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18:26 Uhr - 30.10.2015

Nick Hayek: «Selten so viele Chancen wie heute»

Nick Hayek, CEO der Swatch Group, ist nach den zuletzt schwierigen Monaten für 2016 äusserst zuversichtlich. Er begründet seinen Optimismus mit der vollen Pipeline in allen Uhrenmarken.

Die Uhrenindustrie tickt langsamer als früher. Swatch-Group-CEO Nick Hayek sieht sich dennoch in einer «Situation, in der es viel mehr Chancen als Risiken gibt». Als Motor nennt er nach wie vor China. Die gute Marktstellung seines Unternehmens dort, die Entwicklung der Schmuckmarke Harry Winston und die Innovationsfreude im Konzern stimmen ihn zuversichtlich für 2016.

Zur PersonSeit zwölf Jahren bereits steht Nick Hayek operativ an der Spitze des weltgrössten Uhrenherstellers Swatch Group. Als CEO hat er das Unternehmen kontinuierlich ausgebaut und besonders das Netz der eigenen Boutiquen gestärkt. Die Kontrolle des Vertriebs stützt in anspruchsvollen Zeiten die Margen. Wie bereits sein Vater und Unternehmensgründer Nicolas G. Hayek hat der 61-Jährige stets die langfristige Unternehmensentwicklung und nicht den schnellen Gewinn vor Augen. Vor dem Eintritt in die Swatch Group war Hayek im Filmgeschäft tätig.Herr Hayek, im Frühling schien es, die Krise im Chinageschäft sei überstanden. Im September fielen die Exportzahlen wieder ausgesprochen schwach aus. Ein Rückschlag?
Nein, die Exportzahlen haben keinen direkten Zusammenhang mit echten Verkaufszahlen. Die Exportstatistik sagt nur etwas über Lieferungen an Filialen oder Agenten aus, hat aber nichts zu tun mit dem Endkonsumenten. Uns interessiert nur der Durchverkauf, das heisst, was im Laden vom Kunden gekauft wird. Ein Beispiel: Die Uhrenexporte in die USA zeigen für September ein Minus von 17%. Wenn ich aber unseren Absatz in dieser Periode anschaue, haben wir ein sattes Plus in Lokalwährungen. Omega, Tissot und Swatch wachsen sogar zweistellig.

Wie deutlich ist in China das Interesse der Konsumenten an Uhren gesunken?
In China ist der Konsum absolut intakt, nur haben sich die Kaufgewohnheiten geändert, vor allem wegen der Wechselkurse. Chinesen reisen heute nach Japan, Thailand oder Europa und kaufen sich dort eine Uhr. Das hat natürlich einen Einfluss auf den Umsatz, weil ausserhalb von China die Uhren günstiger und unsere Margen tiefer sind. Aber die Chinesen kaufen nicht weniger ein, nur woanders.

Innovationen sollen Umsatz ankurbelnDer starke Franken und die schwächelnde Nachfrage in den margenträchtigen Orten wie Hongkong und Macau sind nicht spurlos an der Swatch Group vorbeigegangen.
Informieren Sie sich hier zu den Swatch-Aktien.
Anfang Oktober fand die Golden Week statt – eine Feiertagswoche, die Chinesen unter anderem für Shopping benützen. Gibt es erste Rückmeldungen?
Die ersten Tage waren etwas schwierig, die zweite Hälfte war jedoch gut. Aber sie ist nicht zu vergleichen mit früheren Golden Weeks, als der Umsatz bis zu 30% zunahm. Das kann man auch nicht Jahr für Jahr erwarten.

Wie ist die Entwicklung in Hongkong?
Hier sehen wir vor allem eine Verunsicherung bei den Händlern. Sie wurde von denjenigen Konkurrenten zusätzlich angefeuert, die mit massiven Preiserhöhungen und dann wieder -reduzierungen auf die Wechselkursveränderungen reagierten.

Ist eine Normalisierung in Sicht?
In den nächsten sechs Monaten wird sich Hongkong nicht massiv erholen. Aber auch dort ist jetzt der richtige Moment, um zu investieren. Gute Standorte für eigene Läden gibt es wieder zu viel tieferen Mieten. Mittel- und langfristig sind die Aussichten hervorragend. Ich würde sagen, ein Paradies für jeden unternehmerisch und strategisch langfristig denkenden Menschen.

