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11:26 Uhr - 18.03.2015

Öl-Cowboy auf einem wilden Ritt

Der Pionier der Fracking-Industrie hat kräftig vom Energieboom in den USA profitiert. Nun ist sein Lebenswerk gefährdet.

Alles oder nichts: Das ist die Geschäftsphilosophie, mit der sich Harold Hamm zu einem der reichsten Männer Amerikas emporgearbeitet hat. Wie gross seine Risikobereitschaft ist, hat der Gründer des Energiekonzerns Continental (CON 219.4 -3.24%) Resources zuletzt mit einer kühnen Wette auf den Ölpreis demonstriert. Fest davon überzeugt, dass sich der Markt rasch erholen werde, hatte er im Herbst sämtliche bis Ende 2016 laufenden Kontrakte zur Absicherung seines Unternehmens gegen einen tieferen Ölpreis für gut 430 Mio. $ verkauft – ein Entschluss, den er nun schwer bereut. Als Hamm die Schutzverträge verkaufte, kostete ein Fass der US-Referenzsorte WTI rund 80 $. Am Dienstag ist die Notierung zu weniger als 43 $ auf den tiefsten Stand seit sechs Jahren gefallen.

Dass der Ölpreis auf Tauchkurs ist, hat ironischerweise viel mit Hamms Erfolgsstory zu tun. Der stämmige Amerikaner von mittelgrosser Statur hat den kräftigen Förderboom in der amerikanischen Fracking-Industrie ausgelöst, der massgeblich zum aktuellen Überangebot an den globalen Märkten beiträgt. Auf der Jagd nach dem schwarzen Gold (Gold 1148.165 -0.15%) hat der Draufgänger mit dem zuweilen leicht reptilienartigen Gesichtsausdruck als Erster das Potenzial der mächtigen Bakken-Schieferformation in North Dakota erkannt und sie mit unkonventionellen Bohrtechnologien erschlossen. Das Ölfieber breitete sich darauf rasch auf weitere Schieferformationen wie Eagle Ford (F 16.39 1.93%) in Texas oder Haynesville in Louisiana aus und machte die USA zur grössten Energiemacht der Welt. «Cowboyistan» nennt Hamm die neuen Förderregionen, weil das der Mentalität der Fracking-Branche entspreche.

Einen guten Riecher für Öl hat Hamm bereits in jungen Jahren bewiesen. Geboren als dreizehntes Kind einer mausarmen Bauernfamilie aus Oklahoma, verdiente er sein erstes Geld als Tankstellenwart. Mit 22 Jahren gründete er die Vorgängergesellschaft von Continental Resources und begann zunächst damit, Öltanks zu säubern. Im Lauf der Zeit baute er das Unternehmen immer weiter zu einer vollständigen Servicegesellschaft aus. Anfang der Siebzigerjahre entschied er sich erstmals, in der Oswego-Formation im Nordwesten von Oklahoma auf eigene Faust nach Öl zu bohren, und traf gleich ins Schwarze.

Seinen grössten Schachzug machte Hamm Mitte der Neunzigerjahre. Nach einer Reihe von Rückschlägen suchte er nach neuen Ölfeldern und begann, in North Dakota Land zusammenzukaufen. 2004 nahm er die erste Bohrung in Angriff und katapultierte Continental Resources in die oberste Liga der US-Energiebranche. Innerhalb von zehn Jahren kletterte die jährliche Produktion des Unternehmens von 4 auf 45 Mio. Fass Öl pro Jahr und der Börsenkurs stieg bis August 2014 um mehr als das Zehnfache auf über 80 $. Hamm, der gut 70% der Aktien kontrolliert, war damit gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Forbes» knapp 19 Mrd. $ wert.

Wie seine Geschichte ausgeht, wird der Markt entscheiden. Im schlimmsten Fall droht dem 69-Jährigen das gleiche Schicksal wie dem brasilianischen Rohstoffmagnaten Eike Batista, dessen Imperium sich letztes Jahr in Luft auflöste. Obschon der Ölpreis kollabiert ist, pumpt die Fracking-Industrie weiterhin auf Hochtouren. Gemäss der Energiebehörde EIA sind die Lager in den USA inzwischen zu 70% voll, was einem Rekordstand entspricht. Es könnte deshalb eine weitere scharfe Preiskorrektur drohen, wie die Internationale Energieagentur in Paris letzte Woche warnte.

Hamm steht damit vor einer Nervenprobe. Wie die meisten Fracking-Konzerne hat Continental Resources in den vergangenen Jahren massiv in den Ausbau der Produktion investiert und dafür im grossen Stil Schulden aufgenommen. Der Börsenwert hat sich inzwischen auf 15 Mrd. $ halbiert und Hamms Vermögen ist auf 10 Mrd. $ geschrumpft. Schuld daran ist auch die Scheidung von seiner zweiten Frau, der er Anfang Jahr gemäss Gerichtsbeschluss einen Scheck von 975 Mio. $ ausstellen musste.

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