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15:20 Uhr - 08.12.2017

«Entwickeln uns zum Industrieunternehmen»

Suzanne Thoma, CEO des Stromkonzerns BKW, will 2018 weiter akquirieren – tendenziell grössere Objekte. Alpiqs Gebäudetechnik ist ihr aber zu gross.

Die Aktivitäten des halbstaatlichen Versorgers BKW (BKW 57.4 0.61%) im Bereich Energiedienstleistungen sorgen nicht nur im Kanton Bern für Wirbel. Erst Ende November schrieb der Kanton Bern zudem seinen Anteil von mindestens 51% am Unternehmen fest. Suzanne Thoma spricht mit «Finanz und Wirtschaft» über die Kritik an ihrer Übernahmestrategie und legt dar, welche Effekte mittelfristig auf Umsatz und Betriebsgewinn wirken.

Frau Thoma, die Mehrheit des Kantons Bern an BKW ist nun gesetzlich festgeschrieben. Hoffnungen auf mehr Streubesitz und Flexibilität haben sich zerschlagen. Was nun?
Wir haben heute fast 48% Streubesitz, daran wird sich jetzt nichts ändern. Ich sehe das aber auch positiv. Nämlich so, dass sich der Kanton Bern als Aktionär dermassen verbunden mit einem Unternehmen fühlt, dass er sich langfristig verpflichtet. Wir haben die Transformation der BKW mit der heutigen Aktionärsstruktur schon weit vorangetrieben und werden so weiterfahren.

Der Konflikt mit kleinen und mittleren Unternehmen im Kanton Bern, die sich an der Übernahmetätigkeit der BKW im Bereich Gebäudetechnik stören, dauert damit an. Gibt es eine Lösung?
Bei weitem nicht alle stören sich. Es sind mehr die Verbände. Vielleicht hat ihre Haltung mit den veränderten Kundenbedürfnissen und neuen technologischen Möglichkeiten zu tun. Der unternehmerische Ansatz der BKW baut auf diesen Veränderungen auf. Jedenfalls räumen auch KMU Bern und andere Kritiker inzwischen ein, dass das, was wir tun, absolut legal ist. Zielführender wäre es in unseren Augen, wenn sich die Branchenverbände auf die Frage konzentrieren würden, wie ihre Mitgliederfirmen aus den schnellen Veränderungen für sich und ihre Kunden Nutzen ziehen können.

BKW soll sich mit Kampfpreisen erfolgreich um Aufträge der öffentlichen Hand bewerben. Nicht nur im Kanton Bern, sondern auch in Zürich über Tochtergesellschaften.
Der Vorwurf trifft nicht zu. Wir wollen mit Gebäudedienstleistungen schliesslich Geld verdienen. Tatsache ist, BKW ist aufgrund ihres Angebots und ihrer Kompetenzen sehr erfolgreich in dem, was sie tut. Wenn wir das nicht wären, hätten wir wohl auch viel weniger Opposition.

Und was ist mit dem Vorwurf, BKW verzerre die Preise für Akquisitionen im Sektor?
Die Verkaufspreise sind nicht öffentlich – da werden Behauptungen aufgestellt. In unseren Geschäftsberichten legen wir wie vorgeschrieben dar, was inklusive gewinnabhängiger Nachzahlungen für die Übernahmen über mehrere Jahre maximal anfallen könnte. Wir akquirieren im Wettbewerb mit anderen Akteuren und können bei weitem nicht jede Gesellschaft kaufen, die wir interessant finden. Das zeigt, dass wir keine überhöhten Preise zahlen.

Abgesehen davon – was beschäftigt Sie als BKW-Chefin derzeit am meisten?
Die mit Abstand grössten Herausforderungen für BKW ist es, die Stromkrise zu meistern, den preisbedingten Umsatzverlust einzudämmen und das Energiegeschäft neu zu positionieren. Wir verlieren jedes Jahr bei gleichem Stromabsatz rund 100 Mio. Fr. Umsatz. Ohne Gegenmassnahmen übersetzt sich das in 100 Mio. Fr. weniger Betriebsgewinn. Das haben wir bisher mit Einsparungen, mit einer Neupositionierung des Handels, mit dem Ausbau des Geschäfts mit erneuerbaren Energien und mit der Entwicklung des Dienstleistungsgeschäfts Jahr für Jahr mindestens kompensiert.

Wo muss BKW effizienter werden?
Wir haben bereits massiv Kosten reduziert, aber noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Wir können zum Beispiel in der Administration und in der Bewirtschaftung der Kraftwerke noch effizienter werden.

In welchem Umfang?
Wir wollen auch in den nächsten Jahren jeweils einen tieferen zweistelligen Millionenbetrag einsparen.

Können Sie Umsatz und Gewinn in den nächsten Jahren nachhaltig steigern?
Wenn BKW in den vergangenen sechs Jahren nichts gemacht hätte, hätten wir statt circa 300 Mio. Fr. Betriebsgewinn circa 300 Mio. Fr. Betriebsverlust. Es wird eine Riesenleistung sein, den aktuellen Betriebsgewinn durch die Stromkrise zu retten. Ein gewisses Steigerungspotenzial gibt es allerdings schon.

Aktuell zeichnet sich am Terminmarkt für Elektrizität eine leichte Erholung ab. Wann wird das in der Erfolgsrechnung sichtbar?
Im Stromgeschäft wird das Jahr 2020 besser sein als das Jahr 2019, wir reden allerdings weiterhin von einem sehr tiefen Niveau.

