Das Pharmaunternehmen verfehlt die Erwartungen. Nach den Lockdowns könnte es zu altem Wachstum zurückkehren.
Sinkende Umsatzzahlen ist Vifor Pharma (VIFN 116.25 -3.12%) nicht gewohnt. Doch im ersten Jahr der Pandemie musste das drittgrösste Schweizer Pharmaunternehmen einen Rückgang melden, zumindest in der Berichtswährung Schweizer Franken. Die Einnahmen sind 1,1% auf 1706 Mio. Fr. gesunken. Zu konstanten Wechselkursen resultierte immerhin ein Wachstum von 3,7%.
Die Verkäufe der Hauptprodukte wurden erheblich von den in den jeweiligen Ländern geltenden coronabedingten Massnahmen beeinflusst. Zu Beginn des zweiten Halbjahres zogen sie zügig an, im Einklang mit den wieder vermehrt durchgeführten nicht covid-19-relevanten medizinischen Behandlungen.
Im vierten Quartal musste Vifor dann erneut einen Rückgang hinnehmen, wenn auch deutlich weniger ausgeprägt als im zweiten Quartal. Exemplarisch hat CEO Stefan Schulze das am Mittwoch während der Präsentation der Jahreszahlen am intravenös verabreichten Eisenpräparat Ferinject gezeigt, für das Vifor zu Beginn des Jahres noch mit einem Plus von rund 20% budgetiert hatte.
Deutliches Minus für Mircera und Veltassa
Im ersten Quartal nahmen die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahresquartal noch 26% zu, dann kam ein Einbruch um 26%, gefolgt von einer Erholung um 16% und einem erneuten Rückgang um 2%. Am Ende der Achterbahnfahrt resultierte ein Umsatzrückgang von 1,6% auf 552 Mio. Fr. (+3% zu konstanten Wechselkursen). Ähnlich ist es dem am Umsatz gemessen ähnlich grossen Mircera gegangen, das chronisch nierenkranken Patienten mit Blutarmut verabreicht wird.
Der Umsatz dieses Medikaments wie auch des Kaliumbinders Veltassa schrumpfte zu konstanten Wechselkursen. In Franken waren es –8,6% für Mircera und –10,6% für Veltassa, das noch 118 Mio. Fr. einbrachte. Beide haben die Analystenerwartungen verfehlt. Der Markt habe sich klar unter den Erwartungen entwickelt, teilte Vifor mit.
Bessere Bedingungen erwartet
Im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft» sieht Schulze aber Licht am Horizont: «Wir erwarten, dass sich die Bedingungen für die Erstattung von Veltassa wieder zu unseren Gunsten verändern.» 90% des Umsatzes stammen aus den USA, wo der Listenpreis (Wholesaler acquisition costs) von Veltassa etwa ein Drittel höher ist als beim Konkurrenzprodukt. Schulze hat es nicht namentlich genannt, aber es muss sich um Lokelma von AstraZeneca handeln. Kostenträger hätten deshalb die Vergütung des Vifor-Präparats eingeschränkt.
Doch viele Ärzte setzten sich dafür ein, dass ihre Patienten Veltassa erhalten. Es bietet den Vorteil, dass es kein Salz enthält. Die Patientengruppen, die Veltassa in der Regel erhalten – solche mit Herzinsuffizienz und Nierenkranke –, sollten wenig Salz einnehmen. Der Entscheid liege bei den Ärzten.
Schon dieses Jahr werden für die Vergütung von Veltassa laut Schulze bessere Bedingungen herrschen. «Wir erwarten spätestens 2022 eine deutlich bessere Situation», betont er. Zentral sei auch die Studie an Patienten mit Herzinsuffizienz. Kann Veltassa kardiovaskuläre Vorfälle (etwa Herzinfarkte und Schlaganfälle) bei ihnen reduzieren, sollte das dem Absatz Schub verleihen. Die Resultate werden aufgrund der Verzögerung durch die Pandemie aber nicht bis Ende nächsten Jahres vorliegen. Schulze stellt eine Neueinschätzung der Lage Mitte Jahr in Aussicht.
Vorsichtige Vorgabe
Insgesamt rechnet Vifor erst ab der zweiten Hälfte mit einer Normalisierung. Das könnte konservativ sein, da sich in westlichen Ländern eine deutliche Reduktion der Einschränkungen spätestens im Mai und Juni abzeichnet. Die Vorgabe für das Gesamtjahr könnte also Raum für Erhöhungen im Verlauf des Jahres bieten. Sie lautet auf ein Umsatzwachstum zu konstanten Wechselkursen im tiefen bis mittleren einstelligen Prozentbereich und ein Wachstum des operativen Gewinns auf Stufe Ebitda im hohen einstelligen Bereich.
Im abgelaufenen Jahr hat der Ebitda mit +18,7% gemäss der von der Nachrichtenagentur AWP erhobenen durchschnittlichen Analystenschätzung in etwa im Rahmen der Erwartungen gelegen. Vifor rechnet zudem vor, dass die Steigerung zu konstanten Wechselkursen 29,4% betrug. Unter Ausklammerung eines Effekts im Vorjahr, der auf eine Änderung in der Rechnungslegung zurückzuführen war, resultierte gar ein Plus von 35,7% – wie in den besten alten Zeiten.
Mehr als doppelt so viel Gewinn dank Verkauf von OM
Unter dem Strich ist vor allem dank des Verkaufs von OM Pharma an eine Investorengruppe um den ehemaligen Executive Chairman Etienne Jornod mit knapp 360 Mio. Fr. mehr als doppelt so viel geblieben wie im Vorjahr. Zum guten Ergebnis haben auch Kosteneinsparungen und deutlich höhere «weitere Einnahmen» beigetragen (gute 96 Mio. im Vergleich mit 37 Mio. Fr.). Vorab- und Meilensteinzahlungen etwa für die Auslizenzierung von Ferinject und Veltassa ans Gemeinschaftsunternehmen mit Fresenius (FRE 35.28 -1.56%) Kabi in China liessen diese Position anschwellen.
Im laufenden Jahr ist noch keine Rückkehr zu den zweistelligen Wachstumsraten der Vergangenheit zu erwarten. Schreitet die Normalisierung mit abklingender Pandemie voran und werden zwei Produkte zugelassen, dann sieht es für einen Wachstumsschub 2022 ziemlich gut aus.
Zweistelliges Wachstum angestrebt
Avacopan gegen die seltene Autoimmunerkrankung ANCA-assoziierte Vaskulitis und Korsuva gegen starken Juckreiz, den viele Nierenkranke verspüren, sollten auch eher rasch in die Gänge kommen und nicht allzu hohe Lancierungskosten verursachen, wie Schulze erklärte. Der CEO blickt entsprechend optimistisch in die Zukunft: «Wir streben wieder zweistellige Wachstumsraten an», versichert er.
Trotz eher enttäuschenden Zahlen haben die Vifor-Aktien am Mittwoch nur wenig nachgegeben. Sie notieren 7% niedriger als vor einem Jahr. Angesichts des historisch günstigen Kurses und intakter Wachstumsprognose empfiehlt FuW die Papiere nach wie vor zum Kauf.
Die komplette Historie zu Vifor finden Sie hier.»
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