Tiefere Unternehmenssteuern sollten die Investitionen ankurbeln. Doch oft nehmen dadurch auch die Übernahmeaktivität und die Verschuldung zu, warnt der IWF.
Die Umsetzung der US-Steuerreform verzögert sich. Es sei unrealistisch, dass die Vorlage vor August im Kongress beschlossen werde, sagte US-Finanzminister Steven Mnuchin diese Woche im Interview mit der «Financial Times».
Der Steuer- und Deregulierungsagenda der neuen US-Regierung widmet auch der Internationale Währungsfonds (IWF) im neuen Finanzstabilitätsbericht ein Kapitel. Die Experten gehen der Frage nach, wie sich ein solcher Stimulus auf die US-Unternehmen und die Gesamtwirtschaft auswirkt. Und was für Risiken für die Finanzstabilität dadurch entstehen.
Sie kommen zum Schluss, dass das Potenzial der diskutierten Massnahmen gross sei. Aber dabei müsse man die Verschuldung der Unternehmen im Auge behalten.
Zu tiefe Investitionsquote
Eines der genannten Ziele der Steuerreform ist, die Unternehmen zu mehr Investitionen zu bewegen. Denn der Anteil der Investitionen an der Bilanzsumme ist auf einem historisch niedrigen Niveau von 4%. Seit der Jahrtausendwende liegt die Investitionsquote generell tiefer als in den zwei Jahrzehnten davor.
Anteil der Investitionen an der Bilanzsumme (US-Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors)
Zu den Vorschlägen der Trump-Regierung gehört, den Unternehmenssteuersatz zu senken und Anreize so zu setzen, dass globale Konzerne die Gewinne aus dem Ausland zurückführen. Zudem sollen die Schuldzinsen nicht mehr in gleichem Mass abgezogen werden können, damit die Aufnahme von Fremdkapital gegenüber Eigenkapital an Attraktivität verliert.
Laut dem IWF hat dieses Massnahmenpaket durchaus Potenzial, Investitionen anzukurbeln und das Wirtschaftswachstum zu beschleunigen.
Allein die Senkung des Steuersatzes um 10 Prozentpunkte würde gemäss Berechnung der IWF-Analysten den Cashflow der Unternehmen im S&P 500 (SP500 2338.17 -0.17%) zusätzlich um 100 Mrd. $ erhöhen. Genug Geld, um die Investitionslücke gegenüber der Zeit vor der Krise in den meisten Sektoren zu schliessen.
Übernahmen und Aktienrückkäufe statt neue Maschinen
Doch es gibt auch Risiken. Und diese hängen damit zusammen, dass der steuerbedingte zusätzliche Cashflow nicht nur für Investitionen genutzt wird: Die Mittel können auch für Übernahmen, Aktienrückkäufe und höhere Dividenden eingesetzt werden.
Die IWF-Ökonomen fassen diese Arten der Mittelverwendung als Eingehen von Finanzrisiken (Financial Risk Taking) zusammen. Im Gegensatz dazu stehen die mit den Investitionen eingegangenen ökonomischen Risiken (Economic Risk Taking).
Für diesen Effekt gibt es historische Beispiele in den USA: die Steuersenkung von 1986 unter Reagan sowie die vorübergehende Steuerbefreiung (Tax Holiday) für Gewinne im Ausland 2004. Statt mehr in Anlagen, Mitarbeiter und Forschung zu investieren, gingen die Unternehmen auf Einkaufstour oder schütteten das Geld an die Aktionäre aus.
Illustriert wird dieses Phänomen in der folgenden Grafik, in deren oberem Bereich die Finanzierungsquelle dargestellt ist und im unteren ihre Verwendung. Nach den Massnahmen 1986 und 2004 wächst die grüne Fläche (Economic Risk Taking) nicht. Dagegen werden Finanzrisiken eingegangen: Nur die rote Fläche wächst. Sie stellt Akquisitionen und Übernahmen sowie Dividenden (dunkelrot) und Aktienrückkäufe (hellrot) dar. Auch im Zuge der Deregulierung in den Neunzigerjahren sind die Unternehmen viel stärker Finanzrisiken eingegangen.
Vergangene Unternehmenssteuerinitiativen hatten kaum Einfluss auf das Investitionsverhalten
Schuldenzyklus droht
Im Eingehen von Finanzrisiken sieht der IWF das grösste Risiko der geplanten Steuerreform. Denn solche Phasen, in denen Unternehmen immer mehr Finanzrisiken eingehen, wurden in der Vergangenheit von einem Anstieg der Verschuldung begleitet. Der Schuldenzyklus endete dann abrupt in einer Rezession – so wie 2001 und 2008.
Gerade weil sich die US-Unternehmen in den letzten Jahren zunehmend verschuldet hätten, sei daher nun besondere Vorsicht bei der Umsetzung der Steuerreform geboten. Leverage von US-Unternehmen (Verhältnis Nettoschulden zu Ebitda)
Es muss also verhindert werden, dass die Steuererleichterung in einer Schuldenorgie mündet.
Die Regierung sollte die Entwicklung des Leverage im Unternehmenssektor und die fallende Kreditqualität genau im Auge behalten, mahnt der IWF. Die vorgeschlagenen Massnahmen, Fremdkapital nicht mehr steuerlich zu begünstigen, zielten in die richtige Richtung.
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