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16:43 Uhr - 17.04.2015

CFO-UBS: «Schweizer Regulierung ist nicht rückständig»

Tom Naratil, Finanzchef der UBS, verspricht steigende Dividenden und warnt im Interview mit der FuW vor negativen Folgen für die Schweiz, falls die Kapitalanforderungen weiter steigen.

Tom Naratil plädiert im Gespräch  mit «Finanz und Wirtschaft» für eine differenzierte Debatte zum ungelösten Problem, dass Grossbanken im Krisenfall vom Staat gerettet werden müssen, um die Realwirtschaft vor Schaden zu bewahren. Lesen Sie hier das Interview in der englischen Originalversion.Er argumentiert, eine Verschärfung der Kapitalanforderungen würde die Wirtschaft beeinträchtigen.

Für UBS (UBSG 18.91 -0.84%) verspricht er eine Eigenkapitalrendite von 15% und steigende Dividenden. Die Forderung des oppositionellen Aktionärs Knight Vinke, die Investmentbank abzuspalten, weist er zurück.

Zur PersonTom Naratil ist Finanzchef der UBS. Seit 2014 ist der 53-Jährige zudem Chief Operating Officer der Schweizer Grossbank.

Die Karriere des Amerikaners begann 1983 beim US-Broker PaineWebber, der 2000 in der amerikanischen Vermögensverwaltung der UBS aufging, wo Naratil weiter aufstieg. 2009 wurde er Chief Financial Officer & Chief Risk Officer von UBS Wealth Management Americas. 2011 holte Oswald Grübel Naratil als UBS-Finanzchef ins Stammhaus nach Zürich.

Naratil hat ein BA in Geschichte der Universität Yale und ein Master in Ökonomie der Universität New York.
Herr Naratil, noch immer müsste eine Grossbank im Krisenfall vom Staat gerettet werden. Der Bundesrat will die sogenannte Leverage Ratio erhöhen und so die Maximalverschuldung der Grossbanken begrenzen. Was bedeutet das für UBS?
Es stellt sich weniger die Frage, was das für die bestkapitalisierte Bank in der Vergleichsgruppe bedeutet. Die zentralere Frage ist, wie sich die verschärften Anforderungen auf die Realwirtschaft auswirken.

Wie lautet Ihre Antwort?
Es ist wichtig zu verstehen, worum es in dieser Debatte geht. Das wichtigste Anliegen der Politik ist dies: Wie stellen wir ­sicher, dass der Steuerzahler nie mehr für Grossbanken in Schieflage geradestehen muss? Das kann man nicht allein mit der Leverage Ratio beantworten. Man muss sich das Total (FP 48.945 -0.74%) an verlustabsorbierendem Kapital ansehen. Es ist das Paket aus Pflichtwandler und verlusttragenden nachrangigen Anleihen – kurz: TLAC –, das einen durch die Abwicklung trägt.

Der internationale Trend ist klar: TLAC-Vorschriften kommen – und mit der Leverage Ratio eine Verschuldungsobergrenze.
Keine dieser Massnahmen funktioniert isoliert. Risikogewichte haben ihren Zweck, die Leverage Ratio hat ihre Berechtigung und der TLAC-Ansatz hat Vorteile. Aber diese alle müssen gemeinsam wirken. Und wenn wir über Kennziffern hinausblicken, sehen wir weitere Bausteine. Wie haben sich die Strategien von Banken verändert und was bedeutet das für ihre Aufspaltbarkeit? In der Debatte müssen wir alle diese Aspekte berücksichtigen – nicht uns auf Kennziffern versteifen.

Was fürchten Sie mehr: Eine Erhöhung der Leverage Ratio oder schärfere Bestimmungen zur Berechnung der Risikogewichte, wie das die Finma kürzlich ankündigte?
Was uns Sorgen bereiten sollte, ist eine grob simplifizierte Debatte zu einem Thema, das sehr komplex ist. Nehmen wir die Risikogewichtung. Es gibt Leute, die sagen: Hey, die Risikodichte der Bilanzen von Schweizer Banken ist geringer als die von ausländischen Instituten. An deren Modellen muss etwas faul sein!

