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09:52 Uhr - 28.02.2017

Ex-UBS-Investmentbanker Kengeter droht Rückschlag

Der einstige Hoffnungsträger der UBS läuft mit dem Plan einer europäischen Superbörse auf. Es wäre der zweite grosse Dämpfer.

Carsten Kengeter mag die grossen Auftritte. Mit seiner sonoren Stimme und seinem süffisanten Lächeln gewinnt der Chef der Deutschen Börse das Publikum – wie vor vier Wochen, als er beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse in London vor rund 300 Gästen sprechen durfte. Schauplatz war der altehrwürdige Zunftsaal der alten Schneidergilde in London, das Gesprächsthema die bevorstehende Fusion der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange (LSE (LSE 3100 0.16%)).

Doch so weit wird es aller Voraussicht nach nicht kommen. Am Montag wurde bekannt, dass die LSE eine der Forderungen der Europäischen Kommission nicht erfüllen wird. Konkret ging es darum, dass die Londoner ihre Mehrheitsbeteiligung an der italienischen Handelsplattform MTS hätten aufgeben müssen.

Ein weiterer Karriererückschlag

Ein Scheitern der Fusion wäre für Kengeter der zweite grosse Rückschlag seiner Karriere, nachdem er bereits vor fast vier Jahren einen unfreiwilligen Abgang bei der Schweizer Grossbank UBS (UBSG 15.51 0.45%) machen musste. Kengeter, damals Investment-Bank-Chef, stolperte über den Adoboli-Skandal. Der Händler Kweku Adoboli hatte 2011 Risikovorschriften missachtet und der UBS einen Milliardenverlust eingebrockt.

Pikant ist, dass Kengeters Rückschlag auch dieses Mal mit seiner Personalie zusammenhängen könnte. Gemäss einem Reuters-Bericht könnte beim Entscheid der LSE, die Fusionsbedingungen der EU nicht zu erfüllen, der Name Kengeter eine Rolle gespielt haben. Die Agentur stützt sich dabei auf Aussagen von Insidern.

Ermittlungen wegen Insiderhandel

Das Problem: Seit gut zwei Wochen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Kengeter. Ihm wird Insiderhandel vorgeworfen – ein Tatbestand, den er vehement bestreitet. Er hatte Ende 2015 für 4,5 Mio. € Aktien des eigenen Unternehmens gekauft, zwei Monate vor der Ankündigung der Fusion mit der Deutschen Börse.

Gemäss Reuters soll Donald Brydon, VR-Präsident der LSE, in einer Mail seinem Pendant Joachim Faber von der Deutschen Börse mitgeteilt haben, dass gemäss Brydons Berater Kengeter wegen des Ermittlungsverfahrens kein geeigneter Kandidat mehr sei, um die fusionierte Börse wie geplant als CEO zu führen. Sowohl die LSE, die Deutsche Börse (DB11 81.51 0.93%) wie auch Kengeter wollten dies gegenüber Reuters nicht kommentieren.

Ob Kengeter wirklich zum allfälligen Scheitern der Superbörse beigetragen hat, lässt sich anhand der Faktenlage nicht erhärten. Sicher ist aber, dass ein Rückzug der LSE den 49-jährigen Deutschen treffen würde.

Er hatte in den vergangenen Monaten viel darangesetzt, die beteiligten Stakeholder – unter anderem das Bundesland Hessen – von den Vorteilen einer gemeinsamen Börse zu überzeugen. Einzig bei der Standortfrage wollte sich allen voran Hessen nicht mit London zufriedengeben. Man wünschte sich Frankfurt.

Bei der UBS als CEO-Nachfolger gehandelt

Kengeter ist sich Krisen und Rückschläge in seiner Laufbahn gewohnt. Der Investmentbanker, der 2008 von Goldman Sachs (GS 249.33 0.8%) zu UBS wechselte, stieg kurz danach zum Chef der Investment Bank auf. Als solcher war er bereits 2009 und 2010 mit 13,2 resp. 9 Mio. Fr. der bestbezahlte Banker der UBS und wurde als möglicher Nachfolger von CEO Oswald Grübel gehandelt.

Bis zum 15. September 2011, als der bis dato unbekannte Händler Kweku Adoboli der Bank einen Schaden von 2,3 Mrd. $. zufügte. CEO Grübel übernahm die Verantwortung und trat ab, Kengeter konnte sich vorerst halten. Allerdings wurde er schrittweise entmachtet.

Erst Degradierung, dann Abgang

So wurde ihm ab 2012 der Italiener Andrea Orcel von der Bank of America (BAC 24.57 1.4%) Merrill Lynch als Co-CEO der Investment Bank zur Seite gestellt. Später übernahm Orcel die Führung der weiterzuführenden Teile der Investment Bank, Kengeter hingegen war nur noch zuständig für die Leitung der nicht weitergeführten Geschäfte der Bank. Zudem schied er aus der Konzernleitung aus. Eine Degradierung, die nur drei Monate später zu Kengeters Abschied von der UBS führte.

Über ein Jahr später, im Herbst 2014, tauchte der 1,96 Meter grosse Hüne wieder auf – als Nachfolger des Schweizers Reto Francioni als Chef der Deutschen Börse. Er umschiffte Widerwärtigkeiten wie seine umstrittene Rolle im Libor-Skandal elegant und war drauf und dran, seine Karriere mit der Bildung der deutsch-britischen Börse zu krönen.

Zukunft mit oder ohne Kengeter?

Offen ist, wie er diesmal auf das mögliche Scheitern reagieren könnte. Seine Wegbegleiter und Banker äussern gegenüber Reuters Zweifel, dass Kengeter weiterhin an Bord bleiben werde. «Er interessiert sich für das Grosse und ist sehr international», sagte ein Manager zur Nachrichtenagentur, der mit Kengeter zusammengearbeitet hat. «Es würde ihn nicht erfüllen, einen Nischenanbieter zu führen.»

Bei der Deutschen Börse gehen die meisten jedoch davon aus, dass Kengeter an der Spitze bleiben wird – sofern sich der Verdacht auf Insiderhandel nicht erhärtet. Sowohl seine Geschäftsleitungskollegen wie der Verwaltungsrat haben ihm bereits den Rücken gestärkt. Auch Kengeter selbst hatte Ende 2016 noch erklärt, dass er im Falle eines Scheiterns der Fusion nicht den Hut nehmen würde: «Das kommt mir überhaupt nicht in den Sinn.»

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