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08:27 Uhr - 15.09.2016

Handelsflaute stürzt südkoreanische Werften in die Krise

Die grössten Schiffsbauer der Welt operieren gegenwärtig in der Verlustzone. Trotz massiver Restrukturierungen wird eine Erholung frühestens für 2017 erwartet.

Seit Herbst 2013 hat die Aktie von Daewoo Shipbuilding fast 90% an Wert verloren. Mitte Juli wurde sie wegen möglicher Bilanztricks vom Handel ausgesetzt. Seit Mai steht der grosse Schiffsbauer STX Offshore and Shipbuilding unter Zwangsverwaltung. Das Unternehmen gehört jetzt sechs koreanischen Banken.

zoomDamit nicht genug: Die drei grössten Schiffsbauer, neben Daewoo als Nummer zwei noch Branchenführer Hyundai (HYUD 38.345 0.91%) Heavy und die Nummer drei, Samsung (SMSD 495.1 1.44%) Heavy, verloren 2015 in der Summe operativ 8,5 Bio. Won (7,4 Mrd. Fr.). Ende Juli war ihr Auftragsbestand auf 23,9 Mio. Bruttoregistertonnen (BRT) und damit den niedrigsten Wert seit Januar 2004 gesunken. Im ersten Halbjahr erhielten Koreas Werften nur noch 800 000 BRT an Neuaufträgen, fast 90% weniger als im ersten Halbjahr 2015.

Von Masse zu Klasse

Der Rückblick zeigt, wie bitter diese Entwicklung für Südkorea ist: Vor allem mit kräftiger Finanzhilfe des Staates war es gelungen, die Werften und die Reedereien ab den Achtzigerjahren zu einem wichtigen Stützpfeiler der Exportwirtschaft zu machen. Japan wurde als grösste Schiffsbaunation abgelöst, während viele europäische Werften aufgeben mussten.

Der Aufstieg gelang dank einem Schwenk von Masse zu Klasse: In den Neunzigerjahren arbeiteten sich Koreas Schiffsbauer von Massengutfrachtern hoch zu Containerschiffen, Chemie- und Gastankern, Offshore-Förderplattformen und Versorgungsschiffen. In den Jahren 2009 und 2010 kontrollierte Südkorea 70% des Weltmarktes. Doch schon 2012 zog China in der ausgelieferten Tonnage an Südkorea vorbei.

Als der Welthandel weiter schrumpfte, verursachten die Überkapazitäten in der Schiffstonnage fallende Frachtraten. Die Neuaufträge brachen ein. Als zweiter Faktor kam der Sturz des Öl- und Gaspreises dazu. Deswegen wurden weniger Förderplattformen gebraucht. Gerade ihr Schwerpunkt in diesem Bereich mit seinen hohen Entwicklungskosten macht den koreanischen Werften nun besonders zu schaffen.

Nach Ansicht von Marktforschern ist die Talsohle jedoch möglicherweise schon durchschritten. Die drei Branchengrössten haben Restrukturierungen im Umfang von 11 Bio. Won (9,6 Mrd. Fr.) angekündigt. Dadurch werden nach amtlichen Schätzungen bis 2018 etwa 60 000 der 200 000 Jobs und 20% der Kapazitäten in der Werftindustrie verschwinden.

Verschärfter Wettbewerb

In den vergangenen Wochen wurden zudem mehrere grosse Flüssiggastanker bestellt. Ein steigender Öl- und Gaspreis würde auch die Exploration wieder ankurbeln. Doch einen Aufschwung halten viele Beobachter frühestens 2017 für möglich. Der britische Marktforscher Clarkson erwartet sogar, dass die globale Werftindustrie sich erst 2020 voll erholt hat.

Ohnehin muss sich Korea im verschärften Wettbewerb mit Chinas Werften behaupten, die zu mehr als der Hälfte in staatlicher Hand sind. Ein neuer Gegner formiert sich in Japan. Mitsubishi Heavy Industries schmiedet gerade mit den Schiffsbauern Imabari, Oshima und Namura eine Allianz (ALV 131.25 -0.91%), die hinter Hyundai Heavy die neue Nummer zwei wäre. Die Japaner punkten bei «grünen» Schiffen und könnten 2016 sogar mehr Aufträge als die Koreaner einheimsen. Daher ist eine Rückkehr zu alter Glorie für Koreas Werften wenig wahrscheinlich.

Die Regierung in Seoul hat kaum eine andere Wahl, als diese wichtige Industrie zu unterstützen. Bereits im Februar wurden die Vorschriften für Übernahmen und Zusammenschlüsse in der Branche vereinfacht. Ende Juni kündigte die Regierung 11 Bio. Won (9,6 Mrd. Fr.) an Kapitalhilfen für die beiden Staatsbanken mit den grössten Ausständen bei Schiffsbauern an. Statt die Unternehmen zu stützen, wird lieber der Finanzsektor subventioniert. Offenbar sollen die Banken die Restrukturierung organisieren.

Dennoch drohen im Präsidentenwahljahr 2017 womöglich gewalttätige Proteste und Streiks, weil die Gewerkschaften einen Friedenspakt mit der Regierung gekündigt haben. Die Werftenkrise wird Südkorea noch eine Weile in Atem halten.

Der Welthandel ist ins Stocken geratenSeit Jahresbeginn 2015 stagniert das globale Exportvolumen. Ökonomen führen diese Entwicklung unter anderem auf verstärkten Protektionismus zurück. Lesen Sie hier mehr.

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