Moritz Dullinger, Healthcare-Fondsmanager von RobecoSAM, erklärt, weshalb Diagnostik eines der attraktivsten Themen und Novartis noch keine Top-Ten-Position ist.
Herr Dullinger, Sie verwalten den Fonds Sustainable Healthy-Living von RobecoSAM. Worin investieren Sie konkret?
Wir investieren in Unternehmen, die dazu beitragen, dass die Menschen gesünder leben können.
Welche Unternehmen sind das?
Unser Anlageuniversum umfasst grundsätzlich alle Unternehmen aus den Bereichen Prävention, Diagnostik, Pharma und Medizinaltechnik sowie Gesellschaften aus diversen Spezialsektoren, die irgendetwas mit Gesundheit zu tun haben.
Wo besteht eine Nachfrage nach Produkten oder Leistungen dieser Gesellschaften?
Einen hohen Bedarf sehen wir bei den grossen Zivilisationskrankheiten Diabetes, Übergewicht, Krebs und Herzleiden.
Wie können die Unternehmen diesem Bedürfnis gerecht werden?
Je innovativer sie sind, desto besser können sie mit ihren Produkten das Bedürfnis nach besserer Gesundheit befriedigen.
Welchen dieser Sektoren finden Sie derzeit am spannendsten?
Den Diagnostikbereich erachten wir zurzeit als einen der spannendsten. Viele Investoren übersehen sein riesiges Potenzial. In der Analyse von genetischen Defekten entwickelt sich gegenwärtig sehr viel. Die neuen Technologien können nicht nur zur Früherkennung von Krankheiten genutzt werden. Auch helfen sie der Wissenschaft, Krankheiten besser zu verstehen. Hinzu kommt, dass Unternehmen im Bereich Diagnostik meistens ein sehr stabiles Geschäftsmodell haben, wenn sie einmal erfolgreich sind.
Wie funktioniert das?
Meist braucht es für einen Laborbefund eine Maschine und Zubehör in Form von speziellen Lösungen oder Teststreifen. Nutzt ein Labor erst einmal ein bestimmtes Diagnostikgerät, ist es auf entsprechendes Verbrauchsmaterial angewiesen.
Ergo investiert der Fonds in Diagnostikanbieter?
Ja, die Diagnostik entspricht genau unserer Philosophie. Je früher eine Krankheit entdeckt oder ihre Ursache entschlüsselt wird, desto gesünder wird die Bevölkerung.
Welche Unternehmen erachten Sie in diesem Bereich als besonders interessant?
Besonders interessant finden wir derzeit Thermo Fisher, Roche (ROG 249.6 0%), Boston Scientific (BSX 27.75 -0.25%) oder auch DiaSorin. Alle diese Unternehmen bieten sehr innovative Diagnostiklösungen an.
Sie erwähnen Roche. Diese Position haben Sie in den letzten Monaten deutlich abgebaut. Was gefällt Ihnen am Pharmakonzern nicht mehr?
An sich gefällt uns Roche nach wie vor sehr gut. Das Unternehmen hat eine hohe Innovationskraft, gehört zu den führenden Anbietern von Krebsmedikamenten – ein Bereich, in dem dank neuem Wissen aktuell massive Fortschritte erzielt werden –, und es verfügt über eine starke Bilanz. Wir sind jedoch der Meinung, dass bereits einige dieser Attribute im Aktienkurs berücksichtigt sind. Wir haben uns deshalb zu einem Abbau entschieden.
Wo haben Sie das gelöste Geld investiert?
Wir haben keine neuen Unternehmen ins Portfolio aufgenommen, sondern haben den Verkaufserlös in bestehende Positionen investiert.
Trotz dem Abbau gewichten Sie Roche weiterhin höher als Novartis (NOVN 78.9 1.02%). Weshalb schichten Sie nicht auf die andere Seite des Rheins um?
Die Erwartungen an Novartis waren zuletzt einfach viel zu hoch. Der Markt hat übersehen, dass es für pharmazeutische Augenheilmittel einen Patentablauf gibt, und deshalb den Geschäftsgang der derzeit strauchelnden Novartis-Tochter Alcon falsch prognostiziert. Auch beim Herzmedikament Entresto war er viel zu euphorisch. In den letzten Monaten hat der Konzern jedoch vieles richtig gemacht. Zudem ist die Bewertung zurückgegangen. Deshalb halten wir den Titel. Allerdings sehen wir Novartis noch nicht als würdig für eine Top-Ten-Gewichtung im Fonds. Wir möchten zuerst sehen, was mit Alcon geschieht, die ja offenbar zum Verkauf steht.
Anleger fürchten sich vor Druck auf die Medikamentenpreise in den USA. Wie realistisch ist dieses Risiko?
