Boris Collardi freut sich an der guten Aufnahme der Halbjahresresultate und der Fusion mit Merrill Lynch – und verspricht mehr im Interview mit «Finanz und Wirtschaft».
Herr Collardi, Julius Bär wurden nach Veröffentlichung der Halbjahresresultate über 8% höher bewertet. Hat der Markt recht?
Das sind wirklich erfreuliche Resultate, und es war ein exzellentes Halbjahr. Die Halbjahreszahlen unterstreichen, dass wir in der Übernahme und der Integration des internationalen Geschäfts von Merrill Lynch schon sehr viel erreicht haben. 56 der erwarteten 57 Mrd. Fr. Vermögen unter Verwaltung wurden übertragen. Es fehlt nur noch wenig, bis diese wichtige und grosse Transaktion abgeschlossen werden kann.
Was fehlt noch bis zur definitiven Verschmelzung des internationalen Geschäfts von Merrill Lynch?
Die Genehmigung der französischen Überwachungsbehörde für die Integration der französischen Einheit steht noch aus. In Lateinamerika müssen noch einige Vermögenstransfers vorgenommen werden. Auch im Vereinigten Königreich und in Spanien müssen noch Einheiten übertragen werden. Und in Indien ist die Übernahme für 2015 vorgesehen.
Wie ist in diesem Kontext zu interpretieren, dass Julius Bär Aktivitäten der israelischen Bank Leumi in der Schweiz und die Tochtergesellschaft in Luxemburg übernehmen will?
Wir waren mit den Verantwortlichen der israelischen Bank Leumi seit einiger Zeit in Kontakt und wollten diese Möglichkeit unbedingt nutzen. Es ist eine klassische Win-Win-Situation. Leumi kann den Kunden eine erstklassige Adresse vermitteln, wir können wachsen, ohne zusätzliches Risiko einzugehen. Wir übernehmen in der Schweiz ja nicht die gesamte Gesellschaft, sondern transferieren lediglich die Kundenbeziehungen.
Bleiben Akquisitionen für Julius Bär ein Thema?
Ja, und zwar in drei Bereichen. Zuerst einmal wollen wir – wie nun im Fall Leumi – opportunistisch vorgehen und jede sich bietende Möglichkeit prüfen und eventuell nutzen. Gerade der US-Steuerstreit wird die Konsolidierung in der Branche unserer Meinung nach beschleunigen. In der Meldekategorie 2 befinden sich 106 Banken, und nicht alle werden als unabhängige Institute aus diesem Prozess hervorgehen. Dass Banken wie Julius Bär (BAER 40.3 0%), Pactual oder UBP im derzeit schwierigen Umfeld zukaufen, ist eine gute Sache. Zweitens wollen wir weiterhin gezielt in den Wachstumsmärkten wachsen, sei es mit Partnerschaften oder Übernahmen. Und schliesslich können für uns über kurz oder lang auch grössere Akquisitionen wieder ein Thema werden. Bevor es so weit ist, wollen wir jedoch warten, bis wir uns mit den amerikanischen Behörden im US-Steuerstreit geeinigt haben.
Wie sieht es hier aus? Wird eine Busse Julius Bär zwingen, rote Zahlen zu schreiben?
Wir haben diesbezüglich keine Anhaltspunkte. Ich darf daran erinnern, dass wir schon seit Jahren mit den amerikanischen Behörden kooperieren. Wir sind bereit für die Bereinigung der Sache und hoffen, dass dies noch in diesem Jahr erledigt werden kann.
Neben dem Steuerstreit harrt Ihre veraltete IT einer Lösung. Wie weit sind Sie?
Ich darf betonen, dass wir mit unserer heutigen IT-Plattform nach wie vor eine sehr tragfähige Lösung haben. Trotzdem werden wir sie erneuern und sind nun mit der Merrill-Lynch-Übernahme noch besser in der Lage, zu wissen, was wir wirklich brauchen. Wir haben derzeit zwei Gesellschaften in der Schlussevaluation und wollen uns innerhalb des nächsten halben Jahres entscheiden, mit wem wir dieses Projekt realisieren werden.
Wer hat grössere Chancen: Avaloq oder Temenos?
Sie liegen nicht falsch in der Annahme, dass es sich in der Schweiz um diese beiden Gesellschaften handelt. In intensiven Diskussionen werden wir nun klären, wer für uns besser geeignet ist und in welche Form die Zusammenarbeit gegossen werden soll.
Ist auch die Gründung eines Joint Venture ein Thema? Raiffeisen begeht zusammen mit Avaloq diesen Weg.
Wir sind, wie erwähnt, offen für alles. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass Avaloq bereits mit einer ganzen Reihe von Gesellschaften solche B2B-Lösungen realisiert hat. Wir wären so oder so der grösste Kunde von Avaloq.
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