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10:29 Uhr - 06.11.2014

«In Euroland locken wieder Kursgewinne»

Britta Weidenbach, Leiterin der Aktienfonds Europa von Deutsche Asset & Wealth Management, sieht die tiefen Erwartungen und den sinkenden Euro als Kaufargumente, wie sie im Interview mit der FuW erklärt.

Frau Weidenbach, in den USA zeigt die Konjunktur aufwärts, in Europa bestenfalls seitwärts. Würden Sie nicht lieber US-Aktienfonds vorstehen?
Sagen wir’s so: Über die letzten Jahre wäre das wahrscheinlich entspannter gewesen. Aber europäische und Eurozoneaktienfonds bringen neben all den Herausforderungen auch viel positive Spannung ins Spiel und eröffnen gerade jetzt wieder gute Möglichkeiten. Deshalb verantworte ich europäische Aktienfonds sehr gerne.

Ist auf die Kurserholung in der zweiten Oktoberhälfte Verlass, oder haben wir es mit der Ruhe vor einem neuen Sturm zu tun?
Die Aufwärtskorrektur der letzten zwei Wochen erachte ich nicht als Ruhe vor einem neuen Sturm. Die Erwartungshaltung für die europäische Wirtschaft und die Börsen ist in den vergangenen Monaten recht nüchtern geworden, ich würde sagen, zu nüchtern, zumindest was den mittelfristigen Ausblick betrifft. Mit dem schwächeren Euro hat die Währungsentwicklung von Gegen- in Rückenwind umgeschlagen. Das zeigt sich allmählich in den Unternehmenszahlen. Britta Weidenbach, Leiterin der Aktienfonds Europa von Deutsche Asset & Wealth Management.«Die Kreditnachfrage bei den Unternehmen wie bei den Haushalten steigt allmählich – ein Zeichen in die richtige Richtung.» Bild: ZVGHinzu kommen das günstige Zinsumfeld und neuerdings der niedrige Ölpreis. Der sinkende Euro und der tiefere Ölpreis waren in diesem Ausmass zu Jahresbeginn noch nicht absehbar und sollten die wirtschaftliche Entwicklung unterstützen.

Eine Rezession in Euroland schliessen Sie aus, selbst wenn jetzt auch der Wachstumsmotor Deutschland stottert?
Rezession ist nicht unser Szenario. Die Datenlage der europäischen Konjunktur lässt keine solchen Schlüsse zu. Wir erwarten weiterhin ein zwar niedriges, aber intaktes Wachstum in der Eurozone. Wie erwähnt gibt es auch positive Einflüsse. Die Kreditvergabe, von der Europäischen Zentralbank zu Recht immer wieder in den Fokus gestellt, hat sich in den letzten Monaten auch verbessert. Wir sehen, dass die Kreditnachfrage sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Haushalten allmählich steigt. Das ist relevant für das Investitions- und das Ausgabeverhalten in der Eurozone und ein Anzeichen, das in die richtige Richtung weist.

Das würde heissen, die Politik der EZB, die Kreditvergabe an die Unternehmen zu stärken, funktioniert?
Wir müssen die Geldpolitik bestimmt wachsam verfolgen. Das Risiko, dass die geldpolitische Hilfe der EZB zu wenig wirkt, ist nicht von der Hand zu weisen, und möglicherweise muss sie nochmals nachlegen. Aber die Lage scheint sich effektiv zu verbessern. Ein wichtiger Realitätscheck ist, was wir von Unternehmen selbst hören, den zyklischen und der Industrie insgesamt. Geringes Wachstum, ja, auch Bremsspuren aus Asien und Lateinamerika, aber kein Konjunktureinbruch. In der Breite dessen, was wir von den Unternehmen hören, spiegelt es die Realität.

Welche Gefahr geht von der Geopolitik aus?
Abgehakt sind die Risiken nicht, aber das Schlimmste in den Spannungen mit Russland und der Ukraine liegt hinter uns. Die Dichte der Ereignisse war für die Märkte nicht einfach zu verkraften. Nach Russland kamen Ebola, die Gewalt in Nahost, in Europa die massiven Strafzahlungen der Banken. Eine Serie von so zahlreichen Sonderbelastungen ist nicht alltäglich. Die Märkte haben sich unter dem Strich gut geschlagen, und gerade Euroland, das auf ein bescheideneres und realistisches Bewertungsniveau zurückgekommen ist, lockt wieder mit attraktiven Chancen.