Die volle Marktöffnung im Stromsektor steht aus – wie sieht Ihre Planung aus?
Wie sich der politische Prozess zur Marktöffnung entwickelt, ist schwierig zu sagen. Es gibt die verschiedensten Interessen und eine generelle Skepsis gegen mehr Liberalisierung. BKW bereitet sich in jedem Fall auf die Marktöffnung vor.

Sie haben intern sicher einen genaueren Zeitplan. Wann wollen Sie parat sein?
Für das Jahr 2021 – das ist eine Annahme.

Wie kompetitiv ist BKW im Stromgeschäft?
Es ist wichtig, zwischen der Stromproduktion und der Belieferung von Kunden zu unterscheiden. Wir sind sicher kompetitiv im Beschaffen und im Vertreiben von Energie. Wenn die Strommarktöffnung käme, hätten wir plötzlich neunmal mehr potenzielle Kunden und damit eine gute Ausgangslage. Ob das für unsere eigenen Kraftwerke gut oder schlecht ist, hängt davon ab, wie sich der Strompreis entwickelt. Gemessen am aktuellen Niveau im Stromhandel wäre eine volle Öffnung für die Rentabilität unserer Kraftwerke etwas schlechter, wir könnten dies aber durch höhere Volumen ausgleichen.

Sie könnten aber auch gebundene Kunden verlieren – was würde das ausmachen?
Das Energiegeschäft mit gebundenen Kunden ist eher untergeordnet. Es macht etwa 20% des Stromverkaufs und rund 10% des Gruppenumsatzes aus – und etwa 5% des Betriebsgewinns.

Ist das Netzgeschäft die wahre Perle von BKW – es liefert zuverlässig regulierten Ertrag?
Das Netzgeschäft gleicht einem Immobiliengeschäft. Wir erhalten eine Verzinsung des investierten Kapitals von derzeit 3,84%, analog einer Immobilienrendite. Wir verdienen mit Energiedienstleistungen aber viel mehr, die Kapitalrentabilität ist drei- bis viermal so hoch wie im Netzgeschäft, wo sehr viel Kapital langfristig gebunden ist.

Wie stark kommen Ihnen bei Akquisitionen im Energiedienstleistungs- und Gebäudetechnikbereich andere Unternehmen in die Quere – etwa die Alpiq-Tochter Alpiq (Alpiq 63.7 1.27%) InTec, der Elektroinstallateur Burkhalter (BRKN 118.8 -0.17%) oder neu auch die Poenina-Gruppe?
Wir sind den meisten grösseren Gesellschaften bei mindestens einer Transaktion begegnet, haben teilweise auch gegen diese Unternehmen verloren. Das ist der Wettbewerb. Es gibt zehn bis zwölf spürbare Gruppen am Markt, Poenina (PNHO 55.9 1.64%) wird das Verhältnis aber nicht gross verändern.

Alpiq öffnet ihre Wachstumsfelder für Investoren, also Gebäudetechnik, Energieversorgungs- und Verkehrstechnik sowie Handel und Digitalaktivitäten – greift BKW zu?
Wir haben uns das Vorhaben angeschaut. Wenn alles am Stück veräussert würde, wäre das für BKW zu gross.

Und wenn einzelne Teile verkauft würden?
Auch der Gebäudetechnikbereich bei Alpiq ist für uns zu gross und würde als Ganzes nicht in unsere Strategie passen. Einer unserer Grundsätze lautet: Keine Transaktion von BKW sollte so gross sein, dass sie die Umsetzung der Strategie gefährden könnte.

Auch viele kleine Übernahmen beanspruchen Aufmerksamkeit. Wollen Sie 2018 in ähnlichem Umfang wie in den Vorjahren zukaufen?
Es wird ähnlich weitergehen, aber nicht in der Summe Akquisitionen, weil wir in der Tendenz eher zu den grösseren Unternehmen schauen.

Also (ALSN 133.6 0.38%) gibt es keine höhere Dividende?
Die Dividendenpolitik der BKW ist, zwischen 40 und 50% des Reingewinns an die Aktionäre auszuschütten. Das liegt aber in der Kompetenz des Verwaltungsrats. BKW bezahlt eine attraktive Dividende, zudem profitieren die Aktionäre auch von einer überdurchschnittlichen Kursentwicklung.

Was ist BKW – ein Versorger, ein Industrieunternehmen oder ein Gemisch? Denn danach richtet sich die Bewertung.
Wir entwickeln uns zum Industrieunternehmen. Nicht nur wegen des Geschäftsportfolios, auch wegen der Prozesse, wie wir agieren und Entscheide treffen.

Das klingt gut. Doch wo sind die Risiken?
Weiterhin ein grosses Risiko ist, dass sich die Investitionen in den Unterhalt der Produktionsinfrastruktur nicht lohnen. Allerdings stecken da auch die grössten Chancen. Ein grosses Risiko für unsere Kapitalrentabilität sind auch die Investitionen ins Netz. Regulierungsänderungen können die Werthaltigkeit in Frage stellen. Netz und Produktion machen mehr als die Hälfte der jährlichen Investitionen von rund 430 Mio. Fr. aus, der Rest geht in die Wachstumsbereiche der neuen erneuerbaren Energien und der Energiedienstleistungen.

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