Die Swatch Group erzielt fast 40% des Umsatzes in Greater China. Ein ziemliches Klumpenrisiko?
Nein, ein riesiger Vorteil, eine Klumpenchance. China hat den grössten Mittelstand der Welt mit weit über 100 Mio. Menschen, und er wächst weiter. Das ist sehr gesund für eine Volkswirtschaft. Es wird viel in Bildung und Infrastruktur investiert. China ist dabei, sich weiter zu liberalisieren, sich zu öffnen. Natürlich kann das Wachstum nicht ewig zweistellig oder im hohen einstelligen Bereich weitergehen. Aber China ist mit seinen 1,3 Mrd. Menschen viel stabiler und berechenbarer als die USA. Nebenbei: Wer hat denn in den letzten fünfzehn Jahren mit schöner Regelmässigkeit die Welt immer wieder an den Rand des Finanzkollapses gebracht?

Also kein Alarmzustand in der Swatch Group?
Nein, im Gegenteil. Wir befinden uns in einer Situation, in der es viel mehr Chancen als Risiken gibt. Unsere Fabriken sind ausgelastet. Wir haben Vollbeschäftigung. Wir führen unser Unternehmen langfristig und ändern unsere Strategien nicht jeden Morgen und Abend je nach Börsenkurs.

Die Finanzmärkte sehen die Lage aber deutlich prekärer.
Analysten schauen maximal von Monat zu Monat und blenden langfristige Zusammenhänge oder Vergleiche total aus. Sie sehen nur Risiken, keine Chancen. Ich habe aber selten eine Ausgangslage gesehen, die uns so viele Möglichkeiten bietet wie heute. Innovationen werden sofort aufgesogen. Ich denke an die neue Metas-Zertifizierung, die James-Bond-Omega, die Bezahl-Swatch. Kunden wollen neue Produkte. Das ist kein Klima der Verunsicherung, auf alle Fälle nicht beim Konsumenten.

Was erwarten Sie vom Jahresendspurt?
Es gibt schon lange kein eigentliches Weihnachtsgeschäft mehr. So sind die November- und Dezemberzahlen etwa vom Zeitpunkt des chinesischen Neujahrs beeinflusst, und unzählige andere variable Feiertage finden sich im ganzen Jahreskalender. Was mich grundsätzlich positiv stimmt, sind die vollen Produktpipelines aller unseren Marken und die Lust des Konsumenten zu kaufen.

Was heisst das für das Gesamtjahr 2015?
Können Sie mir den Frankenkurs im November und Dezember nennen? Ich weiss es nicht. Wir wollen und werden in Lokalwährungen wachsen, das ist relevant. In Franken mache ich keine Vorhersage.

Die Marge des ersten Halbjahres von 20% werden Sie aber nicht halten können.
Ich mache nie Ergebnisprognosen. Die Swatch Group hat immer wieder gerade auch in schwierigeren Zeiten vermehrt investiert, in die Mitarbeitenden, in die Fabriken, ins Marketing und auch ins Retailnetz. Das war immer ein Schlüssel zu unserem Erfolg. Es wäre ein Leichtes, auf über 20% Marge zu kommen. Dazu müssten wir nur den Marketingaufwand kürzen, der je nach Marke bis zu 14% beträgt. Das würde aber die mittel- und langfristige Entwicklung gefährden. In Festlandchina zum Beispiel wäre ein solcher Schritt verheerend, auch für die Motivation der Mitarbeitenden. In China investieren wir sogar noch mehr.

Und Ihre Erwartungen für 2016?
Da bin ich wirklich zuversichtlich. Wir sind gut aufgestellt, haben dieses Jahr kräftig investiert, die Pipeline stimmt. Dazu kommt, dass 2015 von vielen wirtschaftlichen und politischen Negativmeldungen geprägt war.

