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16:47 Uhr - 12.09.2014

Handlungsbedarf beim Bankgeheimnis

Die UBS relativiert das Bankgeheimnis im Innern. Für Prof. Robert Waldburger von der Universität St. Gallen sind Anpassungen notwendig.

Die UBS (UBSN 16.45 0.37%) erklärt das Bankgeheimnis im Innern für passé. Dass Handlungsbedarf besteht, geht auch aus einem Vortrag hervor, den Prof. Robert Waldburger (Universität St. Gallen und Steuerkonsulent bei Bär & Karrer) kürzlich an einer Tagung der Universität Zürich hielt.

UBS-Zeltner: «Die Schweiz braucht eine Steueramnestie»Jürg Zeltner, CEO UBS Wealth Management, glaubt, dass die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug in der Schweiz fallen muss. Lesen Sie hier das Interview.Seit dieser Woche ist bekannt, dass auch die Schweizer Grossbank UBS nicht mehr an das Bankgeheimnis im Innern glaubt. Die «Finanz und Wirtschaft» machte publik, dass sich Jürg Zeltner, CEO des Wealth-Management-Geschäfts von UBS, dafür ausspricht, auch in der Schweiz auf die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zu verzichten. Um diesen Übergang zu gewährleisten, brauche es in der Schweiz eine Steueramnestie.

«Keine Steueramnestie»

Das Wichtigste- Kantonale Steuerbehörden haben keinen Zugang zu Bankinformationen.
- Eine Abteilung der Eidg. Steuerverwaltung erhält in Ausnahmefällen Infos.
- In Zukunft könnte kantonalen Steuerbehörden Zugang zu Bankinformationen gewährt werden, wenn diese bedeutsam für die Besteuerung sind.
Das glaubt Robert Waldburger nicht. «Eine weitere Steueramnestie braucht die Schweiz nicht», führte er in seinem Vortrag aus. Die bereits heutige gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zu einer einmaligen straflosen Selbstanzeige sei ausreichend, um den Steuerpflichtigen einen Übergang in die Steuerehrlichkeit zu ermöglichen. Weitergehende Privilegierungen der Steuerhinterzieher sind gemäss seiner Auffassung weder notwendig noch sachlich gerechtfertigt.

Die heutige Rechtslage in Bezug auf den Zugang von Steuerbehörden zu Bankinformationen der Kunden direkt bei den Banken sei jedoch je nach Bewertung «interessant, merkwürdig oder stossend». Seiner Meinung nach sind denn auch Anpassungen notwendig: «Was den Zugang von Schweizer Steuerbehörden zu Bankinformationen für Schweizer Steuerpflichtige betrifft, besteht Handlungsbedarf.»

Kantonale Steuerbehörden haben heute keinen Zugang zu Bankinformationen – auch nicht bei Steuerbetrug. In diesem Fall sind die kantonalen Strafverfolgungsbehörden zuständig.

Bewilligung der Chefin

Bei den direkten Steuern hat einzig die Abteilung Strafuntersuchungen (ASU) der Eidgenössischen Steuerverwaltung, die eine eigentliche Steuerfahndungstruppe unterhält, in Ausnahmefällen Zugang zu Kundeninformationen bei den Banken.

Bei fortgesetzter schwerer Steuerhinterziehung und bei Steuerbetrug kann die ASU Zwangsmassnahmen anwenden, wenn die gesetzlichen Bedingungen erfüllt sind. Die ASU benötigt aber hierfür eine Bewilligung der Chefin des Eidgenössischen Finanzdepartements.

Einfacher ist es für die Eidgenössische Steuerverwaltung bei von ihr erhobenen Steuern (Mehrwertsteuer, Verrechnungssteuer und Stempelabgaben). Aufgrund des hier anwendbaren Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VstrR) und unter Wahrung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes hat die Steuerverwaltung die Möglichkeit, Bankinformationen zu erhalten.

Das VStrR geht jedoch extrem weit. Es wurde in den 1970er-Jahren nach dem Vorbild der deutschen Steuerfahndung ausgestaltet und beinhaltet ein weites Feld von Zwangsmassnahmen – unter anderem auch vorläufige Festnahmen.

«Positiv für die Banken»

Hinzu kommt, dass die Schweiz gegen aussen umfassende Amtshilfe gewährt. «Auch Bankinformationen fliessen, wenn diese voraussichtlich erheblich für die Besteuerung im Ausland sind», führte Prof. Waldburger, der früher Vizedirektor der Eidgenössischen Steuerverwaltung war, aus.

Aufgrund der heutigen Gesetzgebung kann die Schweiz jedoch keine Amtshilfeersuchen bei vermuteter Steuerhinterziehung stellen, und sie darf Zufallsfunde auch nicht verwerten. «Die Bestrebungen des Bundesrates, der hier stark von den kantonalen Finanzdirektoren unterstützt wird, das steuerliche Bankgeheimnis für kantonale Steuerbehörden einzuschränken, sind verständlich und richtig», stellte Robert Waldburger fest.

