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16:19 Uhr - 16.06.2015

Griechenland: Hauptsache Bargeld

Seit Ende November haben griechische Bankkunden ein Fünftel der Kontobestände abgehoben.

Fast sechs Monate sind vergangen, seit die offiziellen Gläubiger Griechenland Aufschub gewährt haben, um das Reformprogramm mit den Auflagen des auf Eis gelegten Kredits in Einklang zu bringen. Genug Zeit, damit die Bürger des Landes Vorkehrungen für den finanziellen Super-GAU treffen können. Bis Ende April haben sie 32 Mrd. € von griechischen Banken abgezogen, berichtet die Notenbank des Landes. Das entspricht einem Fünftel der heimischen Kontobestände.

Für den Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, ist das Teil der Taktik der Verhandlungsführer in Athen. Wenn griechische Bürger Bargeld von ihren Konten abriefen, um es im Koffer zu verstecken oder ausser Landes zu schaffen, dann sei es vor dem Umtausch in Drachme geschützt, argumentiert er, und dies verbessere den Drohpunkt der griechischen Regierung in den Verhandlungen. Athen zögert also bewusst damit, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, obwohl sie dringend erforderlich wären.

Aber das ist ein gefährlicher Kurs, wenn man  berücksichtigt, dass die Banken des Landes durch den schleichenden Bank Run finanziell ausbluten. Sie werden nur noch durch die Notfinanzierungen der Notenbank liquide gehalten. Die Europäische Zentralbank (EZB) duldet dies, teilt selbst aber keine Liquidität mehr zu.

Trotzdem sind die übrigen Notenbanken resp. die EZB nicht unbeteiligt. Wird Geld ins Ausland überwiesen, läuft die Transaktion über die Notenbanken ab. Eine Überweisung zwingt die Notenbank des Ziellands, den Zahlungsauftrag auszuführen. Es entsteht eine Forderung – Sinn spricht von «Überziehungskredit» – gegenüber Griechenlands Notenbank. Diese ist nicht verpflichtet, die entstandenen Verbindlichkeiten umgehend auszugleichen. Wie viel sich die Notenbanken gegenseitig schulden, wir in den sogenannten Target-Salden festgehalten. An ihnen lässt sich ablesen, dass das meiste Geld von Hellas nach Deutschland überwiesen wird. Die Target-Forderungen der Bundesbank sind seit November um 65 Mrd. € gestiegen. Allein die Verbindlichkeiten der Bank of Greece wuchsen im Gegenzug um 57 Mrd. €.

Viele Griechen setzen inzwischen auf Bargeld. Jeden Monat nimmt der Banknotenumlauf um 160 Mio. € zu, Münzen nicht eingerechnet. In den zwölf Monaten bis Ende April 2015 stieg er um 8%. Sind die Halter damit vor allfälligen Zahlungsverboten für «griechische Euro» im Ausland geschützt? Die EZB hat sich immer gegen solche Verschwörungstheorien gewendet. Euro seien immer gültig, kommuniziert sie. Allerdings warnte EZB-Chef Draghi am Montag davor, bei einem Grexit würden alle in  unbekanntes Terrain vorstossen.

Die Seriennummern auf den Eurobanknoten enthalten Ländercodes. Der Buchstabe Y steht für Griechenland. Bei den neuen Euroserien sind sie entfallen. Ausgewiesen wird nur noch, welche Druckerei die Noten hergestellt hat. Da nicht jedes Land sämtliche sieben Banknoten selbst druckt, soll so vermieden werden, dass Eurolands Bürger bald damit beginnen, zwischen «guten» und «schlechten» Banknoten zu unterscheiden. Die Griechen können also in Ruhe weiter Euro als Bargeld horten.

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