirkungen des starken Frankens abzufangen, werden die meisten befragten Unternehmen kostenseitig ansetzen: Rund 60% wollen den Arbeitseinsatz effizienter gestalten, 41% Personalkosten senken, ein Viertel Personal reduzieren und 9% auf Kurzarbeit zurückgreifen.

Auch das Beschaffungswesen soll einen Kostensenkungsbeitrag leisten. Beinahe die Hälfte der Unternehmen gibt an, den Einkauf vermehrt im EU-Raum (48%) oder Deutschland (35%) abwickeln zu wollen. Ein Fünftel will die Produktion ins Ausland auslagern. Trotzdem hält Gottlieb Keller fest, dass vorerst «keine Abwanderung von Schweizer Unternehmen nach Deutschland feststellbar» ist.

Licht und Schatten

«Deutschland boomt», meint der Präsident der Handelskammer. Die Erholung im EU-Raum nehme Fahrt auf, und die Aussichten für die deutsche Wirtschaft seien deshalb durchaus positiv. Für die Schweiz gilt dies leider nicht, obschon die Schweizer Wirtschaft u.a. mit einem Exportanteil von über 50% eine ähnliche Morphologie aufweist wie die deutsche.

Schweizer Exporteure werden in den kommenden Monaten vornehmlich damit beschäftigt sein, ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit durch Effizienzsteigerung und Innovation wieder herzustellen. Womöglich könnte «die zunehmende Dollarstärke dem Franken etwas Druck nehmen», sagt Keller.

Bis dahin bleibt den Schweizer Exporteuren nichts anderes übrig, als sich die deutsche Nachfrage zurückzuerobern. Am Handel mit Deutschland führt für die Schweiz kein Weg vorbei.

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