Angst und Unsicherheit dominierten die Kryptomärkte während der letzten Wochen. Der Bitcoin verlor per saldo 21%.
Das negative Sentiment der Anleger, gepaart mit negativem Nachrichtenfluss, führte zu einem massiven Preiszerfall. Der Bitcoin (Bitcoin 36'861.00 +3.61%) fiel auf 30’000 $, und Ethereum durchbrach die 1800-$-Marke. Der Bitcoin kapitulierte mehrmals am Widerstand bei 40’000 $ und handelt innerhalb einer Bandbreite mit der Unterstützung bei 32’000 $.
Wie so oft in der Vergangenheit schneidet der Bitcoin in korrigierenden Märkten besser ab als Altcoins. Das ist wohl auch der Grund, weshalb im Bullenmarkt Altcoins noch besser rentieren können als der Bitcoin. Essenziell sind viele Altcoins eine High-Beta-Wette auf den Bitcoinpreis. Ob die derzeitige Erholung nachhaltig ist oder ob es sich um einen Dead Cat Bounce handelt – das ist die offene Frage an den Kryptomärkten.
Nach dem Crash ist am Bitcoinmarkt wieder Ruhe eingekehrt, was dazu einlädt, zurückzublicken: Der Bitcoin hat sich in den letzten Jahren zu einem robusten und antifragilen digitalen Finanzsystem entwickelt und soeben den grössten Stresstest mit Bravour bestanden: Alle Liquidationen aufgrund der Hebelwirkung (Leverage) wurden ausgeglichen.
Es kam nicht zu einer Verkettung von Kollateralschäden. Bis auf minimale Ausfallzeiten kam es auch nicht zu Handelsstopps oder Verlusten bei den Börsen. Die Regulatoren mussten nicht einschreiten, und keine Zentralbank musste als Kreditgeber letzter Instanz auftreten. Stablecoins blieben stabil, und es kam nicht zu notfallmässigen nächtlichen Kapitalerhöhungen. Kurz: Das System funktionierte. Spekulanten verloren Geld, was Teil ihrer Jobbeschreibung ist – das war’s.
Die Open Interests an den Futures-Börsen sind rückläufig. Unregulierte Futures verzeichneten einen Rückgang von 45%, während die CME – hauptsächlich für institutionelle Anleger – 30% tiefere Open Interests misst.
Sind die Retail-Bullen erschöpft oder sind durch die Zwangsliquidationen der gehebelten Futures-Positionen der letzten zwei Wochen klüger geworden? Die Differenz der Futures-Basis zwischen regulierten und unregulierten Handelsplätzen ist schrumpfend – und nähert sich der CME-Basis. Das Contango – wenn der Preis in der Zukunft über dem aktuellen liegt – bei den Krypto-Futures ist nahezu verschwunden.
Die Bitcoinbestände, die Anleger an Kryptobörsen halten, sind seit Mitte April steigend. Aktuell halten Wallets, die Handelsplätzen zugeordnet werden können, einen Bestand von über 2,5 Mio. Bitcoin.
Der Abfluss von Bitcoin aus Kryptohandelsplätzen zu Eigenverwahrung signalisiert das Ende des Kryptoausverkaufs. Je weniger Bitcoin an den Handelsplätzen verfügbar sind, desto grösser ist die Chance nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage, dass die Preise steigen. Typischerweise transferieren Anleger Kryptos zu Börsen, wenn sie ihre Bestände liquidieren wollen. Ständige Nettozuflüsse zu Börsen spiegeln so gesehen eine negative, Abflüsse eine bullische Stimmung.
Weitere On-Chain-Analysen offenbaren, dass die Mehrheit der Bitcoinverkäufe von Kurzzeitanlegern stammte, die die Nerven verloren haben. Die Ambitionen von Bitcoin sind hoch – und dementsprechend auch die Volatilität auf dem Preis. Die Treiber für die voranschreitende Adaption von Bitcoin und Kryptos sind nach wie vor intakt – Inflation, Dezentralisierung, Programmierbarkeit, Privatsphäre, Zensurresistenz. Alles Faktoren, die dem Zeitgeist entsprechen.
Der Krypto-Crackdown in China zwingt Krypto-Miners zur Einstellung des Geschäftsbetriebs. Mining-Betreiber wie Huobi und BTC.TOP stellen das Geschäft in China ein – nachdem Beijing seine Bemühungen, gegen Bitcoin-Mining und -Handel vorzugehen, verstärkt hat. Dies äusserte sich unmittelbar in fallenden Kryptopreisen. Solche Schlagzeilen kommen alle paar Jahre und machen den Markt (noch) nervös – aber die Bitcoinadaption schreitet weiter voran.
Der Fear & Greed Index, der die Emotionen (Angst & Gier) am Kryptomarkt misst, fiel letzte Woche auf 10 – extreme Angst –, als sich die Panik auf dem Kryptomarkt ausbreitete. Der Index steht auf dem Tiefststand von März/April 2020, als die Coronakrise ausbrach.
Die Anhäufung (HODLing) von Bitcoin in Phasen von extremer Angst ist aus historischer Perspektive eine äusserst profitable Strategie. Was sich auch mit der Empfehlung von Baron Rothschild deckt: «Man kauft, wenn die Unsicherheit und die Verkaufspanik am grössten sind.»
Die Handelsvolumen an den Börsen explodieren während eines Preiszerfalls historisch gesehen. Auch so am Mittwoch, 19. Mai, als alle Spotrekorde gebrochen wurden – Bitcoin im Gegenwert von 35 Mrd. $ wechselten an den führenden Kryptospotbörsen die Hand, was dem höchsten jemals aufgezeichneten Spotvolumen entspricht.
Der Volumenrekord resultiert aus massiven Zwangsliquidationen. Long-Positionen im Gegenwert von über 3 Mrd. $ wurden an diesem Tag liquidiert – das zweithöchste Liquidationsvolumen je, hinter dem 18. April mit 4,9 Mrd. $ liquidierten Gegenwert. Diese Zwangsliquidationen erklären das tiefere Open Interest an Futures-Börsen und auch einen Teil der Futures-Kurve, wo das Contango verschwindet.
Der Margin Call im letzten Sell-off könnte dramatischer gewesen sein als die in der Vergangenheit aufgrund der stärker betroffenen Sicherheiten (Collateral). Der Preiszerfall von 50’000 auf 30’000 $ hat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Anleger mit konservativerem Hebel getroffen.
Am Montag sorgte ein Interview für Gesprächsstoff, das der Chef des amerikanischen Office of Comptroller of Currencies (OCC) der «Financial Times» gab. Er sprach sich für klare Guidelines aus – was zu begrüssen ist: Eine klare Regulierung – sprich, weniger Rechtsunsicherheit – wird der Adaption des Bitcoins helfen.
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