Zur Pipeline gehört die Bezahluhr, die in China startet. Was erhoffen Sie sich davon?
Es ist primär eine normale Swatch mit der herkömmlichen Technologie, die durch einen NFC-Chip ergänzt wird und die es erlaubt, die Uhr wie eine Kredit- oder Debitkarte zu benutzen. Sie kostet etwa 10 Fr. mehr als eine normale Swatch.

Wann kommt die Uhr in der Schweiz?
Wir haben bereits Gespräche mit möglichen Partnern geführt. Anders als in China werden die Zahlungen aber nicht über eine Debitkarte abgewickelt, sondern am Anfang wahrscheinlich über eine Prepaid-Lösung. In der Schweiz ist der Zahlungsverkehr eine regulatorisch komplexe Angelegenheit, komplexer als in China oder auch den USA.

Konkret, wann können Sie starten?
Die Uhren sind bereit. Der Start sollte im Frühjahr 2016 möglich sein.

Hat die Bezahluhr das Zeug zum Renner?
Der Konsument kauft eine Swatch nicht zuerst wegen einer Funktion, sondern wegen der Emotion, des Designs. Mal schauen, wie sich das entwickelt. Wir mussten keine grossen Summen investieren, um dieses Produkt zu lancieren, darum werden wir von Anfang an damit Geld verdienen, auch mit kleinen Stückzahlen. Wenn die Nachfrage explodiert, sind wir schnell bereit, Millionen Swatches zu produzieren und zu liefern.

Rundes PortfolioDer jüngste Neuzugang im breiten Markenportfolio der Swatch Group ist die Schmuckmarke Harry Winston. Ihr Kauf 2012 füllte eine Lücke, war das Unternehmen doch im aufstrebenden Schmucksegment untervertreten. Mit insgesamt 18 Marken ist der umsatzstärkste Uhrenhersteller der Welt in allen Preissegmenten vertreten. Einen Rückzug aus dem Basissegment, wie ihn angelsächsische Analysten schon vorgeschlagen haben, lehnt CEO Nick Hayek klar ab. Zu weiteren Markenzukäufen wird es auf absehbare Zeit ebenso wenig kommen. Für Hayek birgt nicht nur Harry Winston, sondern das ganze aktuelle Portfolio so viel Potenzial – auch dank Uhren mit Zusatzfunktionen –, dass eine externe Verstärkung nicht nötig sei.zoomWie entwickelt sich das Geschäft in den USA, die ja von China die Wachstumsrolle in der Luxusgüterbranche übernommen haben?
Das stimmt nicht, China bleibt der Motor auch im Luxusbereich. Die USA sind jedoch ein wichtiger Markt, wo die Swatch Group Nachholbedarf hat. Aber wir haben viel Terrain gewonnen. Omega und Swatch mit dem eigenen Retailnetz sind sehr erfolgreich, und der Kauf von Harry Winston hat uns einen grossen Schritt vorangebracht. Der nächste Wachstumsschub folgt mit Tissot und Longines, die für mich beide grosses Potenzial haben. Tissot legt im Moment in den USA gar zweistellig zu, dazu kommt jetzt die Zusammenarbeit mit der Basketballliga NBA. Das ist mit viel Arbeit verbunden, bringt aber richtig Schub. Das Interesse an der NBA ist riesig, nicht nur in den USA. Für Tissot ist dies eine Riesenchance, mit klassischen Modellen und der T-Touch ebenso wie mit Neuheiten.

Was erwarten Sie von dem Deal, der Sie in den nächsten sechs Jahren 180 Mio. $ kostet?
Dass wir das Potenzial von Tissot in den USA endlich ausschöpfen können. Bisher wurde die Marke zu wenig wahrgenommen. Auch der Vertrieb ist noch nicht in grossem Umfang organisiert. Die Zusammenarbeit mit der NBA öffnet uns Türen, etwa zu Warenhäusern, und wird Tissot mehr Platz am Verkaufspunkt einbringen.

Welches ist für Sie der Schlüsselmarkt der nächsten Jahre?
Alle Märkte sind wichtig, und es gibt Chancen überall. China bleibt aber d e r Markt. China zu vernachlässigen, wäre äusserst fahrlässig. Nur im überbewerteten Franken sehe ich keine Opportunität.

