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13:25 Uhr - 08.06.2015

Sturmerprobter Manager

Euphorisch reagierten die Anleger am Montag auf die Ernennung von John Cryan zum CEO bei der Deutschen Bank. Die Titel des grössten deutschen Finanzinstituts gewannen über 6%.

Mit John Cryan kommt ein sturmerprobter Manager mit ausgezeichnetem Ruf an die Spitze der Deutschen Bank. Der Brite wurde im September 2008 Finanzchef der UBS (UBSG 20.22 -0.2%), als sie mitten in der Finanzkrise Staatshilfe und Support der Nationalbank beanspruchen, toxische Papiere loswerden und Kosten sparen musste. Und gleichzeitig darum kämpfte, dass das Unternehmen nicht implodierte. Einen «Mehrfrontenkrieg», wie ihn die Deutsche mit ihren tausend Rechtsfällen und Restrukturierungsbaustellen führen muss, ist er sich also gewohnt. Cryan gilt als effizienter Fachmann, der nach eigenen Worten bei der Deutschen Bank unter anderem die «Komplexität reduzieren» – das heisst Kosten senken – will.

Very british 

Der 55-jährige Finanzspezialist hat in Cambridge studiert und wirkt mit seiner stets korrekten, zurückhaltenden Art «very british». Cryans Vergangenheit liegt im Investment Banking. Er war im Corporate-Finance-Geschäft und in der Kundenberatung von UBS und SG Warburg (heute UBS). Der Sprung vom Berater bzw. Finanzchef zum CEO ist keine Selbstverständlichkeit.

Vom Verwaltungsrat zum CEO

Nach seinem überraschenden Rücktritt von UBS im Jahr 2011 blieb Cryan der Finanzbranche treu. Gute Beziehungen hat er zu Asien: Er war von 2012 bis 2014 Präsident Europa von Temasek, dem Staatsfonds Singapurs und Grossaktionär der UBS. 2013 wurde er in den Aufsichtsrat (Verwaltungsrat) der Deutschen Bank gewählt, wo er die Funktion des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses einnahm. Er ist zudem Mitglied des Risikoausschusses. Mit Amtsantritt als Co-Vorstandsvorsitzender wird er sein VR-Mandat niederlegen müssen.

Ein Wechsel vom Verwaltungsrat an die Spitze der Konzernleitung ist nicht unproblematisch. Die «Wirtschaftswoche» berichtete, Cryan habe sich in den Sitzungen des Kontrollgremiums mit dem nun abtretenden Anshu Jain oft Debatten auf allerhöchstem Niveau geliefert und sich so zu einer Art Spezialaufpasser für den CEO entwickelt.

Achleitner unter Druck 

Inwiefern der CEO-Wechsel zu einer Strategieanpassung führen wird, bleibt offen. Die Deutsche Bank (DBK 29 5.2%) hat sich eben erst eine neue Strategie verpasst, die unter anderem den Verkauf der Postbank und weiterer Beteiligungen umfasst. Im Abbau von nicht strategischen Beteiligungen und unerwünschten Assets hat Cryan aus seinen UBS-Zeiten ebenso Erfahrung wie mit Programmen zur Kostenreduktion. Eines scheint klar: Wenn Cryan am 1. Juli übernimmt, wird er sich nicht hundert Tage Zeit lassen, um aktiv zu werden.

Paul Achleitner, der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, bezeichnete Cryan als den richtigen Mann zum richtigen Zeitpunkt. Achleitner steht selbst unter Druck und will mit einem neuen CEO wohl auch seinen Kopf retten. Eine weitere strategische Anpassung scheint er vorerst auszuschliessen. Achleitner erklärte gemäss Medienmitteilung, Cryan stehe persönlich und beruflich für die Werte, die nötig sind, um die Deutsche Bank voranzubringen und die Strategie 2020 erfolgreich umzusetzen.

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