Zurück zur Übersicht
13:21 Uhr - 17.09.2018

Michael O’Leary: Ein endloser Kämpfer für günstige Flüge

Der Chef der Billigfluglinie Ryanair nimmt lieber Pilotenstreiks in Kauf, als von seinem Discount-Konzept abzuweichen. Er sieht sich ohnehin meist als Sieger.

Gelassen sitzt Michael O’Leary am Tisch und nippt an seiner Tasse Kaffee (Kaffee 131.705 0.04%). Immer wieder verzieht er sein Gesicht zu Grimassen, bevor er seine Muskeln wieder lockert. Eine Fragerunde mit Journalisten steht an, sie werden ihn zu den anhaltenden Pilotenstreiks löchern wollen. Der Chef der Billigfluglinie Ryanair (RYA 13.515 0.04%) ist es gewohnt, den Kopf hinhalten zu müssen.

Und er weiss um seine eigene Schlagfertigkeit. Er scheut sich nicht davor, Kraftausdrücke zu verwenden. Was ihm nicht passt, ist «Bullshit» oder «Nonsense». So akkurat er Zahlen und Fakten zum Airline-Business herunterleiern kann, so direkt ist seine Sprache.

Seit längerer Zeit bekundet Ryanair Probleme mit seinen Piloten. 2017 mussten Tausende Flüge annulliert werden, weil Ryanair zu wenig Piloten rekrutiert hatte. Nun zeigen sich die Herren der Lüfte aufmüpfig. Quer durch Europa legen sie ihre Arbeit nieder – von Irland über Italien bis nach Deutschland, wo Mitte dieser Woche ein Teil der Piloten in den Ausstand getreten ist. «Hat Ryanair ein Problem mit dem Personal?», fragt einer der Journalisten.

Wieder greift O’Leary zu seinem «Nonsense». «Würden bei uns 11 000 Piloten arbeiten, wenn unsere Arbeitsbedingungen so schlecht wären?», fragt O’Leary zurück. Und zu den andauernden Arbeitsniederlegungen sagt er bloss: «Wenn jemand streiken will, sag ich ihm bloss: Los, streik doch.» Er fände immer einen Weg, um einen Grossteil der Flüge aufrechtzuerhalten.

Der 57-jährige Ire sieht sich als Robin Hood der Flugindustrie. «Wir wollen den Leuten das zurückgeben, was andere Airlines ihnen vorenthalten», sagte er einst in einem Interview. Damit meint er günstige Flugtarife, die auch weniger bemittelten Bevölkerungsschichten Mobilität in der Luft erlaubt. 39 € kostet durchschnittlich ein Ticket bei der irischen Airline, bei den etablierten ist es vier- bis fünfmal so viel.

«Früher reisten die Jungen mit Interrail in Europa herum, heute wählen sie uns», sagt O’Leary. Wieder lächelt er spitzbübisch in seinem aufgeknöpften hellblauen Karohemd. Andere wiederum bezeichnen ihn als Enfant terrible der Airline-Branche. Sein Auftritt oszilliert stets zwischen Souveränität und Arroganz.

Das wiederum kontrastiert mit seiner Herkunft. Er stammt aus eher bescheidenen Verhältnissen. Aufgewachsen ist O’Leary als Sohn einer Bauernfamilie in einem kleinen Kaff in der Provinz Leinster, eine Autostunde westlich von Dublin. Noch heute lebt er dort auf seinem Gutshof zusammen mit seiner Frau Anita, einer früheren Bankerin, vier Kindern im Teenageralter und seinen Rennpferden. Für die Tiere interessiert sich O’Leary, «weil es ausser Springreiten in Irland während des Winters kaum etwas zu tun gibt», wie er mal gegenüber der «Financial Times» sagte.

Seit 25 Jahren steht Michael O’Leary an der Spitze von Ryanair. 1993 war er von Gründer und Namensgeber Tony Ryan an die Spitze befördert worden. Damit ist O’Leary nicht nur in Europa, sondern auch weltweit einer der dienstältesten Airline-Chefs. Eine lange Zeit, in der er sich einige Feindbilder aufgebaut hat. Die Gewerkschaften sind nur eines. Ein Beispiel? Als die irischen Piloten den Streik ausriefen, reagierte der Ryanair-Chef auf seine Weise. Er kündigte an, Flugzeuge von Irland nach Polen zu verlagern, was zu einem Jobabbau in Dublin geführt hätte. Als der Streik ohne Erfolg beendet wurde, machte er die Verlegung rückgängig.

Ein anderer Dorn im Aug sind ihm die Journalisten, die sich aus seiner Sicht auf Ryanair eingeschossen haben. «Eurowings und Norwegian zahlen tiefere Löhne als wir, Lufthansa (LHA 22.88 0.09%) hatte in den letzten eineinhalb Jahren mehr Streiktage als wir, British Airways hatte jüngst ein riesiges Datenleck – und dennoch schiessen alle auf uns», lästert O’Leary und zeigt sich verletzt. Für die Generalversammlung am nächsten Donnerstag hat er deshalb die Konsequenzen gezogen. Medien werden beim Aktionärstreffen ausgeschlossen. Für einmal hat die Gelassenheit selbst einen O’Leary verlassen.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.