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14:16 Uhr - 24.09.2014

Fettleber-Hepatitis birgt riesiges Marktpotenzial

Gelingt der Durchbruch bei der Krankheit, winkt Umsatz im zweistelligen Milliardenbereich. Intercept, Genfit und Gilead sind am weitesten.

Es gibt nicht viele Krankheiten, bei denen Pharmaunternehmen auf einen zweistelligen Milliardenumsatz pro Jahr hoffen können. Bei der bisher wenig erforschten Fettleber-Hepatitis (Non-Alcoholic Steatohepatitis, NASH) könnte das laut Branchenbeobachtern dereinst aber der Fall sein. zoomInsgesamt rechnen die Analysten der Deutschen Bank mit einem Marktpotenzial von rund 37 Mrd. $ weltweit bis 2030. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 32%.

Vor allem fettleibige Personen im mittleren Alter haben ein erhöhtes Risiko, dereinst an NASH zu leiden. Die Krankheit kann zu einer lebensbedrohlichen Leberzirrhose führen. Noch gibt es keine Arzneimittel, die wirklich Erfolg versprechen. Die Wirkung bereits erhältlicher generischer Präparate ist umstritten. Ärzte empfehlen Patienten bisher vor allem gesündere Ernährung und sportliche Betätigung. Dennoch ist eine teure Lebertransplantation oft unumgänglich. In der Schweiz kostet eine solche Gewebeübertragung zwischen 110’000 und 180’000 Fr. Medikamente, die Heilung versprechen, würden also einen deutlichen medizinischen wie auch ökonomischen Nutzen bringen.

Biotech in Führung

Zu den führenden Unternehmen, die an der Entwicklung entsprechender Wirkstoffe arbeiten, gehören die Biotech-Gesellschaften Intercept, Genfit (GNFT 42.64 4.51%) und Gilead (GILD 105.39 -0.08%) Sciences. Die bisher keine marktreifen Produkte haltende Intercept aus den USA scheint dabei am weitesten. Das Unternehmen hat in klinischen Tests der Phase II durchschlagende Ergebnisse erzielt. Detaillierte Daten fehlen zwar noch und werden erst im November vorgestellt. Sie sollen aber so gut gewesen sein, dass Intercept beschlossen hat, die Tests im Januar frühzeitig abzubrechen. In der Folge avancierten die Aktien um 38%.

Nicht nur bei Investoren, sondern auch bei Konkurrenten wie Genfit aus Frankreich dürften die Studiendaten von Intercept Aufsehen erregt haben. Die Gesellschaft will selbst Daten eines Phase-II-Tests im ersten Quartal des nächsten Jahres vorstellen und geht dabei sogar noch einen Schritt weiter. Während Intercept nur eine Linderung der Krankheit anstrebt, will Genfit, die ebenfalls noch keine Arzneimittel auf dem Markt hat, NASH mit ihrem Medikament ganz heilen.

Nicht ganz unerwartet ist auch die ungleich grössere Gilead  im Bereich NASH engagiert. Das US-Biotech-Unternehmen hat bereits Erfahrung bei Lebererkrankungen. Mit Sovaldi (Umsatz erstes Halbjahr 5,8 Mrd. $) kann die bisher nur umständlich behandelbare leberangreifende Krankheit Hepatitis C heute binnen drei Monaten geheilt werden. Die Behandlung ist aber entsprechend teuer.

zoom

Bei NASH setzt Gilead im Gegensatz zu Intercept und Genfit nicht auf die Heilung der Krankheit selbst, sondern nur auf die Behandlung der daraus entstehenden Fibrose (Vorstufe der Zirrhose). Insofern rivalisiert das Produkt von Gilead nicht mit denjenigen der Konkurrenz. Vielmehr könnte es dereinst im Verbund Anwendung finden. Auch Gilead ist derzeit an klinischen Tests der Phase II. Resultate folgen voraussichtlich im August 2015.

Schwieriges Studiendesign

Bei allen drei Anbietern fehlt noch der definitive Wirksamkeitsnachweis, der nur in einer viel grösser angelegten klinischen Studie der Phase III erreicht werden kann. Hier liegen laut Experten bedeutende Herausforderungen. Bisher verfügen weder die involvierten Unternehmen noch die Regulierungsbehörden über Erfahrung bei der Konzipierung entsprechender Studien. In Fachkreisen ist umstritten, welche klinischen Ziele konkret gesetzt werden müssen. Ein weiteres Problem sind fehlende Diagnostikmöglichkeiten. Bisher wurde die Wirksamkeit der potenziellen Heilmittel mit der Entnahme von Gewebe (Biopsie) überprüft. Die Ergebnisse dieser Methode sind aber schwer zu interpretieren. Auch ist die Anwendungsart mit einem kleinen invasiven Eingriff  (Biopsienadel) und damit mit einem Risiko für den Patienten verbunden. Weniger riskante Alternativen, wie die Anwendung von Ultraschall (FibroScan), sind bisher nicht überall zugelassen und haben nur einen begrenzten Nutzen. Bis das erste Medikament auf dem Markt ist, dauert es also noch eine Weile. Die Analysten der Deutschen Bank rechnen nicht vor 2019 mit einem entsprechenden Wirkstoff.

Neue Diagnostik-Tools nötig

Nicht nur das Studiendesign hängt von den Entwicklungen in der Diagnostik ab. Auch das Marktpotenzial unterliegt diesem Faktor. NASH-Betroffene leben bis zur Fibrose oft ohne Symptome. Eine Biopsie wird angesichts der Risiken und des Aufwands von den Ärzten nicht routinemässig angewendet, und über FibroScan kann nur eine Fibrose festgestellt werden, nicht aber NASH an und für sich.

Anleger brauchen somit Geduld und Risikofähigkeit. Wer sich bereits heute positionieren will, kann Gilead in Erwägung ziehen. Die Valoren sind mit einem KGV von 11 für 2015 nicht mehr so hoch bewertet wie zu Beginn des Jahres. Hinzu kommt, dass das Unternehmen als einzige der drei gegenwärtig am aussichtsreichsten im NASH-Markt positionierten Biotech-Gesellschaften in der Medikamentenherstellung schon etabliert ist. Gilead ist nicht nur bei Hepatitis C, sondern auch bei Arzneimitteln gegen Aids führend. Investments in Intercept und Genfit kommen dagegen nur für Anleger mit einem überdurchschnittlichen Risikovermögen in Frage.

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