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01:22 Uhr - 18.09.2015

Fed zaudert mit Zinsschritt

Die US-Notenbank macht sich Sorgen um die Weltwirtschaft und lässt die Geldpolitik unverändert. An der Börse löst der Entscheid Verunsicherung aus.

Das Spekulieren geht von Neuem los: Nach seiner mit grosser Spannung erwarteten Sitzung hat das Federal Reserve am Donnerstag beschlossen, mit einem Zinsschritt vorläufig abzuwarten. Wann es nun eine Straffung der Geldpolitik vollziehen wird, bleibt damit weiterhin offen.

Die amerikanische Wirtschaft habe sich zwar deutlich von der Rezession erholt, sagte Notenbankpräsidentin Janet Yellen an der Pressekonferenz. Auch würden sich die Konsumausgauben in den USA ausreichend robust entwickeln, fügte sie hinzu. «Weil es zwischen den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt aber ökonomisch und finanziell signifikante Querverbindungen gibt, muss die Situation im Ausland genau verfolgt werden», räumte sie ein.

Damit ist weiterhin unklar, wie es mit der US-Geldpolitik weiter geht. Der Fed-Vorsitz geht nach wie vor davon aus, dass er noch dieses Jahr die Zinsen erhöhen wird. Allerdings ist er inzwischen weniger überzeugt von einem solchen Schritt als vor drei Monaten. An der Sitzung von Mitte Juni rechneten 15 von 17 Mitglieder im Fed-Gremium für 2015 mit einer Straffung. Nun sind es nur noch 13. Ein Exponent geht sogar bald von negativen Zinsen aus.

Gefahr aus China

«Es besteht keinen Zweifel daran, dass der Fed-Vorsitz durch die Entwicklungen in China und die erhöhten Kursschwankungen an den Kapitalmärkten verunsichert worden ist», folgern die Devisenspezialisten der Privatbank Brown Brothers Harriman & Co. Die zehn stimmberechtigten Angehörigen des Fed-Gremiums haben den Beschluss zu Zögern mit grosser Mehrheit gefällt. Nur Jeffrey Lacker, Präsident der Distriktnotenbank Philadelphia, wollte den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte erhöhen.

Im Schnitt erwarten die Währungshüter neu, dass sich die Federal Funds Zielrate bis Ende 2015 auf 0,375% bewegen wird. Im Juni gingen sie noch von 0,625% aus. Das impliziert, dass sie dieses Jahr höchstens noch einen Zinsschritt für denkbar halten, wogegen es zuvor zwei waren. Zudem wurde das erwartete Zinsniveau für Ende 2016 von 1,625 auf 1,375% gesenkt.

Wenig verändert haben sich hingegen die Annahmen zum Wirtschaftswachstum. Während das Fed für 2015 nun eine leicht grössere Expansion von 2,1% (bisher 1,9%) prognostiziert, geht es für 2016 mit 2,3% (2,5%) von einem etwas langsameren Tempo aus.

Inflation lässt auf sich warten

Eine wichtige Rolle im Kalkül der Währungshüter spielt die geringe Inflation. “Insgesamt haben sich die Bedingungen am Arbeitsmarkt weiter verbessert”, sagte Yellen, etwas abgekämpft wirkend. “Die jüngsten Entwicklungen in der globalen Wirtschaft und an den Finanzmärkten werden aber auf kurze Sicht weiterhin Druck auf die Teuerung ausüben”, fügte sie hinzu.

Die US-Notenbank hält den Leitzins seit Ende 2008 auf nahezu null gedrückt. Für eine Zinserhöhung, will sie “ausreichend zuversichtlich” sein, dass sich die Inflation mittelfristig gegen das Ziel von 2% bewegt. Die Kernrate zur Teuerung bewegt sich jedoch bereits seit mehr als drei Jahren konstant unter diesem Wert. Im Gegensatz dazu steht der Trend am Jobmarkt. Die Arbeitslosenquote ist im August weiter auf 5,1% gesunken, was das Fed als Niveau bei Vollbeschäftigung erachtet.

Wallstreet fehlt ein klares Signal

Die meisten Investoren haben damit gerechnet, dass die US-Währungshüter mit einer Zinserhöhung abwarten werden. Gleichzeitig gingen sie aber auch davon aus, dass Yellen bekräftigen wird, dass es an der übernächsten Fed-Sitzung von Mitte Dezember dann definitiv so weit ist. Davon war jedoch nichts zu hören. «Alles in allem scheint die Fed-Präsidentin keine Eile mit einer Zinserhöhung zu haben. Ein klares Signal gibt es nicht», meint dazu Jim O’Sullivan von Researchdienst High Frequency Economics.

An Wallstreet sorgt das für Irritation. Der S&P 500 gab nach dem Zinsentscheid zunächst nach, zog kurze Zeit später deutlich an und sackte dann erneut ab. Zu Handelsschluss notierte der US-Leitindex auf 1990, was einem Minus von 0,2% entspricht. Besonders heftig fiel die Reaktion am Bondmarkt aus. Die Rendite auf zweijährige Treasuries beispielsweise brach 13 Basispunkte auf 0,68% ein. Unter Druck geriet auch der Dollar. Er büsste zu den wichtigsten Währungen über 1% ein und notierte zum Franken auf 0.96 $/Fr.

Fokus verlagert sich auf Dezember

Die nächste Sitzung wird das Federal Reserve vom 27. bis 28. Oktober abhalten. Die Chancen für eine Änderung der US-Geldpolitik sind dann allerdings gering. Das, weil Yellen dann keine Pressekonferenz abhalten wird, an der sie einen so wichtigen Entscheid ausführlich darlegen könnte. Zudem wird das Fed mehr als ein paar Wochen brauchen, um abschätzen zu können, ob sich die globale Situation genügend beruhigt hat.

An den Märkten wird sich der Fokus damit auf das übernächste Treffen von Mitte Dezember verlagern. Doch auch dann gibt es Fragezeichen. Die meisten Banken haben ihre Handelsbücher für das Jahr zu dieser Zeit bereits geschlossen. Dadurch besteht ein überdurchschnittliches Risiko von heftigen Kursausschlägen. Bedeutende Entscheide in der Geldpolitik werden deshalb in der Regel nicht zu Jahresende gefällt.

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