Ist etwas faul?
Nehmen wir UBS. Als wir 2011 unseren Strategiewechsel ankündigten, hatten wir signifikante Risiken in unserem Altlastenportfolio. Diese haben wir wesentlich reduziert. Gleichzeitig wuchsen die Einlagen in der Vermögensverwaltung und im Privatkundengeschäft. Diesen Einlagen müssen wir hochliquide Aktiva gegenüberhalten – beispielsweise US-Staatsanleihen. Eine Bilanzgrösse kann stabil bleiben, obwohl man hochriskante Hypothekarverbriefungen aus den Büchern nimmt und stattdessen US-Staatsanleihen kauft. Es gibt plausible Gründe, warum die Risikodichte unserer Bilanz anders ist als früher.

Exponenten der Nationalbank wollen eine Leverage Ratio von mindestens 5%. Ist das eine vernünftige Grösse?
Ich will die Diskussion nicht anhand einer Zahl führen. Was der Rechtssetzungsprozess braucht, ist eine informierte Debatte – Abwägen von Kosten und Nutzen. Dann wählt man aus. Aber zuerst muss man sich die langfristigen Auswirkungen auf die Wirtschaft vergegenwärtigen. Kredite und Hypotheken würden teurer. Schauen Sie sich unsere Bilanz von heute rund 1 Billion Franken an. Die Mehrheit davon stammt aus der Vermögensverwaltung und dem Schweizer Privat- und Firmenkundengeschäft, nur eine Minderheit entfällt auf die Investmentbank. Jede weitere Beschränkung der Verschuldungsquote hat folglich einen überdurchschnittlichen Einfluss auf die Vermögensverwaltung und unser Geschäft in der Schweiz.

Bisherige Bilanzreduktionen blieben für die Wirtschaft folgenlos, weil sie die Investmentbankaktivitäten im Ausland betrafen?
Der Abbau traf die Investmentbank. Wir liessen die Bilanz der Vermögensverwaltung und des Privat- und Firmenkundengeschäfts in dieser Zeit wachsen. Eine Erhöhung der Leverage Ratio träfe nun die Rendite dieser Bereiche, was wiederum Auswirkungen auf die Preissetzung hätte.

Bereits vor vier Jahren sagten die Banken, auch UBS, dass die Wirtschaft leiden würde, falls dickere Kapitalpolster gefordert würden. Es erwies sich als falsch. Weshalb sollen wir Ihnen jetzt glauben?
Man könnte argumentieren, dass die globale Erholung nach der Finanzkrise suboptimal verlief. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass die verschärften Kapitalanforderungen, die die Banken während dieser Zeit erfüllen mussten, weltweit die Kreditvergabe an die Wirtschaft gehemmt haben.

Diesen Schluss ziehen Sie?
Ja, absolut!

Für die Vermögensverwaltung ist ein dickes Kapitalpolster ein Wettbewerbsvorteil. War es nicht ein Pluspunkt, in der Schweiz ein Regime zu haben, das Banken zwang, mehr Eigenkapital aufzubauen als anderswo? Da wir jetzt zurückgefallen sind …
Ich stimme dem ersten Teil Ihrer Frage zu. Der zweite ist falsch: Die Schweiz ist nicht zurückgefallen.

Aber nicht mehr führend.
Die USA mögen führend sein bei der Verschuldungsquote. Aber sie haben Fannie Mae und Freddie Mac, die beide von der Regierung unterstützt werden. Diese Ins­titute, deren Aufgabe es ist, den Banken Hypotheken abkaufen, hatten besondere Probleme in der Krise. Die USA haben zudem einen grossen Verbriefungsmarkt.

