Der Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank verteidigt ihre Geldpolitik. Die Preisstabilität wird höher gewichtet als die Nebenwirkungen der Negativzinsen.
Eine solche Konstellation findet man kaum in einem Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre: Die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 2000 0%)) erwartet für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,5% und einer Fortsetzung der moderaten Erholung im nächsten Jahr. Dennoch hält sie den Leitzins seit bald zwei Jahren bei rekordtiefen –0,75%.
Die Politik der Negativzinsen hat schädliche Nebenwirkungen und steht deshalb unter Kritik. Sie drängt Vorsorgeeinrichtungen in riskante Anlagen, nagt an der Profitabilität der Banken, fördert destabilisierende Übertreibungen am Hypothekarmarkt und hält die Staaten vom sparsamen Haushalten ab.
Preisstabilität steht über allem
Die SNB ist sich dieser Risiken bewusst, doch sie verteidigt ihre Goldpolitik ihrem Mandat zur Erreichung von stabilen Preisen. So auch heute Mittwoch auf einer Veranstaltung von Bloomberg. «Als Zentralbank müssen wir Preisstabilität gewährleisten», wiederholt SNB-Vizedirektor Fritz Zurbrügg die Standard-Antwort der Zentralbanker in seinem Vortrag.
Zu den umstrittenen Negativzinsen meinte er, die SNB halte mit diesem Instrument die Zinsdifferenz zum Euro genug gross, um die Attraktivität des Frankens zu reduzieren. «Wir sind überzeugt, dass wir so am besten unser Mandat der Preisstabilität erfüllen». Und dies sei im Interesse der gesamten Volkswirtschaft.
Die SNB-Definition für Preisstabilität ist eine Inflation von weniger als 2% pro Jahr. Seit fünf Jahren liegt die Teuerungsrate in der Schweiz aber unter oder bei Null.
Die SNB rechnet mit einer Rückkehr zu positiven Inflationsraten im kommenden Jahr, gibt aber zu bedenken, dass die Teuerung in den letzten Jahren permanent überschätzt wurden. «Inflationsprognosen werden oft nach unten korrigiert», sagt Zurbrügg. Das gelte allgemein für die Wirtschaftsprognosen seit der Finanzkrise.
Franken ist deutlich überbewertet
Die Gründe für die anhaltende Deflationsgefahr sind laut Zurbrügg der Zerfall der Energiepreise und der starke Franken. «Der Franken ist immer noch überbewertet,» sagte Zurbugg. Der reale handelsgewichtete Wechselkurse liegt rund 15% über dem langfristigen Durchschnitt.
Real bedeutet hier, dass die Inflationsentwicklung in den einzelnen Währungsräumen berücksichtigt wird. Handelsgewichtete Wechselkurse haben als Referenz einen Korb aus Währungen von Ländern, die im Aussenhandel eine wichtige Rolle spielen.
Wegen des starken Frankens sind der SNB die Hände gebunden. Ohne Negativzinsen würde er sich noch stärker aufwerten und den Werkplatz bedrohen. Ein BIP-Wachstum von 1,5% mag komfortabel klingen. Doch Zurbrügg relativiert: «Das sind aggregierte Zahlen und einigen Sektoren geht es viel schlechter.» Zudem sei die Kapazitätsauslastung immer noch sehr tief.
Tiefe Zinsen sind ein globales Phänomen
Zu den genannten Risiken der Negativzinsen sagt Zurbrügg: «Wir sind uns der Risiken bewusst und überwachen sie genau.»
Er macht dabei deutlich, dass die SNB auf gewisse Entwicklungen wenig Einfluss hat. So etwa auf die Schwierigkeit der Vorsorgeeinrichtungen, sichere festverzinsliche Anlagen zu finden. «Die niedrigen oder negativen Anleihenrenditen sind ein globales Phänomen», sagt Zurbrügg.
Leichte Enstpannung am Hypothekenmarkt
Etwas weniger Sorge macht der SNB der Immobilienmarkt. Dort habe die Preisdynamik trotz rekordtiefer Zinsen ein wenig nachgelassen. Doch die SNB bleibt wachsam. «Das Risiko, das vom Hypothekarmarkt auf die Finanzmarktstabilität ausgeht, ist etwas gesunken, aber immer noch gross,» gibt Zurbrügg zu Bedenken.
Mit den tiefen Zinsen kann sich auch der Staat billiger finanzieren. Das lädt ein zum Schulden machen. Doch Zurbrügg hält fest, dass die Neuverschuldung in den Industrieländern in den letzten Jahren trotz tiefer Zinsen tendenziell abgenommen habe.
Zinsentscheid Mitte Dezember
«Wir fühlen uns mit unserer Geldpolitik wohl», lautet die Kernaussage der Präsentation. Nichts Neues unter der Sonne also. Der nächste geldpolitische Lagebeurteilung findet Mitte Dezember statt, eine Woche nach der geldpolitischen Sitzung der Europäischen Zentralbank. Es ist davon auszugehen, dass beide Zentralbanken an der aktuellen Geldpolitik festhalten werden.
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