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09:42 Uhr - 20.03.2015

Demografie treibt bald Zinsen in die Höhe

Seit Jahrzehnten fallen die Zinsen weltweit. Grund dafür ist die Sparwut einer alternden Bevölkerung – doch die Alterung könnte nun für höhere Zinsen sorgen.

Wer jetzt über eine Zinswende redet, der wird belächelt. Der Markt scheint auf lange Zeit noch mit extrem niedrigen Zinsen zu rechnen. In der Schweiz erhält man sogar auf Staatsanleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit eine negative Rendite. Und obwohl in den USA eine Leitzinserhöhung ansteht, liegt dort der Realzins – also die Rendite nach Abzug der Inflation – für zehn Jahre nur knapp über null.

Doch es gibt ein Argument, warum das Tal niedriger Zinsen bald durchschritten sein könnte. Grund ist die kommende Änderung der globalen Altersstruktur. Denn das Alter ist für viele Ökonomen entscheidend für das Sparverhalten – und damit für das Zinsniveau. Je mehr gespart wird, desto grösser ist das Angebot an Ersparnissen und desto geringer der «Preis» dafür – der Zins (mehr dazu hier).

Ältere sparen bis zur Rente

Es lässt sich nicht sagen, dass ältere Leute generell mehr oder weniger sparen. Eine ältere Bevölkerung führt nicht unbedingt zu einer hohen Sparquote, es gibt Unterschiede: Laut Michael Gavin von Barclays (BARC 253.1 0.44%) sparen einerseits ältere Arbeitnehmer mehr, um sich ihre Pensionierung zu finanzieren. Rentner anderseits sparen weniger, da sie ihre Ersparnisse im Regelfall aufzehren. Wird eine Bevölkerung älter, steigt die Sparquote – doch nur bis zu dem Punkt, ab dem der Anteil älterer Arbeitnehmer wegen ihrer Pensionierung sinkt.

«Die demografischen Daten haben das Sparen in der Welt seit 1980 sehr unterstützt, besonders in den letzten zwanzig Jahren», schreibt Gavin in einer Analyse. Nun könnte dieser langfristige Trend der «Schwemme an Ersparnissen» zu Ende gehen. Denn in den wichtigsten Volkswirtschaften wird es, bis auf wenige Ausnahmen wie Indien, immer mehr Rentner und weniger ältere Arbeitnehmer geben.

Damit geht Gavin einen anderen Weg als Studien, für die die Alterung den Zins immer nach unten drückt. So erklären etwa Ökonomen der Bank of Japan, dass der höhere Rentneranteil in Japan den Zins seit 1990 deutlich gesenkt hat. Das Argument der Notenbanker: Das Wirtschaftswachstum wurde durch die Alterung schwächer, was den Realzins sinken lässt. Für Gavin ist dagegen das Wachstum – wenn überhaupt – nur ein schwacher Erklärungsfaktor für den Realzins. Wichtiger sei das Sparverhalten.

zoomÜber die letzten zwanzig Jahre ist ein Zusammenhang zwischen der Sparquote und der Differenz zwischen dem Anteil älterer Arbeitnehmer und dem der Rentner erkennbar. Über verschiedene Zeiträume und Volkswirtschaften betrachtet steigt die Sparquote mit einem höheren Anteil der sparenden Gruppe. Gavin schätzt, dass bei einem Anstieg der Differenz der Anteile von älteren Arbeitnehmern und Rentnern um 1 Prozentpunkt (Pp) die Sparquote um 0,7 Pp steigt.

China wird weniger sparen

Ein wichtiger Grund für die bisherige Schwemme an Ersparnissen in der Welt war die Alterung der chinesischen Bevölkerung. Das könnte sich bald drehen. Dort ist der Wendepunkt laut Projektionen nun gekommen, an dem der Anteil der Rentner schneller steigt als der Anteil der älteren Arbeitnehmer. Auch in der Summe der wichtigen Volkswirtschaften wird der Anteil der pensionierten Senioren immer weiter zunehmen, während der Anteil der sparfreudigen Arbeitnehmer zurückgeht.

Der RealzinsDer Zins für eine Anlage kann in zwei Teile zerlegt werden: die Inflationserwartung – die Entschädigung für den Anleger, dass das angelegte Geld an Wert verliert – und den Realzins. Der Realzins ist der Preis für das überlassene Kapital. Dieser Preis wird am Kapitalmarkt gebildet – aus dem Angebot an Ersparnissen und der Nachfrage durch Investitionsprojekte.

Steigt das Angebot an Ersparnissen, sollte der Zins sinken. Diese Entwicklung – eine Schwemme an Sparvermögen – stellt Michael Gavin von Barclays für die Welt seit 1980 fest. Doch auch auf der Nachfrageseite für das Kapital – den Investitionen – scheint es zu hapern.

Laut einer Studie der Bank of Canada ging die weltweite Nachfrage nach Investitionen seit Ende der Achtzigerjahre zurück. Die Ökonomen führen das unter anderem auf ein kleineres Wachstum des Angebots an Arbeitskräften zurück. Da Investitionen durch die Kombination von Kapital und Arbeit erst produktiv werden, könnte die Produktivität des Kapitals abnehmen, weil es weniger neue Arbeitnehmer gibt. Das macht Investitionen weniger profitabel und lässt den Realzins sinken.

Auch Vertreter, die einen steigenden Realzins erwarten, sehen die Nachfrage nach Kapital nicht stark steigen. Doch wie Gavin erwarten auch die Ökonomen Philipp Erfurth und Charles Goodhart einen stärkeren Rückgang der Ersparnisse als der Investitionen. Die zwei Wirtschaftsexperten prognostizieren steigende Realzinsen: 2025 bis auf 3%, 2050 bis auf 5%.
Bisher hat die Demografie also den Zins nach unten gedrückt. Der relative Anteil der älteren Arbeitnehmer ist immer weiter gestiegen, gleichzeitig der Realzins gesunken . Mit jedem Prozentpunkt mehr an viel sparenden Arbeitnehmern geht laut Gavin der Realzins um 0,75 Pp. zurück. Mit jedem Prozentpunkt mehr Senioren im Rentenalter steigt er dagegen um 1,15 Pp.

Wer also am heutigen Zinsniveau als Anleger verzweifelt, für den gibt es Hoffnung. Doch steigen die Zinsen, wie es vorhersagt wird, ist das nicht auf ein hohes Wachstum und gute Investitionsmöglichkeiten zurückzuführen. Im Gegenteil: Kapital würde Mangelware, da Ersparnisse konsumiert werden müssen. Auch wenn die Zinsen zur «guten, alten Zeit» zurückkehren – die Wirtschaft wird es kaum.

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