Mehr Transparenz und Green Bonds genügen nicht für einen «nachhaltigen» Finanzplatz. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Eflamm Mordrelle.
Die Schweiz will einen internationalen Spitzenplatz bei nachhaltigen Finanzanlagen. Das ist das ambitionierte Ziel, das der Bundesrat diese Woche der Finanzbranche gesetzt hat. Die Empfehlungen, die er dafür formuliert, sind zunächst naheliegend: Vergleichbare Klima-Indikatoren sollen mehr Transparenz bei allen Finanzprodukten schaffen. «Implizite Temperatur-Kennzahlen» sollen dafür sorgen, dass die Produktionspläne von in Portfolios enthaltenen Firmen mit einer Entwicklung verglichen werden, die nötig ist, um die maximale globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wie durch die Pariser Klimaziele vorgeschrieben.
Die Branche wird zudem ermutigt, internationalen «Netto-null-Allianzen» beizutreten. Um Kunden vor Greenwashing – also ökologischer Irreführung bei Finanzprodukten – zu schützen, will der Bundesrat «einheitliche Definitionen von Nachhaltigkeitswirkungen» fördern. Als Zeichen, dass man es ernst meint mit der Spitzenposition, sollen bis Ende 2022 die Grundlagen entstehen, um Green Bonds, also ökologische eidgenössische Anleihen, emittieren zu können. «Grüne Eidgenossen» würden für die Finanzierung von Projekten verwendet, die sich positiv auf die Umwelt auswirken, also für erneuerbare Energien, energieeffiziente Gebäude und dergleichen.
Wann die erste grüne Emission kommen wird, ist offen, wohl frühestens 2023. Der Markt für grüne Bonds boomt aber schon lange. Im letzten Monat haben Grossbritannien, Spanien und die EU ihre ersten grünen Anleihen emittiert. Die USA, China, Frankreich und Deutschland sind schon dabei. So ist offensichtlich: Mit Green Bonds kann sich die Schweiz nicht als grüne Pionierin profilieren. Dass die Eidgenossen-Bonds auch in grün erhältlich sein müssen, ist heutzutage selbstverständlich. So sind sie aber nicht mehr als ein «Zeichen für Nachhaltigkeit» zu verstehen, wie vom Bundesrat formuliert. «Grüne Eidgenossen werden allein keine direkte Umweltwirkung haben», gibt er offen zu, dafür seien «politische Entscheide» und «konkrete Massnahmen» erforderlich.
Diese fehlen zunächst auch bei den «nachhaltigen Finanzanlagen». In eidgenössischer Manier wird vorerst auf freiwillige Branchenvereinbarungen gesetzt, bis Ende 2022 wohlwollend vom Bund begleitet. Anders als bei umstritteneren Themen dürften die branchengetriebenen Bemühungen einigermassen zielführend sein, zumal weitherum Konsens besteht, dass standardisierte Klimaverträglichkeitsmessungen eine Grundvoraussetzung für einschlägige Massnahmen sind. Zentral sind die vom Bund koordinierten, freiwilligen Pacta-Klimatests. Dieser standardisierte Stresstest ist international vergleichbar und erlaubt es Schweizer Finanzinstituten, eine anonyme Bestandesaufnahme ihrer Klimabemühungen zu machen.
Weshalb die nächste Durchführung 2022 wieder nur freiwillig erfolgen soll, erschliesst sich angesichts der beim Test von 2020 zum Vorschein gekommenen Defizite in der Umsetzung von Klimamassnahmen nicht. Auch Mindestanforderungen will der Bund keine vorgeben – die Branche darf sich diese selbst setzen. Gemäss einem Bundesratsbericht ist aber schon jetzt klar, dass Mindeststandards und die Teilnahme an einem regelmässigen Klima-Monitoring das «Ambitionsniveau» der Branchenvereinbarungen erheblich steigern würde.
Auch inwiefern die vorgeschlagenen Transparenzmassnahmen in Anlehnung an die EU-Offenlegungsrichtlinien (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) und im Nachgang des indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative das Potenzial haben, Klimawirkung zu entfalten, ist unklar. Zumal die SFDR im Ruf steht, nicht viel mehr leisten zu können, als einigermassen Vergleichbarkeit herzustellen. Das Nachholen von Green Bonds und Nachvollziehen von Transparenzregeln der EU gibt der Schweiz keine Führungsrolle bei der Schaffung eines nachhaltigen Finanzplatzes. Ein Anfang ist gemacht, aber man ist spät dran. Der Bundesrat muss aufpassen, nicht selbst Greenwashing zu betreiben.
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