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09:33 Uhr - 03.03.2022

Was der Ukrainekrieg für Krypto bedeutet

Die Ukraine sammelt Bitcoin & Co. für den Krieg. Auf der anderen Seite könnte Russland damit die Sanktionen umgehen.

Der Krieg in der Ukraine hat auch die Kryptomärkte erreicht. Für Aufsehen hat etwa ein Aufruf der ukrainischen Regierung gesorgt, sie mit Spenden über Bitcoin, Ethereum und den Stablecoin Tether (USDT) zu unterstützen. Kiew muss auf diesen unkonventionellen Weg der Kriegsfinanzierung ausweichen: Plattformen zum Crowd Funding erlauben keine Verwendung für Kriegszwecke. Daneben werden aber auch klassische Anleihen herausgegeben.

In den sozialen Medien und der Kryptoszene hat der Aufruf einen Hype ausgelöst: Gemäss der Analysefirma Elliptic wurden an die Regierung und die Nichtregierungsorganisation Come Back Alive, die das ukrainische Militär unterstützt, schon über 30 Mio. $ gespendet. Darunter auch ein NFT, ein Krypto-Echtheitszertifikat auf ein digitales Bild, das auf mehr als 200’000 $ taxiert wird.

Sanktionen können umgangen werden

Auch auf der anderen Seite des Krieges spielen Kryptowährungen eine wichtige Rolle. Denn es wird vermutet, dass die Sanktionen gegen Russland mithilfe der dezentralen Digitalwährungen umgangen werden könnten. So sind wegen des partiellen Ausschlusses russischer Banken aus dem globalen Finanzsystem Swift Alternativen für internationale Transaktionen händeringend gesucht.

Die Verwendung von Krypto wäre nicht ohne Vorbild: Der sanktionsgeplagte Iran hat nach Schätzungen vergangenes Jahr rund 1 Mrd. $ an Bitcoin «geschürft». Nordkorea veranstaltete 2019 gar eine Blockchain-Konferenz, um die Umgehung von Massnahmen zu diskutieren. Der Staat ist für seine Versuche bekannt, über Hackerangriffe an Kryptovermögen zu kommen. Die USA gehen gegen Sanktionsbrecher streng vor: Für einen Vortrag an der Konferenz in Pjöngjang winken dem Kryptoexperten Virgil Griffith nun sechs Jahre Gefängnis.

Die USA und die EU prüfen Möglichkeiten, die Sanktionen auf die Kryptowährungen auszuweiten. «Wir werden Massnahmen zu Kryptowährungen ergreifen, die nicht dafür verwendet werden dürfen, die beschlossenen Finanzsanktionen zu umgehen», hat der französische Finanzminister Bruno Le Maire am Mittwoch angekündigt.

Da es aber keine zentrale Instanz für Bitcoin & Co. gibt, kann man international geächteten Staaten den Zugang technisch kaum verwehren. Die westlichen Regierungen könnten die grossen Kryptobörsen allerdings verpflichten, Transaktionen aus Russland oder in Rubel zu blockieren. Das verlangt etwa die Ukraine. Die grössten Handelsplätze, Binance und Coinbase, haben dies jedoch bereits abgelehnt und blockieren nur Konten von Kunden, die explizit auf einer Sanktionsliste genannt werden. Gar keinen Einfluss haben Regierungen auf Peer-to-Peer-Transaktionen, also Geschäfte zwischen einzelnen Nutzern, die nicht über Börsen laufen.

Krypto bei Russen sehr beliebt

Bitcoin & Co. sind in Russland beliebt. Es gibt dort gemäss einer Schätzung rund 12 Mio. an Wallets – digitalen Portemonnaies – mit einem Vermögen von über 200 Mrd. $. Der Singapurer Zahlungsdienstleister TripleA geht gar von 17 Mio. russischen Kryptobesitzern aus. Beim Schürfen der Kryptowährungen liegt das Land auf Platz drei hinter den USA und Kasachstan, mit einem Anteil von über 10%.

Die grösste Schwierigkeit wird für russische Marktakteure nun sein, die digitalen Vermögen in Devisen zu verwandeln. Denn die Kryptowährungen werden als effektives Instrument für den Handel mit Gütern und Dienstleistungen weiterhin kaum verwendet. Das zeigt sich am Beispiel Nordkorea: Gemäss Experten hat das Land über 2 Mrd. $ an Kryptowährungen angesammelt, aber wegen Problemen beim Tausch gegen Währungen anderer Länder wohl nur einen Bruchteil bisher verwenden können.