Das Klumpenrisiko ist somit der hohe Kostenblock in Franken?
Die Swatch Group hat über 150 Fabriken in der Schweiz und ist dem Swiss Made verpflichtet. Ja, ein grosser Kostenblock ist in der Schweiz. Aber das macht mir nicht am meisten Sorgen, sondern die Unsicherheit unserer Währung. Die Schweizerische Nationalbank hat mit ihrem unverhofften Entscheid am 15. Januar grosse Schwäche gezeigt. Ich kritisiere den Entscheid nicht inhaltlich, und ich verlange auch keine neue Untergrenze zum Euro. Die Wahl des Zeitpunkts und die Kommunikation waren aber sehr unglücklich, was dem Vertrauen in die Institution Nationalbank nicht gut getan hat. Wie wird sie entscheiden, wenn der Druck von aussen, getrieben durch politische Entwicklungen, wieder zunimmt? Sie hat keine Glaubwürdigkeit mehr, weil sie eine ängstliche, schwache Führung hat.

Wo haben Sie Spielraum, um die Marge zu stützen?
Mehr Uhren verkaufen. Durch technische Innovationen und optimierten Einkauf die Produktion vergünstigen. Kurzfristig nicht beeinflussen lässt sich dagegen, wo der Konsument einkauft, das hat sich durch die Wechselkurse drastisch geändert hat. Das könnten wir nur mit massiven Preiserhöhungen.

Was Sie ja nicht möchten.
In dosiertem Mass schon, wie wir das in Russland gemacht haben. Ich gebe auch die Hoffnung nicht auf, dass der Franken nicht immer so fest bleibt.

Da klingt eine Portion Skepsis mit, was die Währungsentwicklung betrifft.
Wir führen die Swatch Group unabhängig von den Frankenschwankungen. Wichtig ist, dass wir in Lokalwährungen wachsen. Was am Ende übrig bleibt, ist sekundär. Gleichzeitig wollen wir unser Produktions-Know-how erhalten. In der Schweiz ist dies vielen kleineren Unternehmen nicht mehr möglich, wie mir ein Blick in die Region zeigt. Ihnen fehlt der Rückhalt durch eine Nationalbank, die mit ihren Entscheiden den Produktionsstandort fördert. Mich ärgert es, wenn die «Neue Zürcher Zeitung» die Unternehmen als vorausschauend lobt, die im Ausland vermehrt Produktionsstandorte aufbauen.

Wohin geht die Reise mit der 2013 erworbenen Schmuckmarke Harry Winston?
Da haben wir eine Supermarke an Land gezogen. Sie ist sehr gut unterwegs. Lange Zeit fehlten die Produkte, das haben wir geändert, was die Voraussetzung war, dass das Schmuckhaus nun um 30 bis 50% wachsen kann. Die Profitabilität ist heute zweistellig, nachdem sie zu Beginn, als wir sie übernommen hatten, im tiefen einstelligen Bereich gelegen hatte. Harry Winston ist keine Massenmarke, und dennoch sehe ich ein Umsatzpotenzial von 1 Mrd. $ in ein paar Jahren.

Markenschmuck gilt in der Branche als das Wachstumssegment. Würden Sie gerne mehr davon im Portfolio haben?
Die Harry-Winston-Zahlen zeigen, dass Schmuck derzeit in der Tat heisser ist als Uhren. Die Marke bietet so viele Möglichkeiten, dass ich keinerlei Notwendigkeit einer externen Verstärkung sehe. Das gilt nicht nur für den Schmuck, auch die Uhrenmarken können genügend aus eigener Kraft wachsen.

Die Konzentration auf das eigene Geschäft ermöglicht es Ihnen, Nettoliquidität aufzubauen. Werden Sie sie im Unternehmen investieren, oder kann der Aktionär etwas erwarten?
Der Cashflow ist stark, sodass wir unser Investitionsprogramm ohne Einschränkungen durchziehen können. Er erlaubt uns auch, Kaufopportunitäten wie das Grieder-Haus in Zürich wahrzunehmen. Unsere Dividendenpolitik ist konservativ und wird es bleiben.

 

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