Hillary Clinton wurde definitiv zur Präsidentschaftskandidatin für die Demokraten gewählt. Um Trump im Herbst zu schlagen, muss sie nun aber an ihrem Image arbeiten.
Hillary Clinton ist fast am Ziel: Als erste Präsidentin der Vereinigten Staaten könnte die Demokratin im Herbst Geschichte schreiben. In der Nacht auf Mittwoch wurde sie am Parteikongress in Philadelphia offiziell zur Präsidentschaftskandidatin gekürt. Zwischen ihr und dem Weissen Haus steht nun nur noch Donald Trump.
Der republikanische Widersacher ist jedoch nicht Clintons Hauptproblem. Es könnte gar einer ihrer grössten Vorteile sein, gegen den unberechenbaren Milliardär antreten zu müssen. Denn ein nüchterner Vergleich der beiden Kandidaten spricht klar gegen Trump. Dennoch könnte Clinton im November als Verliererin vom Platz gehen, weil die Wähler ihr nicht über den Weg trauen.
Eine Frage des Vertrauens
Die jüngsten Wählerumfragen sind wenig schmeichelhaft für Hillary Clinton. Nur 30% halten die ehemalige Aussenministerin für ehrlich und vertrauenswürdig. Der Wert ist seit Mitte Juli sogar noch gesunken. Selbst Trump schneidet besser ab: 43% der Befragten glauben ihm.
Geschadet hat Clinton unter anderem die E-Mail-Affäre, die nach den Vorwahlen noch einmal hochkochte. So stellte das FBI fest, dass sie in ihrer Funktion als Aussenministerin vertrauliche Informationen von ihrem privaten Mailkonto verschickt hatte. Zwar riet die Sicherheitsbehörde von einer strafrechtlichen Verfolgung ab, sie rügte Clintons Fahrlässigkeit aber scharf. Die Demokratin verschlimmerte die Angelegenheit, indem sie Fehler abstritt und versuchte, Dokumente zurückzuhalten.
In der Kritik steht Clinton auch für ihre Reden, die sie sich teuer bezahlen liess. So zeigen ihre Steuerunterlagen, dass sie allein 2013 mehr als 9 Mio. $ als Referentin verdiente. Zu ihrem Publikum zählten zahlreiche Wallstreet-Banken. Clinton weigert sich bislang, den Inhalt dieser Vorträge zu veröffentlichen. Bernie Sanders machte sich das im Vorwahlkampf zunutze: Er warf seiner Rivalin vor, von Wallstreet gekauft zu sein.
Neben den aktuellen Kontroversen pflastern zahlreiche weitere Skandale den Weg des Ehepaars Clinton. Rechtliche Konsequenzen hatten sie für Hillary Clinton nie – doch der Eindruck, dass sie es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, ist geblieben. Die Demokratin hat ihr Glaubwürdigkeitsproblem inzwischen eingeräumt. Eine Gelegenheit zur Charmeoffensive bietet der Parteikongress, wo Clinton auf einflussreiche Fürsprecher zählen kann. First Lady Michelle Obama sowie Bernie Sanders haben ihre Kandidatur bereits unterstützt. Am Mittwochabend wird die Ansprache von Präsident Obama erwartet.
Die First Lady macht Politik
Imageprobleme sind für Clinton nicht neu. Zu ehrgeizig, zu emanzipiert, zu kühl – diese Attribute verfolgen die Yale-Absolventin seit Jahrzehnten. Für landesweite Empörung sorgte die Juristin 1992, als sie während der Präsidentschaftskampagne von Ehemann Bill Clinton den Entscheid verteidigte, ihre eigene Karriere voranzutreiben. «Ich hätte zu Hause bleiben können, um Kekse zu backen», sagte sie in einem Fernsehinterview, «aber ich habe mich für meinen Beruf entschieden.»
Hillarys Wahlhelfer» Bill Clinton: Der ehemalige US-Präsident unterstützt seine Frau auch abseits der Kamera. Erfahren Sie hier mehr.
»Tim Kaine: Der Mann der Mitte soll Hillary Clinton als Vizepräsident zu neuen Wählern verhelfen. Erfahren Sie hier mehr. Clinton machte nie einen Hehl daraus, dass sie sich mit der traditionellen Rolle der First Lady nicht zufrieden geben werde. Im Januar 1993 zog sie mit Bill Clinton und ihrer damals zwölfjährigen Tochter Chelsea ins Weisse Haus ein. Noch im gleichen Jahr übernahm sie den Vorsitz der «Task Force on National (NATN 87.8 0.92%) Health Care Reform». Ziel der Gesundheitsreform war es, alle Amerikaner mit einer Krankenversicherung auszustatten. Die Kampagne wurde zu einer der grössten politischen Niederlagen für Clinton. Die Gesundheitsvorlage wurde versenkt und die Republikaner schlachteten den Misserfolg in den Kongresswahlen 1994 aus. Clintons Zustimmungswerte fielen rasant.
Nach dem Ende von Bill Clintons zweiter Amtszeit positionierte sich die ehemalige First Lady für ihr nächstes Ziel: Die eigene Präsidentschaft. Als Senatorin von New York sammelte Clinton ab 2001 weitere politische Erfahrungen. 2008 startete sie als Favoritin in die Vorwahlen – und scheiterte an einem vergleichsweise unbekannten Senator aus Illinois: Barack Obama. Zum Verhängnis wurde ihr gerade die langjährige Erfahrung im Politzirkus. Dagegen verkörperte Obama den Wandel und traf damit den Zeitgeist.
Eine Repräsentantin des Establishments – dieses Image belastet Clinton auch diesmal. Die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin hat sie geschafft. Es dürfte der letzte Anlauf der Achtundsechzigjährigen für das oberste Staatsamt sein.
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