Die indische Wirtschaft erholt sich vom Bargeldschock. Nun könnten wichtige Reformen der Regierung für einen neuen Schub bei den Aktien sorgen.
Am 8. November wurden in Indien aus heiterem Himmel die grössten Banknoten für ungültig erklärt. Die massive Entwertung von 86% des Bargeldes hat das Wachstum der zuvor hochfliegenden indischen Wirtschaft scharf gebremst. Die Kurse an der Börse Mumbai sackten ab. Doch jüngste Trends zeigen, dass die drastische Massnahme den Boom nicht dauerhaft beendet hat.
Der Leitindex BSE Sensex (BSE Sensex 28155.56 -0.65%) ist seit dem 8. November rund 3% gestiegen. Die Landeswährung Rupie, die in den zwei Wochen nach der Bargeldreform deutlich an Aussenwert verloren hatte, konnte die Verluste mittlerweile weitgehend wettmachen.
Zwar hat der Internationale Währungsfonds Mitte Januar seine Wachstumsprognose für das bis Ende März dauernde Finanzjahr von 7,6 auf 6,6% korrigiert. Damit hat Indien die Auszeichnung als am schnellsten wachsende grosse Volkswirtschaft verloren.
Erholung erwartet
Doch nicht nur Ministerpräsident Narendra Modi glaubt, dass die Schwäche nur von kurzer Dauer sein wird. Auch die Ratingagentur Moody’s geht davon aus, dass die indische Wirtschaft bereits in der zweiten Jahreshälfte zur alten Stärke zurückfindet. «Indien wird 2017 eine der weltweit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften sein», heisst es in einer Einschätzung von Mitte Januar.
Besonders die nachlassende Inflation führt zu Optimismus. Dank fallender Nahrungspreise und moderater Rohstoffnotierungen ist die Konsumententeuerung auf 3,4% und damit unter das Inflationsziel der Notenbank von 4% gesunken. Das war allerdings auch eine Folge des Bargeldmangels wegen der Demonetisierung. Der Einzelhandel erlitt einen Einbruch beim Umsatz.
Obwohl die Reserve Bank of India den Leitzins zuletzt bei 6,25% belassen hat, gibt die niedrige Inflation nun Freiraum, den Zins in Zukunft zu senken. Zusammen mit zu erwartenden erfreulichen Konjunkturdaten dürfte das an der Börse Mumbai für gute Laune sorgen.
Reformen werden umgesetzt
Zusätzlich werden vom Parlament bereits beschlossene Wirtschaftsreformen im Verlauf des Jahres umgesetzt. Dazu gehört die landesweit vereinheitlichte Umsatzsteuer, die den indischen Binnenmarkt besser integriert. Ein Sieg von Modis Partei bei den Wahlen in Uttar Pradesh würde den Reformkurs festigen.
Voraussetzung für eine länger anhaltende Kursrally bieten nach Meinung von Analysten des US-Finanzhauses Morgan Stanley (MS 46.52 1.04%) die relativ tiefen Aktienbewertungen, die Aussicht auf steigende Dividenden und anstehende Unternehmenszusammenschlüsse. Damit dürften ausländische Investoren, die seit Anfang November für 3,8 Mrd. $ netto Anteilsscheine abgestossen haben, wieder vermehrt indische Aktien kaufen.
Die Kurse haben in den vergangenen zwölf Monaten vor allem von lokalen Investoren Auftrieb erhalten. Bis einschliesslich November 2016 sind insgesamt 448 Bio. Rupien (6,7 Mrd. $) in indische Anlagefonds geflossen. Der Sensex-Index tendiert gegenwärtig mehr als 10% über dem Stand von Anfang 2016.
Christopher Wood, Aktienstratege des Brokerhauses CLSA, empfiehlt indische Titel auch mit dem Verweis auf den grossen Binnenmarkt zum Kauf. Denn Indien ist besser gegen externe Schocks wie etwa Protektionismus geschützt als kleine, stark exportorientierte Schwellenländer.
Gestützt werden die Kurse auch durch den Staatshaushalt, der Mitte Januar von Finanzminister Arun Jaitley dem Parlament vorgelegt wurde. Die Regierung hat in ihrem Budget wachstumsfördernde Massnahmen angekündigt. Dazu gehören ein Investitionsprogramm in ländlichen Gebieten, die Beschleunigung des laufenden Infrastrukturprogramms und steuerliche Begünstigungen für kleine und mittelgrosse Unternehmen.
Zykliker sind attraktiv
All diese positiven Entwicklungen haben besonders Titeln indischer Zementproduzenten wie etwa ACC Limited Auftrieb gegeben. Deutlich zugelegt haben auch die Aktien des auf Hypothekenvergabe spezialisierten Finanzhauses HDFC. Andere attraktive Sektoren bleiben nach Meinung der CLSA-Analysten der zyklische Konsum und Telecom.
Morgan Stanley erwartet, dass der Sensex-Index, der momentan bei rund 28 300 Punkten steht, bis Ende Jahr auf 30 000 Zähler steigen könnte. Das setzt allerdings voraus, dass es keine neuen Stolpersteine für die Kursentwicklung gibt.
So könnten schnell steigende Rohstoffpreise zu einem neuen Inflationsschub führen. Die guten Erwartungen für die Unternehmensgewinne könnten sich nicht bewahrheiten. Und falls weltweit hohe protektionistische Schranken aufgebaut würden, hätte das auch für die indische Wirtschaft negative Folgen.
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