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06:52 Uhr - 19.12.2014

Stress im russischen Bankensystem

Die Zinsen auf dem Interbankenmarkt schiessen nach oben. Ein Massnahmenpaket von Regierung und Zentralbank soll Linderung bringen. Rubel und Aktienmarkt beruhigen sich.

Die Kapriolen des Rubels machen den russischen Banken schwer zu schaffen. Da sie im grossen Stil in fremder Währung verschuldet sind, erhöht eine Abwertung des Rubels ihren realen Schuldenberg. Höhere Refinanzierungskosten und ebenfalls grosse Summen an ausstehenden Fremdwährungskrediten von Unternehmen dürften zu einer Zunahme von faulen Krediten führen und die Bankbilanzen zusätzlich belasten. Zudem wollen Bankkunden so schnell wie möglich ihre Rubelguthaben in Dollar oder Euro tauschen, wodurch sich die Krise verschärft. Laut Morgan Stanley (MS 38.1 3.73%) hat der Anteil Fremdwährungseinlagen von Privat- und Geschäftskunden russischer Banken von 13 auf fast 25% zugenommen.

Interbankenzins Russlandzoom Quelle: Bloomberg

Rekordhohe Interbankenzinsen

Nicht nur die Sparer misstrauen den Banken und den Währungshütern in der Zentralbank, sondern auch die Banken einander. Das zeigt der Dreimonatszins MosPrime an, zu dem sich die grossen russischen Finanzinstitute Rubel ausleihen.

Das russische Pendant zum Libor ist am Donnerstag trotz der Beruhigung auf dem Devisenmarkt auf 27% geschossen. So hoch war der Zins zuletzt auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Januar 2009. Der MosPrime-Satz für Tagesgeld hat mit 27,3% sogar das höchste Niveau seit Beginn der Erhebung 2005 erreicht.

Vom Kapitalmarkt abgeschnitten

Schon vor dem Rubel-Crash gerieten einige russische Banken in Schwierigkeiten. Grosse Institute wie die Gazprombank, VTB Bank und Rosselkhozbank mussten Hilfe vom Staat beantragen. Nachdem die USA und die EU sie auf die Sanktionsliste genommen hatten, waren sie von den internationalen Kapitalmärkten faktisch abgeschnitten.

In einer Rede Anfang Monat sprach sich Präsident Putin dafür aus, dass Banken Gelder aus einem nationalen Wohlfahrtsfonds erhalten sollen, der eigentlich für staatliche Investitionsprojekte gedacht war, etwa den Bau von Eisenbahnlinien.

Eigentlich wäre es die Aufgabe der Zentralbank, die Banken über den Repo-Markt mit Rubel oder Fremdwährungen zu versorgen. Bei einem Repo-Geschäft kauft die Zentralbank von einer Bank Wertpapiere, die zu einem späteren Zeitpunkt durch die Bank zurückgekauft werden. Die Bank erhält von der Nationalbank während der Laufzeit des Geschäfts einen kurzfristigen Kredit, für den sie den Repo-Zins bezahlt. Die Wertpapiere dienen der Zentralbank als Sicherheit (Collateral). Sie müssen deshalb von hoher Qualität sein. Anscheinend aber verfügen Banken über immer weniger Wertpapiere, die sie als Sicherheit für Repo-Geschäfte verwenden können. Vor diesem Szenario warnten Analysten von J.P. Morgan bereits im Februar.

Zentralbank zieht alle Register

Die russische Zentralbank hatte in der Nacht auf Dienstag den Leitzins, zu dem sie den Banken kurzfristig Geld leiht, von 10,5 auf 17% erhöht, um den Zerfall des Rubelkurses zu stoppen. Höhere Zinsen verteuern die Spekulation gegen den Rubel. Die Wirkung war aber schnell verpufft, die russische Währung fiel nach einer kurzen Erholung zwischenzeitlich fast 20% auf 79 Rubel/$. Nach einer kräftigen Gegenbewegung am Mittwoch stabilisierte sie sich am Donnerstag um die 61 Rubel/$.

Dass nach einer Übertreibung nach unten eine Gegenbewegung einsetzt, ist an den Finanzmärkten oft zu beobachten. Ein Grund für die Stabilisierung dürfte in diesem Fall auch das Massnahmenpaket sein, das die Zentralbank am Mittwoch vorgestellt hat. Dazu gehören:

1. Eine Ausweitung der Fremdwährungs-Repo-Geschäfte mit mehr Auktionen. Auch die Liste der Wertpapiere, die als Sicherheit hinterlegt werden dürfen, soll erweitert werden.

2. Die Zinsobergrenze für Sparkonten wurde angehoben.

3. Die Banken sollen mehr Spielraum bei der Kalkulierung bekommen, um die Rubelverwerfungen zu meistern. Aktiva und Verbindlichkeiten in fremder Währung müssen nicht zum aktuellen Wechselkurs in Rubel umgerechnet werden, sondern mit dem Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate. Von der Pflicht, Rubelvermögenswerte nach dem Mark-to-Market-Ansatz zu bewerten, sind die Banken bis auf weiteres befreit.

4. Die Zentralbank bereitet sich auf eine Rekapitalisierung der Banken im kommenden Jahr vor.

Zu den unterstützenden Massnahmen dürften wohl auch weiterhin Interventionen am Devisenmarkt gehören. Seit Anfang Monat bis und mit 16. Dezember hat die Zentralbank mehr als 10 Mrd. $ an Devisenreserven verbrannt. So schrumpfen die Fremdwährungsreserven weiter.

Zentralbank interveniert auf dem Devisenmarktzoom Quelle: Morgan Stanley

Dennoch ist das Devisenpolster mit über 400 Mrd. $ immer noch komfortabel: Auch ohne Berücksichtigung des Stabilitäts- und des Wohlfahrtsfonds verfügt die Zentralbank noch über Reserven im Umfang von 200 Mrd. $. Laut Morgan Stanley sind Exporte von fast einem Jahr gedeckt.

Russlands Devisenreservenzoom Morgan Stanley

Keine Kapitalkontrollen

In der Pressekonferenz am Donnerstag bestätigte Putin die Position der Regierung, keine Exportrestriktionen einführen zu wollen. Bereits zwei Tage zuvor hatte die Regierung bekräftigt, dass keine Kapitalverkehrskontrollen geplant seien. Diese Bekenntnisse sollten jedoch nicht überbewertet werden. Denn Kapitalverkehrskontrollen können nicht angekündigt werden, da sich die Kapitalflucht sofort akzentuieren würde. Sie müssen überraschend und mit sofortiger Wirkung eingeführt werden, um den Exodus zu verhindern. Der Kreml ist sich dessen bewusst.

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