Eleanor Taylor Jolidon, Fondsmanagerin bei Union Bancaire Privée, sieht Kaufchancen in verschiedenen Schweizer Industrie- und Medizinaltechnologiewerten.
Es ist aussergewöhnlich, dass der SMI (SMI 7880.93 -0.15%) dieses Jahr schlechter performt als der MSCI World sowie die amerikanischen Indizes. Diese lassen sich gut mit dem Schweizer Leitindex vergleichen, da hiesige Grosskonzerne sehr global aufgestellt sind. Es sind vor allem die Kursverluste der Pharmaunternehmen, die den SMI nach unten ziehen. Ich sehe durchaus Potenzial für eine Erholungsbewegung.
Eleanor TaylorEine Weihnachtsrally?
Das klingt mir zu optimistisch. Ein paar Prozente liegen aber drin. Die Bewertungen der SMI-Titel sind nicht übertrieben.
Sollen Anleger jetzt einsteigen?
Jetzt dürfte es noch ein wenig zu früh sein. Ich rechne damit, dass die Märkte unbeständig bleiben, bis die US-Präsidentschaftswahl vorüber ist. Danach rücken die Erwartungen für 2017 in den Fokus. Die Gewinnschätzungen für das kommende Jahr erachte ich als vernünftig für den Schweizer Markt.
Seit Anfang 2014 tritt der SMI auf der Stelle, der Nebenwerteindex hat 33% gewonnen. Überrascht Sie diese Diskrepanz?
Ich mag mich nicht erinnern, je eine solche Differenz gesehen zu haben. Allerdings ist sie durchaus gerechtfertigt. Ab 2011 wurden Nebenwerte mit einem Abschlag gehandelt. Die Angst, dass der starke Franken sich vor allem in den Ergebnissen kleinerer Unternehmen niederschlagen könnte, war gross. Heute zeigt sich, dass diese Angst unbegründet war. Deshalb ist dieser Bewertungsabschlag zum Leitindex in den vergangenen ein, zwei Jahren aufgeholt worden.
Der SMI hat 2016 mehr verloren als der zyklischere Dax (DAX 10682.62 -0.25%). Hat der Schweizer Leitindex seine defensiven Qualitäten eingebüsst?
Im Gegenteil, der Markt gewinnt laufend an Defensive. Solange die Bankwerte weiter an Kapitalisierung und damit auch an Gewicht im Index verlieren, stärkt dies die Robustheit des SMI. Aktien mit defensiven Qualitäten bleiben weltweit gefragt. Deshalb lässt sich bei Nestlé (NESN 72.8 0.76%) das Kurs-Gewinn-Verhältnis in den tiefen 20ern trotz geringem Wachstum rechtfertigen. Die Pharmawerte litten dieses Jahr vor allem unter nicht hausgemachten Problemen wie der politischen Situation in den USA. Daher bin ich zuversichtlich, dass sie sich von den Verlusten erholen werden.
In Ihrem Fonds halten Sie Roche (ROG 228.5 0.88%) und Novartis (NOVN 71.2 0%). Waren Sie zu optimistisch?
Gegenüber dem Index sind beide Titel im Fonds UBP Swiss Equities untergewichtet. Aber klar: Die Performance von Roche enttäuscht mich. Meiner Meinung nach hat das Unternehmen gute Arbeit geleistet. Zwei Dinge lasten auf Roche: zum einen die Ungewissheit über den Ausgang der wichtigen Aphinity-Studie, die für das vierte Quartal oder das erste Quartal 2017 erwartet wird. Sie gibt Aufschluss, ob Roche ein noch besseres Nachfolgeprodukt für den Blockbuster Herceptin liefern kann. Dazu kommt der geplante Verkauf der Novartis-Beteiligung an Roche.
Ihre Einschätzung zu Novartis?
Novartis ist noch eine Weile mit dem Problemkind Alcon beschäftigt. Die Produktpipeline ist dünner als bei Roche und die Konkurrenz bei wichtigen Medikamenten wie Gilenya grösser. Ich habe den Eindruck, dass das Management von Novartis mehr auf Marketing fokussiert ist. Roche hingegen konzentriert sich mehr auf die eigentliche Forschung.
Auch Finanzvaloren sind schwach. Ein Fall für Contrarians?
Ich denke, nein. Die tiefen Zinsen belasten den Finanzbereich – nicht nur die Banken, sondern auch die Versicherer. Bei den Banken kommen zur flachen Zinskurve das Fehlen von Wachstum und hängige Rechtsverfahren hinzu. Solange dies andauert, werden sie kaum bessere Ergebnisse liefern und daher Mühe haben, ihr Dividendenversprechen zu halten.
Also (ALSN 91.45 0.27%) kein Kauf?
Sowohl für die beiden Universalbanken als auch für kleinere Schweizer Banken dauert es noch länger, bis die Aussichten wieder besser werden. Ich halte lediglich eine kleine Position in UBS (UBSG 13.69 -0.07%), bei Julius Bär (BAER 40.16 -0.07%) und Credit Suisse (CSGN 13.79 -0.07%) bin ich nicht investiert.
Noch im Sommer 2015 waren Sie vom neuen CS-Chef Tidjane Thiam begeistert.
