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09:27 Uhr - 15.12.2021

Die perfekte Kandidatin für die Schweizer Nationalbank

Beatrice Weder di Mauro bringt alles mit für den Job im Direktorium der Notenbank. Schon einmal wurde sie für den Posten gehandelt. Klappt es nun?

Beatrice Weder di Mauro hat alles, was man sich für das Direktorium der Schweizerischen Nationalbank wünschen kann. Kein Wunder, gilt sie auch als Favoritin für die Nachfolge von Fritz Zurbrügg, der Ende Juli 2022 aus dem dreiköpfigen Gremium austreten wird.

Die Wirtschaftsprofessorin mit Spezialgebiet Makroökonomie und damit auch Geldpolitik verfügt über weit mehr als nur fundierte theoretische Kenntnisse zu den Herausforderungen einer Notenbank.

Es sind vor allem ihre praktischen und weltweiten Erfahrungen, die sie auszeichnen. Weltgewandtheit wurde Weder di Mauro sozusagen in die Wiege gelegt. Zur Welt kam sie am 3. August 1965 in Basel, verbrachte aber einen Grossteil ihre Kindheit und Jugend im mittelamerikanischen Guatemala. Ihr Vater arbeitete dort als Pflanzenschutzexperte für die einstige Ciba-Geigy. Erst mit 16 kehrten ihre Eltern mit ihr und ihrer Schwester in die Schweiz zurück. Ihre Grosseltern waren noch als Bauern und Wirte tätig.

Guatemala und die Ökonomie

Der Gegensatz zwischen dem Bürgerkriegsland Guatemala und der prosperierenden Schweiz hat ihr Interesse an den Wirtschaftswissenschaften geweckt. «Wenn man Länder verstehen will, sollte man Volkswirtschaftslehre studieren», erklärte sie einst der Agentur Bloomberg.

Bereits im Jahr 1994 zog es die damals 29-Jährige ein Jahr nach ihrer Doktorarbeit an der Universität Basel als Ökonomin zum Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Washington, später war sie dort auch für die Weltbank tätig. Beim IWF hat sie ihren Gatten, Filippo di Mauro kennen gelernt. Der gebürtige Sizilianer ist ebenfalls Ökonom. Beide sind nun schweizerisch-italienische Doppelbürger. Gemeinsam haben sie einen Sohn.

Nach Washington folgten Professorinnenposten in Basel und im deutschen Mainz sowie Lehrtätigkeiten an der Eliteuniversität Harvard, der UNO-Universität in der japanischen Hauptstadt Tokio und beim Institut Insead in Singapur. Immer wieder war sie für den IWF tätig und zwischenzeitlich auch für die US-Notenbank.

Beraterin der deutschen Regierung

Zur Weltgewandtheit von Weder di Mauro passt ihre Sprachgewandtheit: Deutsch, Italienisch, Englisch, Spanisch und Französisch spricht sie fliessend, in Japanisch und Russisch soll sie sich gut verständigen können. Das hat ihr immer wieder wichtige Türen geöffnet.

Für viel Aufsehen gesorgt hat im Jahr 2004 die Berufung der damals 39-jährigen Schweizerin als erster Frau ins Gremium der sogenannten Wirtschaftsweisen in Deutschland. In diesem Kreis ersetzte sie Axel Weber, den heutigen UBS-Verwaltungsratspräsidenten. Weber wechselte amals auf den Chefposten der Deutschen Bundesbank. Der Sachverständigenrat, wie die Gruppe offiziell heisst, berät die deutsche Regierung in Wirtschaftsfragen. Ganze acht Jahre war Weder di Mauro dort Mitglied.

Nach dem überstürzten Rücktritt von Philipp Hildebrand als Präsident der Nationalbank im Januar 2012 wurde Weder di Mauro zum ersten Mal als Kandidatin für einen Sitz im SNB-Direktorium gehandelt. Weil sie sich aber im gleichen Jahr für einen Sitz im Verwaltungsrat der UBS (UBSG 16.37 -0.09%) entschied, war daran nicht mehr zu denken, genauso wenig wie an einen weiteren Verbleib bei den deutschen Wirtschaftsweisen.

Bei der UBS schied sie in diesem Frühjahr wieder aus. Bei einer Reihe von deutschen Konzernen sass sie ebenfalls im obersten Gremium und in der Schweiz beim Pharmariesen Roche.

Zurzeit lehrt Weder di Mauro am Graduate Institute in Genf. Zudem präsidiert sie das Centre for Economic Policy Research in London. Auf dessen Plattform Voxeu.org veröffentlichen Ökonominnen und Ökonomen aus der ganzen Welt Forschungsergebnisse zu den wichtigsten anstehenden Fragen. Gut möglich, dass sich Weder di Mauro bald nur noch um einen Job kümmert – denjenigen bei der Schweizerischen Nationalbank als Mitglied des Direktoriums.


Dieser Artikel stammt aus dem Tages-Anzeiger, weitere Artikel finden Sie unter tagesanzeiger.ch

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