Diese doppelte Diskriminierung gegenüber Bundessteuer- und ausländischen Steuerbehörden muss seiner Meinung nach beseitigt werden. «Das kann auch für die Banken positiv sein, werden sie damit doch in ihrer Weissgeldstrategie bezüglich ihrer schweizerischen Kundschaft, sofern sie diese verfolgen, unterstützt», ist er überzeugt. Das Risiko der Entdeckung würde nämlich für die Steuerhinterzieher erhöht und die Banken hätten ein rechtliches Argument, um den Kunden nahezulegen, seine Vergangenheit zu bereinigen.

Steuerstrafrecht zu revidieren

Bundesbern plant in diesem Zusammenhang, das Steuerstrafrecht zu revidieren. Robert Waldburger bedauert jedoch, dass der Bundesrat bisher nicht vorgesehen hat, diese Revision grundlegend und unter Einbezug einer Expertenkommission zu erarbeiten.

Er weist auch darauf hin, dass es keiner Reform des Steuerstrafrechts bedarf, um Steuerbehörden Zugang zu Bankinformationen zu gewähren: Es würde seiner Meinung nach ausreichen, im Steuerharmonisierungsgesetz und im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer eine Regelung zu treffen.

Damit sind seine Ausführungen gegensätzlich zu jenen von Jürg Zeltner, CEO UBS Wealth Management. Nach seiner Auffassung ist die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug aufzugeben.

«Wie bei der internationalen Amtshilfe könnte auch kantonalen Steuerbehörden per Gesetz Zugang zu Bankinformationen gewährt werden, wenn diese voraussichtlich bedeutsam für die Besteuerung sind», führte er aus. Damit könnte die Privatsphäre – beispielsweise über Kontobewegungen ohne steuerliche Relevanz – gewahrt bleiben.

Was Hinterzieher nun tun solltenWie sollen sich Schweizer Steuerpflichtige mit unversteuerten Geldern verhalten? «Sie sollen und müssen nun von der Möglichkeit der straffreien Selbstanzeige Gebrauch machen», ist Jürg Birri, Leiter Rechtsberatung der Beratungsgesellschaft KPMG, überzeugt. Die Selbstanzeige stelle eine «elegante Brücke in die Steuerehrlichkeit» dar – die zunehmend genutzt wird: «Wir und unsere Kunden in der Finanzwelt stellen fest, dass diese Möglichkeit vermehrt genutzt wird.» Der Trend in diese Richtung ist gemäss Jürg Birri klar.

Marcel Widrig, Partner der Beratungsgesellschaft PwC, erläutert das Vorgehen bei der Selbstanzeige: «Es besteht die Möglichkeit der einmaligen straflosen Selbstanzeige, bei der die hinterzogene Steuer der letzten zehn Jahre und Verzugszinsen zu bezahlen sind, aber keine Bussen fällig werden.» Die Bussen könnten sich auf bis zu das Dreifache des hinterzogenen Betrags belaufen. Falls Erben eine Steuerhinterziehung des Erblassers entdecken, so seien lediglich die letzten drei Jahre zuzüglich Verzugszins zu bezahlen. «Auf andere Möglichkeiten, wie eine weiter gehende Steueramnestie, zu warten, erachte ich in der Schweiz im jetzigen politischen Umfeld mindestens auf Bundesebene als wenig erfolgversprechend», sagt Marcel Widrig.

Eine 2002 eingereichte Standesinitiative des Kantons Tessin für eine Steueramnestie auf Kantons- und Bundesebene wurde 2013 durch den Ständerat definitiv abgeschrieben. Allerdings sieht der Kanton Tessin (als einziger Schweizer Kanton) eine Steueramnestie vor, wonach während zweier Jahre Einkünfte der letzten zehn Jahre ohne Busse mit einem Einschlag von 70% zu versteuern sind. Was die Zukunft des Bankgeheimnisses in der Schweiz betrifft, sind sich die Experten von KPMG und PwC nicht einig. Marcel Widrig von PwC sieht vor dem Hintergrund der Einführung des automatischen Informationsaustauschs «wenig Spielraum, im innerstaatlichen Verhältnis andere Regeln einzuführen bzw. aufrechtzuerhalten». Es werde darauf hinauslaufen, dass die derzeitige Regelung, wonach Steuerhinterzieher durch das Bankgeheimnis faktisch geschützt sind, abgeschafft wird.

Jürg Birri von KPMG sieht das Ende des Bankgeheimnisses in der Schweiz hingegen noch nicht gekommen. «Es besteht kein Druck von aussen, an dieser Schweizer Institution für Bankkunden mit Wohnsitz in der Schweiz etwas zu ändern.» Er sei überzeugt, dass die jetzige Regelung «noch andauern wird».

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