Wirtschafts- und Börsenaufschwung gehen bei zunehmender Volatilität weiter. Mit dieser Prognose liegt die Bank Pictet im Trend. Womit sie aufhorchen lässt: Die SNB könnte der EZB zuvorkommen.
Die Dynamik von Konjunktur und Unternehmensgewinnen war in diesem Jahr stärker, als selbst kühne Optimisten vorausgesagt hatten. Das erklärt die kräftige Wertsteigerung an den Börsen. «Wir befinden uns im spätzyklischen Umfeld, was aber nicht heisst, dass nun der Abschwung folgt», erklärt Anastassios Frangulidis, Chefstratege der Genfer Privatbank Pictet, am traditionellen halbjährlichen Wirtschafts- und Marktausblick. Der aktuelle Konjunkturzyklus in den USA sei der drittlängste der Geschichte, und in einem Jahr werde es der längste sein.
Dass es so weit kommen wird, steht für Frangulidis ausser Zweifel. Nicht nur expandiert die Wirtschaft auf der ganzen Welt. Der Aufschwung findet mit Handel, Privatkonsum und Investitionen auch in allen Sektoren statt. Und wichtig: «Die Notenbanken treten diesmal später auf die Bremse, als es in früheren Phasen der Fall war», betont Frangulidis. Tatsächlich können sie sich diese Zurückhaltung leisten, denn der Preisauftrieb ist weiterhin gering.
Beschleunigte Inflation in der Schweiz
Noch sei er gering, fügt der Pictet-Stratege an und erwartet keinen dramatischen Anstieg. Aber weil das konjunkturelle Wachstum in allen Regionen inzwischen das Potenzial übersteige, nehme der Preisdruck vor allem in den USA allmählich zu. Eine höhere Volatilität und Vorsicht im Zinsbereich – namentlich bei Staatsanleihen – sind für ihn die logische Konsequenz dieser Entwicklung.
Frangulidis geht noch einen Schritt weiter und weist darauf hin, dass die Inflation in Europa und in der Schweiz unterschiedlich verläuft. Europa hat sich früher als die heimische Wirtschaft aus der Deflation befreit, doch seit längerer Zeit bewegt sich die Inflation im Euroland stabil zwischen 1,4 und 1,7%. In der Schweiz hingegen liegt die Teuerungsrate aktuell bei nur 0,7%.
Überraschungscoup 2018
In der Schweiz ist die Inflationsrate tiefer, aber sie tendiert deutlich nach oben. Grund dafür sind die sich verbessernde Konjunktur und der seit einiger Zeit schwächere Franken. Für Frangulidis ist die Schweizer Währung handelsgewichtet keineswegs «stark überbewertet», wie manche Strategen behaupten. Ein stabiler Wechselkurs und ein weiteres Anziehen der Inflation in der Schweiz könnten zur Folge haben, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 3924 -0.2%)) schon gegen Ende 2018 den Negativzins aufheben werde. «Für mich wäre das die Überraschung des Jahres. Denn das hiesse, dass die SNB bereits vor der Europäischen Zentralbank die Zinsen erhöhen würde», sagt Frangulidis.
Für Pictet ist dieses Szenario ein Grund, gegenüber Schweizer Regierungsanleihen – die zehnjährigen «Eidgenossen» rentieren mit –0,14% noch immer negativ – besonders zurückhaltend zu sein, da sich die Kurse der Obligationen gegenläufig zu den Zinsen bewegen. Die allermeisten Auguren rechnen mit der umgekehrten Reihenfolge: zuerst die EZB und dann die SNB. Für Erstere kommt eine Zinserhöhung erklärtermassen nicht vor 2019 in Frage.
Bei Aktien Europa und Japan
Optimistisch ist die Genfer Bank weiterhin für Aktien. Die Unternehmensgewinne würden voraussichtlich weniger stark wachsen als 2017, könnten ihr beeindruckendes Niveau aber halten. Für besonders attraktiv hält Pictet die Eurozone und Japan. In Europa trage der Markt den stark verbesserten Wirtschaftsdaten noch zu wenig Rechnung, und davon werde auch die Schweiz profitieren. In Japan halte die expansive Wirtschafts-, Fiskal- und Geldpolitik unter der inzwischen mehrmals wiedergewählten Regierung Abe an, eine für Japan ungewöhnliche Konstanz.
In beiden Märkten sieht Pictet das zyklische Nebenwertesegment im Vorteil. Unter den übrigen Anlageklassen favorisiert sie inflationsgeschützte Anleihen und marktneutrale Strategien. «Für die Zeit nach der Hausse» stellt Frangulidis ein marktneutrales Produkt vor, das eine Rendite von 3% über Libor (vor Kosten) verspricht.
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