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07:10 Uhr - 23.12.2015

Harte Zeiten für Kohle und ihre Förderer

Die Internationale Energieagentur sieht in einer Mittelfristprognose bis 2020 eine Abflachung der globalen Kohlenachfrage voraus. Das sind schlechte Nachrichten für die eh schon arg gebeutelten Kohleunternehmen.

Einst einer der beliebtesten fossilen Brennstoffe, geriet das als CO2-Schleuder geltende Sedimentgestein in der letzten Dekade mehr und mehr in Verruf. Nun prophezeit der «Medium-Term Market Report» der Internationalen Energieagentur (IEA) dem fossilen Brennstoff eine düstere Zukunft. Das nachlassende Wirtschaftswachstum in China, das Aufkommen erneuerbarer Energie und eine Abnahme der Nachfrage in den reichen Industriestaaten werden gemäss dem IEA-Bericht dazu führen, dass der Kohleanteil an der weltweiten Stromerzeugung bis 2020 von 41 auf 37% schrumpfen wird.

Zwar wird Nachfrage bis zu diesem Jahr auf 5814 Mio. Tonnen Kohle-Äquivalente (MTKE) wachsen, was durchschnittlich 0,8% pro Jahr entspricht, doch kommt dies einer Abflachung gleich. So wird die Kohlenachfrage in den USA abnehmen. Das reichlich vorhandene Schiefergas verdrängt die Kohle (Kohle 46.7 -3.21%), neue Kohlekraftwerke sind nicht in Planung. Der IEA-Bericht vermutet, dass der Kohleanteil an der US-Stromerzeugung bis 2020 auf 35% sinken wird. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Europa: Hier soll die Energiegewinnung aus Kohle in den nächsten fünf Jahren um jährlich 1,5% abnehmen.

Dass Kohle in den Industrienationen zunehmend gemieden wird, hat einen weiteren, wichtigen Grund: Bei ihrer Verbrennung entstehen Unmengen an CO2. Umweltschützer und die internationale Klimapolitik zielen deshalb darauf ab, den Bau von Kohlekraftwerken einzudämmen und bestehende Kraftwerke stillzulegen.

Wo die Nachfrage noch wächst

Zu den wenigen Weltregionen, in denen der Kohleverbrauch zunehmen wird, gehören Indien und Südostasien. So will die indische Regierung 240 Mio. Landsleuten den Anschluss ans Stromnetz ermöglichen – die günstigste Option zur Deckung des erhöhten Strombedarfs ist Kohle, deren Preis sich auf dem tiefsten Stand seit der Finanzkrise befindet. Ähnliche Pläne haben Indonesien, Vietnam und die Philippinen. Folglich wird gemäss dem IEA-Bericht die Kohlenachfrage allein in Indien bis 2020 um 149 MKTE steigen, was der Hälfte des Weltwachstums entspricht. Dennoch wird der Zuwachs in Indien und Südostasien nicht ausreichen, um die sinkende Nachfrage in den USA, Europa und China langfristig zu kompensieren.

Tatsächlich ist die Lage im Reich der Mitte unsicher. Auch wenn die chinesische Wirtschaft sich erholen sollte, ist damit zu rechnen, dass sich die Zunahme der Nachfrage des weltweit grössten Kohleimporteurs abflacht. Gründe dafür sind eine Flaute in der Stahl- und der Zementindustrie, die einen grossen Anteil Kohle benötigt, günstiges Gas sowie der Aufschwung von Kernkraftwerken und erneuerbaren Energiequellen.

Neben dem Gas werden auch Solar- und Windenergie immer günstiger und werden somit zu rentablen Alternativen zur Kohle. Dieser und die vorhin erwähnten Gründe lassen der IEA zufolge die Frage aufkommen, ob sich Kohlenachfrage und Kohlepreis jemals erholen werden.

Verdrängung durch Gas

Das sind schlechte Aussichten für Unternehmen, die Kohle fördern. Dabei kämpft die Branche jetzt schon mit riesigen Problemen. Nicht nur der Rückgang der Kohlenachfrage in China und in den reichen Industriestaaten macht den Förderern zu schaffen. Schwer wiegt auch, dass Kohle in der Energieerzeugung vielerorts durch Gas ersetzt wird. Gas ist überall in der Welt reichlich vorhanden und ist deshalb günstig zu haben. Zudem entsteht bei der Verbrennung von Gas nur halb so viel des schädlichen Treibhausgases CO2 wie bei der Verfeuerung von Kohle. Gas wird deshalb im Kampf gegen die Klimaerwärmung eine Brückenfunktion zugeschrieben, bis erneuerbare Energien einen bedeutenden Teil der Stromproduktion übernehmen können.

Der hohe CO2-Gehalt von Kohle ist denn auch der Grund, weshalb der fossile Brennstoff in den Fokus  von Umweltschützern und Regierungen geraten ist. So opponiert in den USA der einflussreiche Sierra Club im Rahmen seiner Kampagne «Beyond Coal» («Über die Kohle hinaus») gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke. Bereits erreicht hat die Nichtregierungsorganisation, dass ein Drittel der existierenden Kohlekraftwerke aus dem Verkehr gezogen worden ist. In Grossbritannien hat die Regierung angekündigt, bis 2025 alle Kohlekraftwerke zu schliessen. Und in Kanada will die Regierung der Provinz Alberta im Rahmen eines umfassenden Plans gegen die Klimaerwärmung bis 2030 alle Kohlekraftwerke herunterfahren.

«Die Kohleindustrie ist grossem Druck ausgesetzt. Ein wichtiger Grund ist China – aber nicht der einzige», sagt IEA-Direktor Fatih Birol. «Die wirtschaftliche Transformation im Reich der Mitte und die Umweltpolitik weltweit – das neue Klimaabkommen von Paris eingeschlossen – werden die globale Kohlenachfrage beschränken.»

Konkurse am Laufmeter

Sich abflachende Nachfrage, fallende Preise und zunehmende Regulierung haben viele Kohleförderer in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht. So haben in den USA in diesem Jahr nicht weniger als sieben Unternehmen Kapitel 11 der Konkursgesetzgebung angerufen, um in deren Schutz restrukturieren und Schulden abbauen zu können. Dazu gehören so prominente Namen wie Alpha Natural Resources, Patriot Coal, Walter Energy und Xinergy. «Angesichts anhaltend schwieriger Bedingungen im Kohlemarkt müssen wir tun, was notwendig ist, um uns den neuen Realitäten in unserer Branche anzupassen», sagte Walt Scheller, CEO von Walter Energy, als sein Unternehmen den Konkurs anmeldete.

Arch Coal hat im November gewarnt, dass auch sie sich bald in den Schutz der Konkursgesetzgebung begeben könnte. Unter den grösseren US-Förderern hat bisher einzig Peabody Energy (BTU 8.49 14.57%) dem starken Wind, der der Kohleindustrie entgegenbläst, knapp standhalten können. Aber auch dieser Konzern schreibt seit 2014 Verlust; für 2015 wird ein Minus von 575 Mio. $ erwartet. Um die Krise durchzustehen, verkauft Peabody Minen und versucht, neue Schulden aufzunehmen. Die Aktien haben seit Anfang Jahr 94% verloren – ein Zeichen für Anleger, dass man von Kohlevaloren gegenwärtig die Finger lassen sollte.

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