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07:14 Uhr - 18.07.2017

Schweizer Wohnungsmarkt bleibt risikobehaftet

Die rege Bautätigkeit trifft auf geringere Nachfrage im Mietwohnungsbereich. Beim Eigentum hinkt die Entwicklung hinterher.

Der Schweizer Wohnungsmarkt war jahrelang von einem Ungleichgewicht gekennzeichnet: Die Nachfrage nach Wohnungen überstieg das Angebot bisweilen deutlich. Erstmals seit 2008 war der Markt 2016 nun wieder im Gleichgewicht. Angebot und Nachfrage haben sich mehr oder weniger getroffen, die Preise waren insgesamt stabil. Daraus zu schliessen, die Gefahr einer Immobilienblase sei gebannt, ist allerdings voreilig.

Seit 2009 wird die Marktentwicklung mit Blick auf die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit unter die Lupe genommen. Im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen veröffentlicht die Arbeitsgemeinschaft Meta-Sys/Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften jährlich einen Bericht zum Zustand des Wohnungsmarktes.

Das Angebot an neuem Wohnraum ist 2016 stärker gewachsen als die Zahl neuer Haushalte, die rund 1% zugenommen hat. Dabei verteilt sich das Wachstum an Haushalten rund je hälftig auf Schweizer und Ausländer. Das Gleichgewicht ist wesentlich Resultat der regen Bautätigkeit der vergangenen Jahre. Der hohe Nachfrageüberhang hat zu einer steten Ausdehnung des Angebots an Wohnungen geführt. Die höchste Zuwachsrate wurde 2015 mit einem Plus von 1,5% registriert.

Steigende Preise wirken nachfragedämpfend

Zudem haben die seit 2005 stark gestiegenen Preise nachfragedämpfend gewirkt. Sie sind im Schnitt 30% gewachsen. Vorab diese zwei Faktoren haben zur Entspannung geführt. Eine ergänzende Rolle gespielt haben gemäss Studie auch die politischen Massnahmen.

Es gilt jedoch zu differenzieren zwischen den Miet- und den Eigentumswohnungen. Im Mietwohnungsbereich wurde das Wohnungsangebot ausgeprägter ausgebaut. Dazu hat der als Folge der niedrigen Zinsen herrschende Anlagenotstand beigetragen. Der Markt ist insbesondere noch angespannt im unteren Preissegment in einigen Städten wie etwa Zürich, Winterthur, Genf oder Bern.

Der Wohneigentumsbereich hinkt der Entwicklung hinterher, das Gleichgewicht wurde noch nicht erreicht. Das Angebot dehnt sich gemäss der Studie langsamer aus, der Nachfragedruck bleibt vor allem im mittleren und im unteren Preissegment hoch. Das spiegelt sich in den Preisen: Gesamtschweizerisch sind sie 2016 um 1,3% gestiegen. In Zürich waren es 2,2% und in der Nordwestschweiz gar 2,8%. Immerhin geht die Studie davon aus, dass sich die Lage auch im Eigentumsbereich langsam entspannen wird.

Daniel Sager von Meta-Sys, Co-Autor der Studie, rechnet damit, dass «das Gleichgewicht vorerst stabil bleibt. Daran könnten kurzfristig nur massive Schocks seitens der Zuwanderung oder der Zinsen etwas ändern.» Beides erscheint allerdings wenig wahrscheinlich.

Blasengefahr nur «minim kleiner»

Dennoch kommt Sager zum Schluss, dass die Gefahr einer Immobilienblase insgesamt nur «minim kleiner» geworden ist. Aufgrund der regen Bautätigkeit und der geringeren Nachfrage könnten sich wieder Ungleichgewichte ergeben. Die Bautätigkeit reagiert gemäss Sager mit etwa zwei Jahren Verspätung auf sich ändernde  Marktverhältnisse. Vom Baukonzern Implenia (IMPN 72.5 0.55%) war zu dieser Frage keine Stellungnahme erhältlich.

Auch der von der UBS (UBSG 16.89 0.18%) erhobene Immobilienblasenindex blieb in der Risikozone. Er ist gemäss der Publikation vom Mai im ersten Quartal noch einmal leicht gestiegen. Die Eigenheimpreise übertrafen die Entwicklung der Mieten und der Einkommen weiterhin.

Silvan Müggler, im Schweizerischen Baumeisterverband zuständig für die Wirtschaftspolitik, hebt ebenfalls den Warnfinger. Er weist darauf hin, dass die Bautätigkeit aufgrund des Anlagenotstands vorerst kaum sinken werde. So dürften auch im laufenden Jahr rund 50’000 Wohnungen neu gebaut werden.

Nachfrage schrumpft weiter

Gefahren sieht er in erster Linie im Mietwohnungsbereich. Der Bau bleibe rege, die Nachfrage jedoch schrumpfe wegen der sinkenden Zuwanderung. Das spiegelt sich auch in der Leerwohnungsziffer. Am 1. Juni 2016 (die neuen Zahlen liegen noch nicht vor) belief sie sich auf 1,3% – entsprechend dem Niveau der Jahrtausendwende. Der seit Jahren anhaltende steigende Trend dürfte sich fortgesetzt haben. Müggler warnt: «Hält die Diskrepanz zwischen gebauten Mietwohnungen und der Nachfrage an, droht mittel- bis langfristig eine gefährliche Situation.»

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