Ich hatte gehofft, dass Tidjane Thiam die von ihm erwartete Restrukturierung schneller umsetzt. Nach seiner Nominierung als CEO stockte ich die CS-Position auf. Die Wende kam mit dem Capital Markets Day im September 2015, als sich abzeichnete, dass die Restrukturierung weniger ambitiös ausfällt als ursprünglich geplant. Wir begannen, Credit-Suisse-Aktien zu verkaufen, seit Mai 2016 besitzen wir gar keine mehr.
Bieten Versicherungstitel eine Alternative?
Die Versicherer weisen solidere Bilanzen auf. Das ermöglicht ihnen, eine höhere Dividendenrendite oder gar einen Aktienrückkauf anzubieten. Hier fokussieren wir uns mehr auf die Valoren, die ein stabiles Dividendenwachstum aufweisen, als auf solche, die bereits grosszügig sind. Zurich Insurance (ZURN 259.4 -0.08%) ist deshalb nicht auf unserem Radar. Ich ziehe Titel wie Swiss Life (SLHN 258.3 -0.08%) oder Baloise (BALN 121.3 0.5%) vor, die ihre Ausschüttung noch erhöhen können.
Eine Ihrer grössten Positionen im Fonds ist ein Finanztitel. Weshalb Partners Group (PGHN 497.5 -0.6%)?
Sie ist eine sehr gut geführte Gesellschaft und eine grosse Ausnahme im Finanzbereich. Bei Partners Group hat dieses Jahr die Entwicklung der Performance Fees positiv überrascht. Wir hatten erwartet, dass die Anlagen von Partners Group ab einem gewissen Zeitpunkt in 2016/2017 performanceabhängige Gebühren abwerfen, und haben aus diesem Grund Anfang Jahr unsere Position erhöht. Die Wachstums- und Investitionsmöglichkeiten im Private-Equity-Bereich sind vielfältig, und der Zufluss der Investorengelder hält an. Wir sind seit dem Börsengang bei Partners Group dabei. Derzeit sind sie eine unserer grössten Übergewichtungen.
Kann man die Aktie noch kaufen?
Wer mittel- und langfristig orientiert ist, kann durchaus noch Partners-Group-Papiere kaufen. Es ist gut möglich, dass potenzielle Kursschwankungen in der Endphase des US-Wahlkampfs günstigere Einstiegsgelegenheiten bieten werden, doch dies ist einer der besten Qualitätstitel in der Schweiz. Zudem ist ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25 bei dem Wachstum nicht wirklich hoch.
Luxusgütervaloren haben sich deutlich erholt. Liegen die Tiefst hinter uns?
Die Erholung ist vor allem auf das Decken von Leerverkaufspositionen zurückzuführen, was nach den überraschend guten Zahlen von LVMH (MC 182.6 0.22%) noch akzentuiert wurde. Ich bin aber nicht bereit, auf heutigem Niveau Aktien wie Swatch Group (UHR 306.9 -1.1%) oder Richemont (CFR 64.8 -1.37%) zu kaufen, denn wer sich die Zahlen von LVMH genau anschaut, merkt, dass die Probleme im Bereich Uhren noch nicht gelöst sind. In den kommenden Monaten sind weitere Enttäuschungen möglich. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Kurse nochmals unter Druck kommen. Bei Swatch Group würde ich mir einen Einstieg bei einem Kurs von 225 Fr. überlegen.
Wo sehen Sie Kaufchancen?
Roche überzeugt mich nach wie vor. Kaufkandidaten sehe ich auch bei den Industriewerten wie zum Beispiel ABB (ABBN 20.53 -6.68%). Die Kurserholung hat erst angefangen. Die Schwellenländer erholen sich, das kommt ABB zugute. Geberit (GEBN 418.8 -0.48%) dürfte vom Aufwind in der europäischen Bauindustrie profitieren. Anders als bei den Banken wirken tiefe Zinsen bei Industrietiteln über niedrigere Finanzierungskosten unterstützend. Dank der moderaten Inflation erhöht sich zudem die Planungssicherheit für Investitionen.
Sehen Sie noch weitere interessante Titel?
Georg Fischer (FI-N 857.5 -0.87%) sowie Feintool (FTON 118.9 0.59%) und Komax (KOMN 235.1 -1.3%) sind interessant. Der Börsenneuling VAT gefällt uns ebenfalls. Ich investiere auch wieder vermehrt in Technologiewerte wie zuletzt in den Chiphersteller AMS (AMS 27.55 2.99%). Die Auslieferung des iPhone 7 sollte dem Kurs auf die Beine helfen. Zudem hatte Konkurrent Dialog Semiconductor gute Zahlen präsentiert, und ich erwarte eine ähnliche Entwicklung bei AMS. Medtech-Valoren bleiben dank ihres attraktiven Wachstums ebenfalls interessant. Straumann (STMN 374.25 -2.67%) ist traditionell hoch bewertet, bietet dafür aber hohes Wachstum und Profitabilität. Bei Sonova (SOON 133.7 0.53%) eröffnet der Zukauf von Audionova neue Möglichkeiten.
Was erwarten Sie von der Schweizer Börse im nächsten Jahr?
Die Gewinnprognosen sind positiv. Ich erwarte 6 bis 7% Gewinnwachstum. Zusammen mit einer Dividendenrendite von rund 3,5% würde für Anleger eine Gesamtrendite von 10% drinliegen.
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