Auch wir glauben, dass es in den USA zu Preisdruck kommen wird. Es kann nicht sein, dass Patienten in Nordamerika doppelt so viel bezahlen wie in Europa oder in Japan. Wir schauen deshalb, dass die Pharmaunternehmen in unserem Portfolio in der Summe nicht allzu stark in den USA exponiert sind. Bereits heute sieht man, dass Aktien von Arzneimittelherstellern mit zu hohen Preisvorstellungen unter Druck gekommen sind.
Apropos Preisdruck: Sie haben jüngst eine Position in Novo Nordisk aufgebaut. Die Aktien sind ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Anleger sich vor Preisdruck fürchten. Ist die Korrektur ausgestanden?
Weil der Markt für Behandlungsmöglichkeiten enorm gross ist, ist Diabetes trotz Preisdruck ein enorm spannendes Gebiet. Lange Zeit haben viele Anleger den Preisdruck auf Diabetes-Medikamente unterschätzt. Novo Nordisk war uns deshalb meist viel zu teuer. Mittlerweile hat die Stimmung gedreht, und viele Investoren sind jetzt zu skeptisch. Die Bewertung für Novo Nordisk hat sich normalisiert. Deshalb haben wir uns zu einem Engagement entschlossen.
Sie scheinen ein Flair für Aktien zu haben, die unter Investoren umstritten sind. Auch Gilead (GILD 65.43 1.13%) befindet sich im Portfolio. Was reizt Sie an diesem Titel?
Gilead haben wir möglicherweise zu früh gekauft. Das Problem bei Gilead ist die Prognostizierbarkeit. Das Potenzial von Medikamenten, die heilen, lässt sich nicht so einfach vorhersehen wie das von solchen gegen chronische Krankheiten. Die Bewertung ist zwar immer noch enorm günstig. Das nützt in einer kurz- bis mittelfristigen Perspektive jedoch nichts, solange das Unternehmen Zahlen liefert, die unter den Erwartungen des Marktes liegen.
Würden Sie angesichts des insgesamt hohen Bewertungsniveaus von Aktien die Arbeit als Portfoliomanager derzeit als einfach oder schwierig bezeichnen?
Wir hatten letztes Jahr zum Glück eine Korrektur im Healthcare-Sektor. Daraus haben sich wieder mehr Opportunitäten ergeben. Aber ja, es ist schon schwieriger geworden.
Ab welcher Bewertung wird es Ihnen mulmig?
Ab einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25 werden wir vorsichtig. Da schauen wir schon sehr genau hin, ob sich eine solche Bewertung rechtfertigt.
Aktuelle Top-Position in Ihrem Portfolio ist Cerner (CERN 58.79 -0.22%). Was reizt Sie am Gesundheitsdatenanbieter?
Je effizienter unser Gesundheitssystem ist, desto mehr Geld steht für gesünder machende Produkte zur Verfügung. Wenn Versicherungen mit der Software von Cerner jetzt den Gesundheitszustand ihrer Kunden messen können, werden sie agiler. Das führt letztlich zu Kosteneinsparungen. Generell werden wir im Bereich Big Data in der Gesundheitsindustrie in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren noch einiges sehen.
Auch Nestlé (NESN 80.6 0.06%) gehört zu Ihren Top-Positionen. Was hat ein Lebensmittelhersteller in einem Gesundheitsfonds zu suchen?
Nestlé ist salopp gesagt schon fast eine Biotech-Gesellschaft innerhalb der Nahrungsmittelindustrie. Sie ist sehr innovativ, was gesundheitsfördernde Präparate anbelangt. Ein Beispiel: Nestlés Wissenschaftler haben eine Methode entwickelt, die mit 40% weniger Zucker (Zucker 0.1402 -1.75%) auskommt, worunter der Geschmack aber trotzdem nicht leidet. Das ist genau das, was es braucht. Mehr kalorienarme Produkte ohne Genussverzicht.
Wäre Evolva (EVE 0.46 0%) dann nicht etwas für Sie? Das Unternehmen stellt mit einem innovativen Verfahren kalorienfreies Stevia her ohne den bitteren Geschmack, den das Konzentrat normalerweise mit sich bringt.
Evolva weist eine zu geringe Marktkapitalisierung auf, als dass wir als Fonds investieren dürften. Wir setzen auf das Thema jedoch mit DSM, einem anderen innovativen Anbieter von wirklich süssem Stevia.
Warum fehlt Lonza (LONN 200.3 1.52%) im Portfolio? Der Pharmazulieferer hat zuletzt auf dem Gebiet der gesundheitsfördernden Nahrungsergänzungsmittel expandiert.
Lonza weist eine zu geringe Rendite auf das investierte Kapital auf, als dass die Aktien eine höhere Bewertung rechtfertigen würden. Zudem glauben wir, dass die Gesellschaft für die jüngste Übernahme zu viel bezahlt hat. Wir bezweifeln, dass der Pillenkapselhersteller Capsugel wirklich 5,5 Mrd. $ wert ist.
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