Wer jetzt noch ein Immobilienportfolio aufbaue, gehe ein grösseres Wagnis ein, sagt Ernst Schaufelberger, Leiter Immobilien von Axa Investment Managers.
Herr Schaufelberger, vor fünfzehn Jahren waren weniger als 10% der Pensionskassenvermögen in Immobilien investiert. Heute sind es fast 25%. Ist das sinnvoll bei den stark gestiegenen Preisen?
Ein Teil des Anstiegs geht auf Wertsteigerungen und Wertminderungen anderer Anlagen zurück. Langfristig rentieren Obligationen am niedrigsten, Aktien am höchsten, und irgendwo sind Immobilien. Eine Quote von 20 bis 25% ist für eine Pensionskasse eine gute Durchmischung und absolut gerechtfertigt. Entscheidend ist die Frage, wann investiert worden ist, ob erst in den letzten Jahren oder ob das Immobilienvermögen über eine lange Zeit gewachsen ist. Letzteres ergibt eine ausgewogenere Rendite, als wenn das Portfolio erst kürzlich entstanden ist.
Von null auf hundert – ein Spiel mit dem Feuer?
Sofern die Zinsen noch lange niedrig bleiben, ist ein neu geschaffenes Immobilienportfolio kein grosses Risiko. Aber die Zinsen werden eher wieder steigen als fallen. Dann kann bei Neueinsteigern der Abschreibungsbedarf beträchtlich sein.
Wie hoch ist der Immobilienanteil von Axa (CS 23.995 1.01%) Schweiz?
Je nach Segment ist der Anteil unterschiedlich. Im gesamten Versicherungsportfolio, das einen hohen Anteil an Nichtlebenversicherungen aufweist, sind es 12%, bei den Vorsorgegeldern, die eine längere Fristigkeit haben, rund 16%. Total (FP 45.565 0.07%) beläuft sich das Immobilienportfolio von Axa in der Schweiz auf 14 Mrd. Fr. – alles schuldenfrei.
Weichen Sie zur besseren Diversifikation und Rendite auch ins Ausland aus?
Nur sehr beschränkt. Auslandinvestments bessern unter Umständen die Rendite etwas auf. Aber wir ziehen Anlagen vor, die zum gebundenen Vermögen und damit den Versicherten gehören. Ausländische Immobilien sind aus rechtlichen Gründen davon ausgeschlossen. Das gebundene Vermögen ist für die Versicherten reserviert und fällt bei einer Insolvenz der Versicherung nicht in die Konkursmasse.
Wer sind die Käufer, die treibenden Kräfte für den Preisanstieg am Wohnungsmarkt, der sich gemäss dem UBS-Bubble-Index schon seit einiger Zeit in der Risikozone befindet?
Der UBS-Bubble-Index deckt den Eigenheimmarkt ab. Wir sprechen hier vom Anlagemarkt. Früher investierten Private häufig in Mehrfamilienhäuser, auch «Zahnarztblock» genannt, mit Werten von 3 bis 5 Mio. Fr. Heute kaufen sie immer mehr auch Mehrfamilienhäuser bis zu 10 Mio. Fr. In Preiskategorien darüber sind Pensionskassen sehr aktiv. Auch sie investieren aus Mangel an Alternativen. Ein Nettoertrag von 2 bis 3% ist immer noch attraktiver als eine Obligationenrendite, sofern man langfristig denkt und das Geld binden kann.
Mit welcher Zielrendite rechnen Sie?
Unser Portfolio rentiert zurzeit netto gut 3,8% – weil wir seit langem Käufer sind und noch günstig eingestiegen sind. Bei einem so grossen Immobilienvermögen, wie wir es besitzen, schlägt es zudem weniger zu Buche, ob man neu zu einer Nettorendite von 3 oder von 2,5% investiert. Ein neues Portfolio ist für einen Zinsanstieg viel anfälliger.
Dafür gehen bei einem Zinsanstieg in der Regel die Mieten nach oben. Wie weit kompensiert das allfällige Wertkorrekturen?
Diese Rechnung kann, aber muss nicht aufgehen. Ich würde meinen, dass bei einer Zinssteigerung das Thema Wertminderung stärker durchschlägt.
Was können Investoren gegen einen Wertverlust vorkehren?
