Die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi könnte wegen einem Koalitionsstreit zerbrechen.
Die Regierung in Italien steht möglicherweise vor ihrem Ende. Hintergrund ist ein Streit über ein Konjunkturpaket, dem der Koalitionspartner 5-Sterne-Bewegung seine Zustimmung nicht geben will. Bemühungen einiger Parteien, die für Donnerstag im Senat angesetzte Vertrauensabstimmung zu umgehen, scheiterten. Nun könnte Staatspräsident Sergio Mattarella eine wichtige Funktion zukommen. Es folgen Szenarien, wie es nach einem Bruch der von links bis weit rechts reichenden Koalition und einer Rücktrittserklärung von Ministerpräsident Mario Draghi, eines unabhängigen Politikers, weitergehen könnte:
Mattarella könnte Draghi bitten, in der kommenden Woche erneut eine Vertrauensabstimmung im Parlament abhalten zu lassen. Sollte sich die 5-Sterne-Bewegung entscheiden, die Koalition wieder zu unterstützen, könnte die Regierung der Einheit unter Draghi im Amt bleiben – wenn auch erheblich angeschlagen.
5-Sterne-Chef Giuseppe Conte, der vor Draghi selbst Ministerpräsident war, hat die Tür für Gespräche mit dem Regierungschef offen gelassen. Allerdings dringen immer mehr Mitglieder von Contes populistischer Partei darauf, die Mitarbeit in der Regierung aufzukündigen und in die Opposition zu gehen.
Denkbar ist, dass Draghi eine Vertrauensabstimmung abhalten lässt und die Unterstützung der übrigen bisherigen Koalitionspartner erhält. Darunter sind die weit rechtsstehende Lega von Matteo Salvini, die Demokratische Partei aus dem Mitte-Links-Lager und eine beträchtliche Gruppe von 5-Sterne-Politikern, die sich im vergangenen Monat von Conte losgesagt haben. Ferner gehören ihr die konservative Forza Italia von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi und der kleine sozialliberale Partner Italia Viva von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi an. Draghi hätte mit ihrer Unterstützung in beiden Kammern eine zwar kleinere, aber tragfähige Mehrheit.
Allerdings hat Draghi bereits erklärt, er werde ohne die 5-Sterne-Bewegung keine Koalition führen. Auch Lega-Chef Salvini und die Demokratische Partei (Partito Democratico, PD) haben signalisiert, dass sie keine weitere Regierung unterstützen werden, wenn die 5-Sterne-Bewegung das Konjunkturpaket im Senat nicht mitträgt.
Selbst wenn Draghi sowie Lega und PD ihre Meinung ändern würden, entstünde eine Koalition mit starker Rechtslastigkeit. Damit wäre der Streit zwischen den Partnern programmiert, zumal im kommenden Jahr die turnusgemäße Parlamentswahl ansteht und die Parteien ihr Profil schärfen wollen.
Tritt Draghi zurück und ist nicht willens, eine neue Regierung zu führen, kann Präsident Mattarella das Parlament auflösen und eine Neuwahl anordnen. Diese könnte Ende September oder im Oktober stattfinden. Draghi könnte geschäftsführend im Amt bleiben. Mattarella könnte aber auch jemand anderen bitten, die verbleibende Zeit der Legislaturperiode die Regierung zu führen.
Allerdings birgt eine Neuwahl Risiken. Nicht nur könnte die weit rechts stehende Lega erstarken. Italien muss auch in diesem Jahr noch etliche Fristen einhalten, um Milliarden an EU-Mitteln zu erhalten. Zudem muss der Haushalt verabschiedet werden, was üblicherweise in den letzten Monaten des Jahres geschieht. Ohne eine funktionsfähige Regierung könnte das misslingen.
Um eine vorgezogene Wahl und finanzielle Turbulenzen zu vermeiden, könnte Mattarella versuchen, eine neue Einheitsregierung zu bilden. Diese könnte eine unabhängige Persönlichkeit berufen, um die Regierung bis zur turnusgemäßen Parlamentswahl 2023 zu führen.
Allerdings ist nur schwer vorstellbar, dass sich die bisherigen Partner von Draghis Regierung unter einem neuen Ministerpräsidenten oder einer neuen Ministerpräsidentin zusammenfinden würden.
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