Die Preise von Bitcoin und Ethereum haben sich nach einem Rückschlag infolge der russischen Invasion erholt. Anders als Gold hat sich Krypto bisher nicht als sicherer Hafen in Krisenzeiten etabliert. Nun aber lässt sich neuer Optimismus erkennen – wohl auch wegen der Spekulation, dass russische Bürger, Unternehmen und der Staat auf den Kryptokanal ausweichen werden. Der Bitcoinkurs notiert nun wieder deutlich über der Marke von 40’000 $, die Marktkapitalisierung beträgt mehr als 800 Mrd. $.

Dass es sich dabei vorwiegend um Spekulation handelt und nicht um den Effekt eines Anstiegs der tatsächlichen russischen Nachfrage nach Krypto, zeigt die Entwicklung der Anzahl Bitcoinadressen, die aktuell für Transaktionen auf der Blockchain verwendet werden. Bei einem echten Nutzerboom müssten auch viel mehr Adressen verwendet werden, aber das ist nicht der Fall. Zwar ist die Zahl zuletzt gestiegen, aber nur auf das Niveau von Ende vergangenen Jahres.

Kapitalflucht ist für Russland ein Risiko

Trotz der potenziellen Möglichkeit, die westlichen Sanktionen mithilfe von Kryptos zu umgehen, haben die russischen Behörden starke Vorbehalte gegen die dezentralen Währungen. Denn in Ländern mit einer schwachen Währung können die digitalen Vermögenswerte zur Kapitalflucht verwendet werden. Wird so Kapital aus dem Rubel abgezogen, zieht das eine weitere Schwächung der Währung nach sich. Die Möglichkeit zur Umgehung von Kapitalverkehrskontrollen war auch der Hauptgrund, weshalb China vergangenes Jahr alle Transaktionen mit Kryptowährungen für illegal erklärt hat.

Im neuen Quartalsbericht hat die Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) untersucht, inwieweit Kryptowährungen zur Kapitalflucht verwendet werden. Sie kommt darin zum Schluss, dass in Schwellenländern Kryptovermögenswerte, die an eine Reservewährung gebunden sind, wie sogenannte Stablecoins, ein «bequemes Mittel sein können, um Kapitalkontrollen und Geldwäschevorschriften zu umgehen». Bei einer besonders schwachen Lokalwährung würden manche auch in «hoch riskante Kryptowährungen wie Bitcoin» fliehen.

Besonders in Brasilien und der Türkei hat gemäss sich BIZ das Trading mit den Stablecoins im Jahr 2020 rapide ausgeweitet. So habe sich der Anteil der türkischen Lira am Handelsvolumen von Januar bis April von 0,3 auf 11% erhöht. Im Oktober 2021 erreichte der Wert gar über 23%.

Die BIZ-Ökonomen warnen deshalb: «Werden Kryptoanlagen in Schwellenländern verbreitet verwendet, könnte das besonders in Zeiten höherer Währungsvolatilität zu wirtschaftlicher Instabilität führen.» Denn die Effektivität der lokalen Geldpolitik könne darunter leiden. Und falls die Kryptopreise einbrechen oder die Stablecoins nicht mehr funktionieren, könnte dies die Wirtschaftsaktivität behindern.

Verbot von Krypto verlangt

Noch im Januar wollte auch die russische Zentralbank den chinesischen Weg einschlagen. Anfang Jahr preschte die Notenbank mit dem Vorschlag vor, sowohl das Schürfen als auch den Handel von Kryptowährungen zu verbieten. Dahinter steckten anscheinend auch Bedenken der Sicherheitskräfte, dass Oppositionelle sich durch Krypto finanzieren lassen.

Doch innerhalb der staatlichen Stellen hat sich ein gespaltenes Verhältnis zu den Kryptowährungen offenbart. Das Finanzministerium machte sich für eine liberale Regulierung stark. So will man den Zugriff auf ausländische Handelsplätze behindern können.

Bisher ist unklar, inwieweit sich die Sanktionen tatsächlich auf den Preis von Bitcoin & Co. auswirken. Einerseits ist es gut möglich, dass es – in beschränktem Ausmass – Fluchtbewegungen in die Kryptowährungen geben wird. Andererseits werden bei einer anhaltenden Unsicherheit traditionelle sichere Häfen wie der Franken und Gold beliebter bleiben. Auch die Einschränkungen durch die Regulierungsbehörden könnten einer weiteren Kryptorally den Garaus machen.

Auf jeden Fall ist Krypto noch weit davon entfernt, eine Alternative zum konventionellen Finanzsystem darzustellen. Für Russland wird zur Umgehung der Sanktionen wohl wichtiger sein, inwieweit es über China und das dortige Finanzsystem weiterhin internationalen Handel betreiben kann.

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