Nicht der Herde folgen respektive nur kaufen, wenn das Gesamtpaket einer Liegenschaft stimmt, also Lage, Preis, Wohnungstypologie, Architektur, Erschliessung. Seit einigen Jahren wenden wir uns verstärkt der Schaffung von Mehrwert im Eigenbestand zu, realisierten zum Beispiel die Grossüberbauung im Zürcher Zollfreilager, bauten in Winterthur für die Stadt und uns ein grosses Verwaltungsgebäude. Wir kauften vor Jahren die Liegenschaft am Bahnhof Stadelhofen mit dem Café Mandarin, wo wir einen markanten Neubau des spanisch-schweizerischen Architekten Santiago Calatrava planen. In Chur realisierten wir eine Wohnüberbauung mit integrierter Kletterhalle, und wir beginnen in diesen Tagen am Bahnhof mit dem Ersatzbau an der Stelle des ehemaligen Globus. Wir wachsen also vor allem mit Umnutzungen und Sanierungen. Mit Käufen halten wir uns zurück.
Wie attraktiv ist diese Strategie?
Überbauungen werden für die nächsten fünfzig Jahre fit gemacht. Das sind hoch spannende Sanierungsprojekte, die sich sowohl ökologisch wie auch wirtschaftlich auszahlen. Zugegeben, es braucht etwas Mut, sich antizyklisch zu verhalten. Wenn das Kaufinteresse nachlässt und die Preise sinken, kaufen wir wieder.
Ist Waldbesitz eine Alternative?
In der Schweiz ist Wald als Kapitalanlage kein Geschäft oder ist den Land- und Forstwirten vorbehalten. Aber tatsächlich besitzt die Axa-Gruppe Hunderte Hektar Wald im Norden von Europa, in den Karpaten und in Frankreich. Wald produziert gesunde Luft, und Holz kommt als erneuerbarer Rohstoff und Energieträger zum Einsatz.
Ist die Schweiz bald zugebaut?
Die Gefahr ist real, dass unser Land zugebaut wird. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir mit Landreserven sehr sorgsam umgehen müssen. Das Thema ist in den Köpfen angekommen, wobei nicht nur die Politik, sondern genauso Wirtschaft und Bevölkerung in der Verantwortung stehen.
Richtig bauen, was heisst das?
Bauen und sanieren an Orten, die gut erschlossen und mit der nötigen Infrastruktur versehen sind – Schulen, Einkaufs-, Transportmöglichkeiten und so weiter. Vier Fünftel des Bevölkerungswachstums entfallen auf Städte und die Agglomeration. Darauf muss sich der Fokus richten. Und richtig bauen heisst unter anderem: bezahlbarer Wohnraum, sozial durchmischte Überbauungen, adäquate Wohnungsgrössen – Anzahl Zimmer (ZBH 125.17 0.66%) und Fläche –, guter Grundriss, Fazilitäten für die Berufsarbeit, Stichwort Home Office, einplanen und realisieren.
Wie gehen Sie vor, wenn Einsprachen, ob berechtigt oder nicht, das Bauen verhindern oder verzögern?
Einspracherechte gehören zur Demokratie, die ich voll und ganz unterstütze. Selbstverständlich gibt es Leute, die ihr Einspracherecht überstrapazieren. Aber das sind Einzelfälle. Insgesamt geht die Anzahl Einsprachen – was unsere Projekte betrifft – zurück. In den meisten nachbarrechtlichen Fällen finden wir eine gemeinsame Lösung. Politisch motivierte Rechtsmittel sind schwieriger zu behandeln, da wird es oft fundamentalistisch. Uns hält man zugute, dass wir nicht den kurzfristigen Profit suchen, sondern langfristig investieren. Das macht es einfacher, zu einem einvernehmlichen Resultat zu kommen.
Wie weit drückt der Bauboom Mieten und Rendite?
Steigendes Angebot durch Neubauten und stagnierende oder sinkende Nachfrage nach Raum – da sind wir mitten drin. Deshalb sind Überbauungen aus einer Hand und aus einem Guss die effizienteste, um nicht zu sagen die einzige Art, um noch Mehrwert fürs Portfolio zu schaffen. Wer an hundert verschiedenen Standorten baut, verzettelt sich und verbrennt Geld. Auch städtebaulich ist es ein Vorteil, wenn ein kapitalkräftiger Investor ein Projekt umsetzt. Selbstverständlich sind die für eine effektive Qualitätssicherung nötigen Massnahmen zu treffen. Dann gelingt es, überdurchschnittliche oder sehr gute Lösungen zu finden und zu realisieren. Das ist besonders bei Verdichtungen wichtig. Häufig sind mehrere Eigentümer involviert, deren gegenläufige Interessen es zu überwinden gilt.
Wie entwickelt sich die Vermietung?
Früher waren Wohnungen mit einer Monatsmiete über 5000 Fr. schwierig abzusetzen. Diese Schwelle ist auf 3500 bis 4000 Fr. gesunken, was aber noch nicht die Talsohle sein dürfte. Die Neuvermietung wie auch die Suche nach Folgemietern sind aufwendiger geworden.