… und eine Leverage Ratio von bis zu 6%.
Wenn man eine Leverage Ratio von 6% will, lautet die Konsequenz, Institutionen wie Fannie und Freddie sowie einen Markt für Verbriefungen aufzubauen. Aber wollen Sie tatsächlich quasistaatliche Institute, die in der Schweiz Hypotheken aufkaufen? Man kann sich dafür entscheiden. In den USA war es Teil eines jahrelangen politischen Programms zur Eigenheimförderung. Auch Verbriefungen haben Vor- und Nachteile. Die Risiken werden aus den Bankbilanzen auf andere Bereiche der Gesellschaft übertragen – sie könnten Eingang in Ihre Pensionskasse finden. Wäre das wünschenswert? Ich weiss es nicht. Aber die Folgerung, das Regulierungssystem in der Schweiz sei rückständig, bloss weil die USA eine höhere Leverage Ratio haben, ist falsch.

Schliessen Sie aus, dass UBS jemals wieder vom Staat gerettet werden muss?
Die Schritte, die wir unternommen haben, reduzieren die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Staatsrettung signifikant.

Welche Eigenkapitalrendite peilen Sie für die UBS künftig an?
Wir erwarten eine Rendite von über 15% auf dem materiellen Eigenkapital.

Kaum jemand in Ihrer Branche erreicht 15% Rendite – höchstens spezialisierte Institute wie Wells Fargo. Ist das Ziel realistisch?
Das ist es definitiv! UBS ist eine sehr fokussierte Bank. Vermögensverwaltung ist unser Kerngeschäft. Diese, zusammen mit dem Firmenkundengeschäft und dem Asset Management, erwirtschaftet drei Viertel unseres Vorsteuergewinns. Angesichts unseres Geschäftsmix müsste man sagen: Wenn irgendjemand 15% Eigenkapitalrendite liefern wird, dann UBS.

Wann erreichen Sie das Ziel?
2016.

Der UBS-Aktionär Knight Vinke moniert, die Rendite der Investmentbank sei zu hoch angegeben, weil UBS ihr nicht dem Risiko entsprechende Kosten verrechne. Wird die Investmentbank subventioniert?
Wir subventionieren keinen unserer Geschäftsbereiche. Alle profitieren davon, Teil eines integrierten Konzerns zu sein. Eine Synergie ist die gemeinsame Finanzierung. Den ökonomischen Gewinn der Divisionen berechnen wir aber anhand unterschiedlicher Kapitalkosten, der Investmentbank verrechnen wir einen Aufschlag gegenüber den Kapitalkosten der Gruppe.

Wäre es nicht wertsteigernd, die Investmentbank abzuspalten und sich auf die Vermögensverwaltung zu fokussieren?
Absolut nicht. Ein Verkauf der Investmentbank würde Aktionärswert vernichten und unsere global führende Vermögensverwaltung schwächen. Wir werden zu ­einem höheren Kurs-Buch-Verhältnis ­gehandelt als alle unsere Konkurrenten, was davon zeugt, dass der Markt anerkennt, was wir erreicht haben.

2014 lag die Eigenkapitalrendite bei nur 7%.
Wir haben das Altlastenportfolio aggressiv abgebaut. Das hatte seinen Preis, was unserer Ansicht nach aber im Interesse der Aktionäre war. Zudem hatten wir Restrukturierungsaufwand. Der läuft über die Zeit aus.

Analysten hoffen auf Sonderdividenden aus dem Abbau des Altlastenportfolios. Wie viel Kapital wird der Abbau freisetzen?
Es verbleiben 36 Mrd. risikogewichteter Aktiva, unterlegt mit 13% Eigenkapital, also knapp 5 Mrd. Fr. Aber: Das bisher gelöste Kapital haben wir in die Vermögensverwaltung und das Schweizer Privat- und Firmenkundengeschäft reinvestiert. Es ist nicht so, dass wir plötzlich auf einem Haufen Kapital sitzen würden, für das wir keine Verwendung hätten. Was die Dividenden finanziert, sind die Gewinne, die das operative Geschäft abwirft.

Die diesjährige Dividende ist die Basis?
50 Rappen wird die künftige Basis sein. Von da wollen wir die Dividende steigern.

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