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07:50 Uhr - 15.01.2018

Jetzt dürfen Fintechs bei Banken Daten anzapfen

Seit dem Wochenende müssen sich Banken beim Zahlungsverkehr der Konkurrenz öffnen. Nur die Schweiz steht abseits.

Es ist eine der grössten Umwälzungen der vergangenen Jahrzehnte im Finanzsektor. Seit diesem Wochenende müssen innerhalb der Europäischen Union die Banken ihre Schnittstellen zum Zahlungsverkehr für die Konkurrenz öffnen.

Das Stichwort heisst PSD2 – oder in kompletter Länge Payment Services Directive 2. Mit dieser Reform will Brüssel Innovationen im Zahlungsverkehr fördern und den Wettbewerb ankurbeln. Künftig müssen Banken über ihre Schnittstellen anderen Anbietern Zugang zu Kundenkonten ermöglichen – sofern der Kunde dies wünscht. Damit sollen die Voraussetzungen im Geschäft, das bislang von Banken und Kartengesellschaften dominiert wird, verbessert werden.

Fintech als Profiteur

Zu den Profiteuren dürfte die Finanztechnologiebranche (Fintech) gehören. Zahlreiche Fintechs wie etwa Revolut oder Transferwise haben sich auf einzelne Bankanwendungen wie Zahlungsverkehr oder grenzüberschreitenden Geldtransfer spezialisiert und bieten diese Services deutlich günstiger an als Banken.

Mit der neuen Direktive soll zudem ermöglicht werden, dass künftig Zahlungen im E-Commerce nicht ausschliesslich über Kredit- oder Bankkarten abgewickelt werden, sondern direkt über das eigene Bankkonto. Solche Vorgänge waren bislang kaum möglich, da Banken den Direktzugang zu Kundenkonten verwehrten. Nun verpflichtet die Regulierung sie, Drittanbietern kostenlosen Zugang zu Konten zu gewähren.

Schweiz macht nicht mit

Die Schweiz steht bei dieser Entwicklung vorläufig abseits – im Gegensatz zu den EWR-Staaten Liechtenstein, Norwegen und Island, die die Direktive ebenfalls übernommen haben. Gemäss Reuters warnen Experten, dass sich der Finanzplatz Schweiz längerfristig einen Wettbewerbsnachteil einhandeln könnte, wenn sich die Banken nicht öffnen. Zumindest Institute mit Tochtergesellschaften innerhalb der EU müssen die Vorgabe in den entsprechenden Ländern umsetzen.

Die Schweizerische Bankiervereinigung (Swiss Banking) hatte sich bereits Ende September 2017 in einem Positionspapier zu PSD2 ablehnend geäussert. Sie befürchtet, dass ein regulatorischer Zwang zu Wettbewerbsverzerrungen zuungunsten der Banken ausfallen könnte. Zudem glaubt sie, dass die Profiteure der Vorgabe nicht etwa junge Fintech-Unternehmen, sondern globale Tech-Gesellschaften seien.

Hohe Gewinneinbussen drohen

Die Banken könnten durch PSD2 milliardenscchwere Gewinneinbussen erleiden. Die Berater von Roland Berger schätzen, dass die etablierten Banken im Privatkundengeschäft 25 bis 40% ihres Gewinns verlieren könnten. Noch verheerender ist, dass der Zahlungsverkehr nur das Einfallstor für neue Anbieter bilden könnte. Es ist durchaus denkbar, dass in Zukunft auch andere Gebiete wie Wertschriftenhandel oder Kreditgeschäfte geöffnet werden.

Roland Berger prophezeit den Banken, dass ihnen im schlimmsten Fall lediglich die Rolle des Verwalters im Hintergrund bleibt. Dies wirft praktisch nichts ab. «Agile Banken könnten einen höheren Umsatz erzielen, indem sie mit Fintechs zusammenarbeiten», sagte Beraterin Julia Wiesermann von AlixPartners gegenüber Reuters. Einige Institute würden diesen Sprung aber nicht hinbekommen.

Allmähliche Öffnung

Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass die Öffnung der Schnittstellen umgehend zu neuen Angeboten führt, wie das Beispiel Grossbritannien zeigt. Im Vereinigten Königreich, bekannt für die Förderung des Fintech-Bereichs, haben sich bislang dreissig Unternehmen beim Regulator FCA gemeldet, um Applikationen auf ihre Sicherheit prüfen zu lassen.

Die FCA geht indes nicht davon aus, dass sämtliche Anbieter auf einen Schlag ihre Angebote ausrollen werden. Allmählich werde ein Angebot nach dem anderen entstehen, sagte ein Sprecher des Regulators auf Anfrage.

(mit Material von Reuters)

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