Trotzdem wird weiter rege gebaut.
Weil immer noch viele Projekte laufen und alle Investoren glauben, sie hätten das bessere Objekt als die anderen.
Stehen Nachfrage und Preise noch in einem vernünftigen Verhältnis?
Die rückläufige Nachfrage und die steigende Produktion führen zu sinkenden Preisen und Erträgen. Fremdfinanzierte Eigentümer sind auf Einkommen angewiesen; allein Potenzial in die Bewertung einzubauen, reicht nicht. Für Immobilienbesitzer, die ohne Fremdkapital operieren, stellt sich das Problem vorerst nicht oder abgeschwächt. Allerdings kann ein schweizerischer Investor kaum auf lange Zeit auf Ertrag verzichten. Und bei einem allenfalls anstehenden Verkauf spielt der Cashflow eine zentrale Rolle bei der Bewertung.
Sanfte oder harte Landung: Worauf läuft die Preisentwicklung hinaus?
Die Frage ist offen. Gegenwärtig scheint es eher auf eine sanfte Landung hinzudeuten. Bei Büro- und Detailhandelsflächen ist schon länger ein Abwärtstrend zu spüren, im Wohnungsbau sinkt die Nachfrage in der Peripherie. Wöchentlich erhalten wir bis zu fünfzehn Projektanfragen, meistens Vorhaben für Stockwerkeigentum, die gescheitert sind und nun als Mietwohnungen realisiert werden sollen. Mehrheitlich sind unsere Entscheide negativ.
Was spricht für ein Soft Landing, was nicht?
Solange die Banken die Finanzierung sichern und damit rechnen können, dass die Schuldner die vereinbarten Zinsen auch zahlen, ist ein Crash wenig wahrscheinlich. Die Zinsen sind niedrig, der Anlagenotstand ist gross, und manche hoffen auf eine Lockerung der Kreditvergabe, wie es etwa die Raiffeisenbank fordert. Einen ähnlichen Vorstoss, der auch umgesetzt wurde, gab es in den Neunzigerjahren: das Modell der Bundeshilfe für Wohneigentum, das darauf vertraute, dass Mietzinsen, Immobilienpreise und Sicherheiten immer höher steigen würden. Als die Wende kam, wurden die Subventionen respektive Vorauszahlungen zu Verlusten. Der Bund musste sie mit einer Art Bad Bank respektive einer verstaatlichten Immobiliengesellschaft auffangen.
Gibt es Parallelen zu damals?
In Teilen ja, etwa im Crowdhousing, das ausserhalb des Bankensystems läuft. Private finden sich auf der Suche nach Rendite zusammen und finanzieren als Miteigentümer Immobilien. Oft sind es Objekte an peripherer Lage, was die Aussicht auf nachhaltige Mieteinnahmen schmälert. Es erinnert an den Berner Bauunternehmer Viktor Kleinert, der Ende der Achtzigerjahre viele Pensionskassen für Miteigentümergemeinschaften begeisterte. Dabei muss man wissen, dass gewöhnliches Miteigentum kaum handelbar und der Ausstieg sehr schwierig ist.
Bei Banken gilt für die Immobilienfinanzierung immer noch eine Kostentragbarkeit von 5%.
Das ist vernünftig. Wegen der Geldschwemme ist die Risikokalkulation erschwert, was zur Vorsicht mahnt. Das vermittelt ja auch die Nationalbank. Ich halte es beispielsweise für fragwürdig, wenn Pensionskassen im Hypothekargeschäft kräftig mittun, ohne über das entsprechende Fachwissen zu verfügen.
Sind Immobilienanlagen für Privatinvestoren noch attraktiv?
Ja, Immobilien wirken als Stabilisator im Portfolio, weil sie eine Langfristanlage sind. Ob direkt oder indirekt, hängt von der Grösse des Investments ab. Kann ich es verkraften, wenn ein Mieter ausfällt, und wie lange? Wie hoch ist bei schlechter Verkehrsanbindung das Leerstandrisiko? Solche Fragen muss man dringend prüfen. Wenn ich als Privatperson 50 000 Fr. in Immobilien investieren möchte, würde ich einen Fonds wählen – diversifiziert und mit professionellem Management.
Was ist Ihre Zinsprognose, der Dreh- und Angelpunkt am Immobilienmarkt, wie auch dieses Gespräch zeigt?
Einen kräftigen Anstieg erwarte ich nicht. Die Zinsen werden auch in zwei Jahren noch niedrig sein, aber wohl höher als heute.
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