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15:05 Uhr - 08.09.2017

Der Ölmarkt in fünf Grafiken

Ein Fass Nordseeöl kostet erstmals seit Mitte April mehr als 54.50 $. Ist die Zeit der Ölschwemme und des tiefen Preises vorbei?

Der Ölpreis steigt und steigt. Am Freitagmorgen kostet ein Fass der Nordseesorte Brent (Brent 54.681 0.61%) 54.70 $ und damit so viel wie seit Mitte April nicht mehr. Am Ölmarkt ist der Optimismus zurückgekehrt. Das zeigt sich auch an der Rohstoffbörse: Immer mehr Anleger setzen auf einen steigenden Preis des europäischen Öls.

Seit Ende Juli ist die Anzahl sogenannter Netto-Long-Positionen auf Brent am Terminmarkt um fast die Hälfte gestiegen. Mit gut 430’000 liegt der Wert jedoch noch deutlich unter dem von Ende Februar.

Ganz anders bei US-Leichtöl West Texas Intermediate (WTI (WTI 48.97 -0.1%)): Tropenstürme belasten die Stimmung der spekulativen Investoren. Diese haben ihre Positionen auf einen steigenden Preis in den letzten zwei Wochen beinahe halbiert.

«Harvey» hatte vergangene Woche einige US-Raffinerien in der Gegend von Houston lahmgelegt. Schätzungen der Commerzbank (CBK 10.15 1.25%) zufolge konnte zeitweise ein Drittel weniger Rohöl verarbeitet werden. Wenig überraschend ist der US-Rohölbestand gemäss der US-Energiebehörde EIA im Vergleich zur Vorwoche leicht gestiegen. Davor hatten sich Lager seit längerer Zeit wöchentlich geleert.

In der Folge verbilligte sich WTI. Der Preisabschlag relativ zu Brent erreichte mit 10,5% den höchsten Stand seit Anfang 2016.

Zwar scheinen sich die Ölunternehmen dank des trockenen Wetters schneller als erwartet von der Wucht des Sturms und des folgenden Hochwassers erholt zu haben. Gestern wollte bereits die Hälfte der betroffenen Raffinerien die Arbeit wieder aufnehmen.

Doch es steht bereits das nächste grosse Unwetter bevor. Hurrikan «Irma» hat in der Karibik eine Spur der Verwüstung zurückgelassen und nimmt Kurs auf die Küste Floridas. Der Bundesstaat bereitet sich auf das Schlimmste vor.

Produktionsschätzungen sind schwierig

Angesichts der schwer einschätzbaren Auswirkungen von «Irma» sind Schätzungen zur Entwicklung der US-Ölindustrie in den kommenden Wochen schwierig. Gemäss Jan Edelmann, Rohstoffexperte von der deutschen HSH Nordbank, dürfte der Lagerbestand noch einige Wochen um insgesamt 40 Mio. Fass steigen, was den Preis belasten würde. Die Hurrikane könnten durchaus längerfristige Schäden an den Raffinerien verursachen.

Aber auch die Rohölproduktion dürfte etwas weniger schnell steigen. Im Golf von Mexiko mussten wegen «Irma» mehrere Bohrplattformen den Betrieb kurzfristig einstellen. Davor hatte das US-Fördervolumen gemäss der EIA vergangene Woche mit täglich 9,53 Mio. Fass einen weiteren Höchststand erreicht.

Anzahl Bohrstellen ist rückläufig

Die Anzahl Bohrstellen (Rigs) war bereits vor dem Wirbelsturm leicht zurückgegangen. Die Angabe für die Woche vom 28. August basiert auf einer Schätzung des Öldienstleisters Baker Hughes, denn nicht alle Rigs bestätigten die Aktivität.

Für die weitere Entwicklung wird entscheidend sein, ob die Schieferölförderer im gleichen Umfang weiterproduzieren oder angesichts der tiefen Raffineriekapazität die Produktion kürzen.

Weltweite Nachfrage stark gewachsen

Ausserhalb der USA ist das Marktumfeld gemäss Edelmann derzeit stabil. Im Juli ist die weltweite Ölnachfrage erneut stärker gewachsen, als erwartet worden war. Für das zweite Quartal resultierte gar ein kleines Unterangebot.

Für die kommenden Monate erwartet die Internationale Energieagentur (IEA) einen Anstieg des Bedarfs. Ende 2018 könnten erstmals mehr als 100 Mio. Fass Rohöl am Tag verbraucht werden.

Ziel der Opec ist in die Nähe gerückt

Dank der hohen Nachfrage leeren sich die Öllager in Europa und Asien. Auch wenn das langsam vor sich geht. Damit wird das Ziel der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) greifbar, den Bestand unter den Fünfjahresschnitt zu senken, um den Preis zu stabilisieren.

Die Produzentenländer scheinen gewillt, die seit Anfang Jahr geltenden nationalen Quoten aufrechtzuerhalten. Russland und Saudi-Arabien haben erneut diskutiert, die Vereinbarung über März 2018 hinaus zu verlängern. Das russische Energieministerium hat zugleich vermeldet, die Ölproduktion stärker als geplant gekürzt zu haben. Das Ziel wurde um rund 50’000 Fass am Tag übererfüllt.

Die starke Kooperation der wichtigsten Ölproduzenten ausserhalb der USA bei der Bekämpfung des Überangebots weckt die Hoffnung der Marktteilnehmer auf einen Preisanstieg. Solange die US-Produzenten nicht mit einem Ausbau der Förderung reagieren können, bleibt die Notierung im Aufwind. Der Ölpreis dürfte in den nächsten Wochen zeitweise gar über 55 $ je Fass steigen. Das Aufwärtspotenzial bleibt aber vorerst beschränkt.

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