Was haben Sie in den Portfolios der Fonds verändert?
Im Verlauf des Jahres haben wir rechtzeitig auf der zyklischen Seite Positionen reduziert – nicht allein mit Blick auf die Gesamtwirtschaft. Teils waren es Titel von Unternehmen, die wir schon lange im Portfolio hatten, die die Erwartungen nicht mehr erfüllt haben oder deren Ausblick enttäuscht hat. Beispielsweise im Chemiesektor, in der Industrie generell sowie unter den Technologiewerten haben wir Anteile abgebaut und Gewinne mitgenommen.

In einem FuW-Interview favorisierten Sie vor knapp einem Jahr die europäische Peripherie. Wie steht es jetzt, wo verschiedentlich wieder von Eurokrise die Rede ist?
Es stimmt, vor allem Spanien hatten wir in einem positiven Licht gesehen, und diese Einschätzung ist nach wie vor intakt. Spanien gehört zu den Ländern mit dem höchsten Wirtschaftswachstum in Euroland, die Fortschritte am Arbeitsmarkt sind beträchtlich, wogegen in Italien und unter den Kernländern in Frankreich die Reformen deutlich zäher verlaufen. Trotzdem entwickelt sich der französische Aktienmarkt in diesem Jahr besser als der britische und der deutsche. Man darf die Börse nicht gleichstellen mit dem makroökonomischen Verlauf. Genauso wenig darf man das Wachstum eines Unternehmens auf die Zukunft hochrechnen. Beispielsweise hat es im Bereich nichtzyklischer Konsum oder auch im Luxusgütersektor in den letzten Quartalen eher Enttäuschungen gegeben.

Wo wird man auf der Suche nach Wachstum fündig? Ragen bestimmte Sektoren heraus?
Ich bin kein Fan von Schwarz-Weiss-Malerei. In jedem Sektor gibt es Unternehmen, die überdurchschnittlich wachsen können. Entscheidend dafür sind die Marktposition, die Preismacht und die finanzielle Stärke.

Im Eurolandfonds erstaunt die hohe Rangierung von Banco Santander (SAN 6.834 1.24%) als zweitgrösste Position unter den Top Ten. Was ist Ihre Überlegung dazu?
Grundsätzlich mögen wir weiterhin selektiv Finanzwerte. Die Zinsmarge spanischer Banken ist dank günstigerer Refinanzierungskosten gestiegen. Spanische Institute konnten zudem früher als beispielsweise italienische Banken die Rückstellungen für die Risikovorsorge zurückfahren.

Weshalb nicht deutsche Bankaktien im Euroland- und britische oder Schweizer Banktitel im paneuropäischen Fonds?
Es gibt sie in den Fonds, aber nicht unter den Top Ten. Spanische Banken haben einfach die besseren Treiber fürs operative  Geschäft und mehr Wachstumspotenzial.

Was schliessen Sie aus dem EZB-Bilanz- und -Stresstest für Banken?
In meinen und den Augen des Marktes gab es keine grossen Überraschungen. Eine Initialzündung ist der Bankbilanz- und Stresstest in dem Sinn, als er die Visibilität und die Transparenz des Sektors nochmals deutlich verbessert hat. Mit den harten Fakten auf dem Tisch können die Managements der Banken jetzt eine genaue Planung vornehmen, gerade auch was die Dividende betrifft.  Das Beispiel der nordischen Banken, in unserem paneuropäischen Portfolio vertreten, zeigt deutlich, wie wichtig der Cashflow und die Dividendenentwicklung für den Aktienkurs sind. Die Titel haben sich erfreulich entwickelt.

Andere Sektoren, in denen sich Wachstumsperlen bemerkbar machen?
Innovation findet man unter anderem weiterhin im Technologiebereich, im Industriesektor und in der Pharma. Jeder Zweig braucht Innovation. Deshalb sind auch Investitionen so zwingend fürs weitere Wachstum, denn von der Konjunktur her ist auf absehbare Zeit kein natürlicher Rückenwind mehr wie vor der Finanz- und Wirtschaftskrise zu erwarten.

Weshalb in Europa investieren, wo die US-Wirtschaft doch deutlich stärker wächst?
Für europäische Aktien sprechen die geringen Erwartungen der Investoren, das grosse Potenzial der Unternehmen auf der Margenseite, die günstige Bewertung, die guten Dividendenrenditen und eine Zinspolitik, die anders als in den USA weiterhin sehr locker bleibt.

Was ist das Performanceziel für Europa?
Die Eurozone stufen wir noch etwas attraktiver ein als Paneuropa, weil für Euroland die Erwartungen doch stark gedämpft sind. Wenn wir für das Performanceziel im EuroStoxx 50 ein prozentual hohes einstelliges Gewinnwachstum einrechnen und die Dividenden hinzuschlagen, kommen wir für die nächsten zwölf Monate auf einen Gesamtertrag von mehr als 10%.

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